Herne/Bochum. Ein reisender Handwerker, der in Herne Steinflächen gereinigt hat, muss sich einem Steuerprozess stellen. Für ihn kommt es ganz dicke.
Keine neue Strafe, aber dafür wirtschaftlich wohl für immer ruiniert: Mit einem skurrilen Resultat ist am Bochumer Amtsgericht ein Steuerprozess gegen einen reisenden Steinreiniger zu Ende gegangen, der vor Jahren auch in Herne von Haustür zu Haustür gezogen ist. Es geht um Schätzungen, die den 25-Jährigen an den Rand des Wahnsinns treiben.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Handwerker aus Recklinghausen vorgeworfen, in der Zeit von Mai 2019 bis Oktober 2020 unter anderem in Herne, Breckerfeld, Regensburg und anderen Orten vorzugsweise bei hochbetagten Anwohnerinnen und Anwohnern Steinreinigungs-Arbeiten ausgeführt, bar abkassiert, das Geld jedoch nie ordnungsgemäß versteuert haben. Als Steuerschaden für diesen Zeitraum war die Rede von knapp 270.000 Euro.
5000 Euro Tageseinnahme hochgerechnet auf 100 Arbeitstage
Weil er jahrelang nie Steuererklärungen abgegeben hat, haben die Finanzbehörden in seinem Fall Umsätze und Einkünfte irgendwann geschätzt. Und zwar auf Basis einer Tageseinnahme in Höhe von rund 5000 Euro, hochgerechnet auf 100 Arbeitstage – macht 500.000 Euro im Jahr. Der Richtwert 5000 Euro fußte offenbar auf einen Vorfall bei einer privaten Baustelle in Süddeutschland, bei dem der Handwerker mit eben dieser Summe in bar angetroffen wurde. Die auf Schätzungen beruhenden Steuerbescheide sind trotz seiner Einsprüche rechtskräftig geworden. Auf ihm lasten somit mindestens rund 270.000 Euro Steuerschulden.
„Die Zahlen stimmen aber hinten und vorne nicht“, beklagte Verteidiger Axel von Irmer im Prozess am Bochumer Schöffengericht. „Die Einnahmen waren vielleicht ein paar Tausend Euro im Jahr, aber doch keine Hundertausende.“ Und auch der Angeklagte spottete leise vor sich hin: „Ich bin doch kein Millionär.“
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Für ihn kommt es aber noch dicker: Auch neue – auf den gleichen Schätzungen beruhende - Steuerbescheide für 2022 und 2023 sind inzwischen eingetroffen, hieß es. „Ich kriege jede Woche neue Briefe“, stöhnte der Handwerker. Und das alles, obwohl er das Gewerbe bereits vor Jahren offiziell abgemeldet haben will. Alleine an Säumniszuschlägen seien inzwischen 64.000 Euro aufgelaufen. Sicher sei schon jetzt: Der Handwerker sei „wirtschaftlich tot“, betonte der Verteidiger.
Dass sein Steuerverfahren nun am Ende wegen „massiver Beweisschwierigkeiten“ mit Blick auf eine andere Betrugs-Geldstrafe (2700 Euro) eingestellt wurde, konnte dem Handwerker nur ein gequältes Lächeln abringen. Sein Verteidiger formulierte das große Ziel so: „Uns wäre viel mehr geholfen, wenn endlich diese Bescheid-Flut aufhört.“