Herne. Im Ruhrgebiet ist Herne die einzige Stadt ohne „Stolpersteine“. Das soll sich ändern, so eine Forderung. Das Projekt ist aber nicht unumstritten.
In Herne sollen „Stolpersteine“ verlegt werden. Das schlagen die Grünen vor und haben einen entsprechenden Antrag für die kommende Ratssitzung gestellt. Stolpersteine sind kleine, quadratische Gedenktafeln aus Messing, die vor den letzten - frei gewählten - Wohnhäusern der NS-Opfer in das Pflaster eingelassen werden. Die Stadt begrüßt die Initiative.
Für die Ratssitzung am Dienstag, 23. April (Rathaus Herne, Ratssaal, Beginn 16 Uhr) hat die Grünen-Fraktion den Antrag gestellt, die Verlegung von Stolpersteinen als weiteren Bestandteil der Herner Erinnerungskultur auf den Weg zu bringen. Das Projekt Stolpersteine, 1992 von dem Künstler Gunter Demnig gestartet, zähle mittlerweile als das größte dezentrale Mahnmal, das an alle Opfer der Nationalsozialisten erinnere: an Juden, Sinti und Roma, politisch oder religiös Verfolgte, Zeugen Jehovas, Menschen mit geistiger oder körperlicher Einschränkung, Obdachlose, Prostituierte, Deserteure sowie Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden, so Grünen-Ratsfrau Tina Jelveh in ihrem Antrag. Mittlerweile hätten sich 1265 Städte und Gemeinden in Deutschland diesem Projekt verpflichtet. „Im Ruhrgebiet ist Herne die einzige Kommune, die nicht Teil dieses Projekts ist“, stellt sie fest. Das soll sich ändern.
Herner Grüne: Mit Stolperstellen ein Zeichen setzen
Mit den Stolpersteinen soll die Erinnerungskultur in Herne erweitert werden, heißt es. Herne sei mit dem Projekt „Nahtstellen“ bereits vorbildlich. Gemeint sind mit „Nahtstellen - fühlbar hier“ Gedenktafeln in der Stadt, die auf historische Orte verweisen und die Geschichte des jüdischen Lebens, das durch die Shoah an diesen Stellen vernichtet wurde, aufzeigen. Die Schaffung dieser „dezentralen Erinnerungsorte“ wurde seinerzeit vom Rat beschlossen, 2004 wurde die erste Nahtstelle errichtet.
Die Grünen glauben, dass Stolpersteine eine „sinnvolle Ergänzung“ sind - „weil allen Opfern der Nationalsozialisten gedacht wird und das Projekt von den Beiträgen und Recherchen der Bürgerschaft lebt“, so Jelveh in ihrem Antrag. Und: „In Zeiten, in denen überall in Europa rechtsradikale und faschistische Kräfte hetzen, wollen wir ein Zeichen setzten und das Versprechen ,Nie wieder ist jetzt!‘ auch mit diesem Projekt bekräftigen.“
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Die Stolpersteine, die mittlerweile in 30 Ländern verlegt werden, sind freilich nicht unumstritten. Mehrere Städte, darunter Herne, beteiligen sich bislang nicht an dem Projekt. Durch Stolpersteine werde auf den NS-Opfern buchstäblich herum getreten, lautet eine Hauptkritik. Geäußert wurde sie etwa auch von Charlotte Knobloch, der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Mit diesem Argument bekräftigte 2013 auch der damalige Herner Oberbürgermeister Horst Schiereck (SPD) sein Nein gegenüber den Stolpersteinen: „Man hat zwischen 1933 und 1945 das Leben der jüdischen Bevölkerung mit Füßen getreten.“
Da passe es nicht, so argumentierte er, wenn man über die Gedenksteine laufe. Auch die in Deutschland geäußerte Kritik an der „Leichtigkeit des Gedenkens“, die von den Stolpersteinen ausgehe, teile er, so der Ex-OB damals. Wichtig sei ihm dagegen die Einbeziehung der jungen Generation in die Erinnerungskultur, zu der neben den Nahtstellen und dem Shoah-Mahnmal auch die Veranstaltungen zum Holocaust-Gedenktag gehörten, an denen sich Schulen beteiligen. Kritik wird in Deutschland nicht zuletzt an dem Umstand laut, dass der Künstler Demnig ein Warenzeichen auf seine Stolpersteine - und damit ein Monopol auf diese Form der Erinnerung - besitzt.
Auch die Grünen wissen, dass die Stolpersteine nicht unumstritten sind, auch unter Juden gehen die Meinungen auseinander. Die Ratsfraktion hat nach Auskunft von Jelveh im Vorfeld des Ratsantrags bei der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen nachgefragt, wie sie das Projekt bewerte. „Diese spricht sich trotz Kontroversen für Verlegungen von Stolpersteinen aus und sieht diese ebenfalls als Bereicherung für die Erinnerungskultur in unserer Stadt an“, so die Antwort.
Herner Kulturdezernent: Danke für den Aufschlag
Die Stadt Herne begrüßt die Initiative der Grünen. Er stehe „voll dahinter“, sagt Hernes Kulturdezernent Andreas Merkendorf zur WAZ. Stolpersteine passten gut in die heutige Zeit. Sie gäben dem Betrachter oder der Betrachterin Gelegenheit, um innezuhalten und nachzudenken. Die Kulturverwaltung werde die Initiative der Grünen positiv begleiten: „Danke für den Aufschlag.“