Herne. Die Eröffnung eines Lebenshofes zur Rettung von Schlachttieren: Das Ziel setzte sich der Herner Verein Schokuhminza 2018. Jetzt ist es so weit.
- Ein Herner Verein rettet Tiere vor der Schlachtung.
- Den Verein gibt es seit 2018.
- Seitdem ist er enorm gewachsen.
Am Anfang war Tobi. Die aktive Herner Tierschützerin Angelina Dobrowolny entdeckte den Mastbullen bei einem Biobauern, angekettet in der dunklen Ecke eines Stalls. Dank mehrerer Spenden rettete sie Tobi, Hanna und Glubschi sowie weitere Rinder, gründete mit ihrem Bruder 2018 schließlich den Verein Schokuhminza und setzte sich ein Ziel: die Eröffnung eines Lebenshofes zur Rettung von aussortierten Milchkühen, Mastbullen und Kälbern sowie von anderen „Nutztieren“. Nun ist es endlich so weit.
Der Verein hat einen ehemaligen Bauernhof in Witten - zuletzt wurde er als Pferdepension betrieben - gepachtet. Im April sollen zunächst jene elf der inzwischen 15 Rinder von Schokuhminza einziehen, die in Rupichteroth (Rhein-Sieg-Kreis) auf einem Pensionshof leben. „Es gibt in Witten noch nicht genug Platz für alle“, sagt Angelina Dobrowolny. Die anderen vier vom Verein geretteten Rinder blieben deshalb vorerst auf einem Hof in Meinerzhagen im Sauerland.
Schon am 8. April sollen die ersten drei Tiere in Witten „einziehen“, im Laufe des Monats sollen dann die anderen acht folgen, berichtet die 34-Jährige. Der Verein wolle den Lebenshof irgendwann aber auch für andere „Nutztiere“ öffnen: Schweine, Hühner, Puten, Ziegen, Schafe, Hasen ... .
Seit dem ersten Bericht der WAZ im Mai 2019 über die ehrenamtlichen Tierschützerinnen und -schützer ist viel passiert, das Engagement hat immer weitere Kreise gezogen. Rund 20 aktive Mitglieder habe Schokuhminza mittlerweile, zusätzlich leisteten etwa 200 Menschen Unterstützung durch Spenden, Patenschaften und andere Zuwendungen, berichtet Dobrowolny.
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Den größten Schritt hat der Verein im vergangenen Jahr gemacht, als durch das Engagement von Schokuhminza bei einem Landwirt in Beverstedt bei Cuxhaven sowie die Vermittlung einer Unterstützerin die Hamburger Bastet Stiftung auf die Herner aufmerksam wurde. „Die Stifterin findet gut, was wir machen.“ Und was noch wichtiger ist: Sie leistet seitdem finanzielle Unterstützung.
Hamburger Stiftung übernimmt die Kosten für drei Stellen beim Herner Verein
Bis Ende 2025 übernimmt sie die Kosten für das von Schokuhminza entwickelte Projekt Kuhnection (eine Symbiose aus Kuh + Connection; englisch für Verbindung). Heißt: Für Angelina Dobrowolny, derzeit noch Angestellte der Ruhr-Uni Bochum in Elternzeit, und zwei weitere Mitstreiterinnen sind befristete (Teilzeit-)Stellen eingerichtet worden, um Kuhnection unter dem Vereinsdach professionell betreiben zu können.
Und worum geht es? Sie berieten Landwirte bei der Umwandlung des Hofes bzw. Teile des Hofes zum Lebens- oder Pensionshof - vor Ort oder auch telefonisch. „Das Rind als Lebenstier hat ganz andere Bedürfnisse als das Nutztier.“ Von einer Win-win-Situation spricht sie, denn: Viele Landwirte seien mit ihrer Situation unzufrieden. Insbesondere kleinere Betriebe suchten vor dem Hintergrund der Entwicklung - „wachse oder weiche“ - nach Standbeinen, um ihre Existenz zu sichern und ihren Hof zukunftsfähig zu machen. Im Gegenzug würden neue Pensionsmodelle dringend benötigt, weil die Kapazitäten für die Rettung von Schlachttieren nicht ausreichten.
Mit Kuhnection will der Verein auch die Vernetzung und den Austausch aller Menschen organisieren, die mit Rindern zu tun haben. Es werde eine Plattform programmiert, auf der man Tiere „einstellen“und einen Lebensplatz suchen könne, so Dobrowolny. Monatliche Fixkosten in Höhe von durchschnittlich 150 Euro fielen für die Unterbringung eines Rinds in einem Pensionshof an. Die Eignung von Höfen prüfe man anhand einer Checkliste. Wenn die Kriterien erfüllt seien, würden Landwirte ins Kuhnection-Netzwerk aufgenommen. Das Projekt laufe jetzt erst richtig an, sagt sie, doch erste Reaktionen seien sehr positiv gewesen: Auf eine erste Anzeige im Bioland-Magazin hätten sich etwa 30 Interessenten gemeldet.
Hat die Hernerin keine Angst davor, mit dem Verein irgendwann die steigenden Kosten für Lebenshof, Pensionstiere und Netzwerke nicht mehr tragen zu können? „Natürlich macht man sich darüber Gedanken“, sagt die verheiratete Mutter einer zweijährigen Tochter. Neben der Erschließung weiterer Fördertöpfe setze sie darauf, dass die Unterstützung nicht abreißen wird. „Das hat uns ja schon bei unserem Start 2018 mit Tobi den Weg geebnet: dass Menschen uns vertrauen und an uns glauben.“ Und sie gehe fest davon aus, dass das gesellschaftliche Bewusstsein für den Tierschutz und diese Erkenntnis weiter zunehmen wird: „Jedes Lebewesen ist wertvoll.“
>>> „Unsere Tiere sind die besten Botschafter“
Als Tierschützerin ernährt sich Angelina Dobrowolny - wenig überraschend - vegan. Das heißt, sie verzichtet nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf tierische Produkte wie Milch oder Eier. Ihr jüngerer Bruder habe sie vor rund elf Jahren in diese Richtung gelenkt, erzählt sie.
„Ich war als BWL-Studentin für ein Auslandssemester in Australien, als er mir mitteilte, dass er Vegetarier geworden ist.“ Das habe bei ihr einen Gedankenprozess in Gang gesetzt, an dessen Ende sie selbst erst zur Vegetarierin und dann zur Veganerin geworden sei. „Ich habe dann aber nicht aufgehört zu recherchieren und meine Kenntnisse weitergegeben.“ Mit der Folge, dass sich inzwischen ihre gesamte Familie vegan ernähre. Kürzlich habe sie im Freundeskreis sogar erstmals eine „vegane Hochzeit“ erlebt, bei der Schokuhminza Thema in der Traurede gewesen sei.
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Andere Menschen zu missionieren nach dem Motto „du bist schlecht, weil du Fleisch isst“, das liege ihr jedoch fern. Sie wolle Menschen überzeugen, sagt die Besitzerin von zwei Kurzhaardackeln. Bei Schokuhminza funktioniere das sehr gut: „Wir laden Menschen auf Höfe ein und stellen uns daneben. Unsere Tiere sind die besten Botschafter.“
Mehr Informationen über den Verein und seine Aktivitäten gibt es auf und auf der Facebook-Seite von Kuhnection sowie Schokuhminza (Kontakt: info@kuhnection.de und info@schokuhminza.de).