Herne. Vorarbeiten für das Kulturhauptstadt-Projekt "U20-Slam": Poetry-Slammer sind in den Schulen auf Nachwuchs-Suche. Keine leichte Aufgabe, denn das Publikum im Klassenzimmer ist anders, als es die Slammer gewohnt sind. Ein Bericht aus dem Otto-Hahn-Gymnasium.

Normalerweise stehen Poetry-Slammer in Veranstaltungssälen oder Kneipen, abends und vor einem Publikum, das eigens dafür gekommen ist, aufmerksam zu lauschen.

Jetzt steht Sebastian 23, einer von Deutschlands besten und bekanntesten Slammern, im Foyer des Otto-Hahn-Gymnasiums. Morgens um zehn, vor rund 120 Schülern, die größtenteils nicht den Hauch einer Ahnung haben, was der junge Mann mit der Schirmmütze eigentlich will. Er will ihnen erklären, was Poetry Slam ist und dass sie im Rahmen des Kulturhauptstadtprojektes U20-Slam selbst die Chance haben, sich als Poeten auszuprobieren. „Watt für'n Ding?” fragt irgendjemand aus dem Publikum. Der Slammer erklärt die Regeln und das Prozedere des poetischen Vortragswettbewerbs und gibt einen ersten selbstverfassten Text zum Besten. „Wie ich mir vorstelle 60 zu sein und mir dabei vorstelle 16 zu sein. . .” Immer wieder Zwischenrufe, Kommentare, Unruhe, Störungen. Sebastian 23 bleibt cool: „Das ist nicht Youtube hier, ihr könnt ein paar Sachen unkommentiert lassen.”

Kein leichtes Publikum

Auch der zweite Text im rapartigen Reimstakkato vermag die guten Manieren der Oberstufenschüler nicht zu aktivieren. Der Bochumer Dichter lädt sie trotzdem zum nächsten Slam in den Flottmann-Hallen, zu kostenlosen Workshops, zum Eintragen in eine unverbindliche E-Mail-Liste ein. Der dritte Text „Online Sein” scheint endlich den Nerv der Schüler zu treffen: Zwei Minuten lang hören sie zu – bis wieder irgendjemand dazwischen johlt. Nach 35 Minuten ist alles vorbei. Immerhin 19 Schülerinnen und Schüler tragen sich in die Interessentenliste ein.

15 Mal hat das U20-Slam-Team in den letzten Wochen mit Veranstaltungen wie dieser an Herner Schulen geworben – und dabei rund 750 Jugendliche angesprochen. „Die Show heute war leider überhaupt nicht repräsentativ”, erklärt der für den Flottmannschen Poetry Slam verantwortliche Chris Wawrzyniak. Denn: Die Reaktionen auf die Poetry Slammer im Klassenzimmer hat die Erwartungen weit übertroffen: „Wir sind in Klassen gekommen, wo wir dachten: Da geht gar nichts! Und nach drei Minuten waren alle ruhig, aufmerksam und interessiert”, schildert Wawrzyniak und fügt hinzu: „Vor allem an den so viel gescholltenen Gesamtschulen hat alles super geklappt, und die Jugendlichen haben toll mitgemacht.” „Im Schnitt reagieren die Schüler sehr positiv. Und auch viele Lehrer waren begeistert, haben nach Fortbildungen und Material für den Unterricht gefragt”, erklärt Sebastian 23.

Die direkte Ansprache ist effektiver

Als besonders fruchtbar habe sich der Einsatz von Kulturscouts erwiesen, die Schüler und Lehrer persönlich angesprochen haben, um für das Projekt zu werben. „Die direkte Ansprache ist viel effektiver. Der etablierte Dienstweg über Anschreiben an die Schulleitungen funktioniert oft überhaupt nicht”, so Wawrzyniak.

Nach den Schulaktionen stehen im Frühjahr (18.3. - 12.5.) die Workshops an, im Herbst die deutschsprachigen Meisterschaften (10. - 13.11.). Die nächste Möglichkeit, sich einen Poetry Slam anzusehen: Donnerstag, 18. Februar, 20 Uhr, „Sprechreiz” in den Flottmann-Hallen, Eintritt 4 Euro, u.a. mit dabei: der amtierende NRW-Champ Thorsten Sträter und der deutsche U20-Champ 2008 „Bleu Broude”. Informationen und Kontakt auf www.slam2010.de.