Herne. Die Stadt will einen Baum an einer Garagenzufahrt fällen. Warum die Herner Politik den Aufstand probt und auch eine Klage in Kauf nimmt.
Verkehrte Welt in Sodingen? Die Bezirksvertretung hat dem Aus von 28 Bäumen am Ostbach ohne große Debatte zugestimmt und sich gleichzeitig der von der Stadt aus rechtlichen Gründen dringend empfohlenen Fällung einer Platane in Horsthausen widersetzt. Beide Entscheidungen fielen einstimmig und aus Sicht der Politik aus guten Gründen.
Der Beschlussvorschlag und die mündliche Begründung der Verwaltung ließen eigentlich keinen anderen Schluss zu: Die vitale und etwa 100 Jahre alte städtische Platane im Wendekreis der Werderstraße müsse entfernt werden, weil die Zufahrt von zwei hinteren Garagen „mit einem herkömmlichen Pkw“ aufgrund der Anhebung des Pflasters durch die Wurzeln nicht mehr genutzt werden könne, so hieß es.
Da die Garagen einst baurechtlich genehmigt worden seien, müsse die „zweckmäßige Nutzung“ nach der Bauordnung NRW dauerhaft gewährleistet sein. „Baurecht schlägt Baumrecht“, erklärte Stadtgrün-Vize David Hucklenbroich. Bei einer Entfernung von Wurzeln wäre die Standsicherheit des Baumes nicht mehr gewährleistet, so das Ergebnis der Prüfung einer Fachfirma. Und auch eine Verlegung der Zufahrt oder eine Beseitigung der Aufwölbungen seien nicht möglich.
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Die Bezirksverordneten - die zuvor sich bei einem Ortstermin ein Bild gemacht hatten - ließen sich durch den vermeintlich alternativlosen Vorschlag der Stadt nicht beeindrucken. Sie äußerten ihr Unverständnis darüber, dass die Stadt den Bau der Garagen in den 80er-Jahren trotz der Platane überhaupt genehmigt hatte.
„Man steht davor und denkt: Das kann doch nicht wahr sein, warum sind dort Garagen?“, sagte SPD-Fraktions-Chef Michael Weberink. Es sei sehr wohl zumutbar, die Platane zu umfahren, erklärte sein Grünen-Kollege Klaus-Dieter Gülck. Nur weil hier eine „Unbequemlichkeit“ vorliege, dürfe dieser Baum - er hat einen Stammumfang von etwa 3,50 Meter - nicht gefällt werden. Und CDU-Fraktionsvorsitzender Markus Lülf sprach von „Bauchschmerzen“ und beantragte eine Sitzungsunterbrechung.
Nach der Beratungspause stimmten die Bezirksverordneten einmütig für den Erhalt der Platane, auch auf die Gefahr hin, dass die Eigentümerin dagegen klagen könnte. Diese ist sechs Tage nach der Sitzung über den Beschluss informiert worden - von der WAZ, nicht von der Stadt. Sie warte nun erst einmal ab, was die Verwaltung ihr offiziell mitteile und behalte sich rechtliche Schritte vor. „Ich kann zwei Garagen nicht mehr nutzen. Das ist ja kein Zustand“, sagte sie.
Auf Unterstützung von der Stadt kann sie allerdings nicht hoffen. Stadtsprecher Christoph Hüsken teilte der WAZ auf Anfrage mit, dass die Verwaltung den Beschluss der Bezirksvertretung Sodingen aus rechtlichen Gründen nicht beanstanden werde.
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Ohne große Diskussion hatte die Bezirksvertretung die Fällung von 28 Bäumen am Ostbach in Sodingen zugestimmt, konkret: auf dem Abschnitt Auf dem Stennert bis Sodinger Straße. Das Entfernen der Bäume - überwiegend wild gewachsene Eschen und Ahorne - sei für den ökologischen Umbau des Gewässers erforderlich, so die Begründung der Verwaltung. Im Gegenzug würden neue Bäume und Sträucher gepflanzt.
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Auch in der Bezirksvertretung Wanne wurde der Weg frei gemacht für das Abholzen einer großen Robinie. Der Baum mit einem Stammumfang von zwei Metern steht auf dem Gelände des Gymnasiums Wanne. Die Schule soll bis spätestens Ende 2027 für über sechs Millionen Euro ausgebaut werden und dabei einen Anbau auf Stelzen erhalten. Die Robinie steht den Neubauarbeiten im Weg.
Auch in dieser Bezirksvertretung gab es Diskussionen über die Fällung. Am Ende stimmten SPD, CDU und AfD dafür, Nein sagten die Grünen.