Herne. Fast 9000 Mitarbeiter, ein Jahresumsatz von über 700 Millionen Euro - und Sitz ist Herne. Eine Fusion stärkt die Stadt als Gesundheitsstandort.
Die ersten Gespräche begannen vor etwa zwei Jahren: Und da das Kartellamt keine Einwände erhebt, kann nun eine Fusion im Gesundheitssektor vollzogen werden, bei der Herne eine Hauptrolle spielt. Im Gespräch mit der WAZ-Redaktion hat der Herner Professor Ulrich Eickhoff erläutert, welche Vorteile sie bringt und ob sie Auswirkungen auf die Patientenversorgung hat.
Zur Einordnung: Der Zusammenschluss hat eine beachtliche Dimension, denn künftig werden die evangelische Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, die ev. Kliniken Gelsenkirchen, die ev. Stiftung Augusta in Bochum, die Diakonie Ruhr sowie das Diakoniewerk Gelsenkirchen und Wattenscheid unter dem gemeinsamen Dach der Holding „Evangelischer Verbund Augusta Ruhr“ agieren, wobei der Evangelische Verbund Ruhr der größte Partner ist. Den bildet die Diakonie Ruhr mit der ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel. Und: Sitz des Verbunds wird Herne sein.
Gewaltige Anforderungen für Krankenhäuser durch anstehende Strukturreform
An der Fusion mitgearbeitet hat der Herner Prof. Ulrich Eickhoff in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Verbunds Ruhr (EVR). Den Impuls, den gemeinsamen Weg zu suchen, hätten die gewaltigen Anforderungen gegeben, die im Zuge der Strukturreform in den nächsten Jahren auf die Krankenhäuser zurollen würden. Ziel dieser Reform sei es, dass nicht mehr so viele Patientinnen und Patienten stationär in den Krankenhäusern versorgt werden. Stattdessen sollen viele Behandlungen in den ambulanten Bereich verlagert werden. „Das ist die große Herausforderung, die auf die Krankenhäuser zukommt“, so Eickhoff. Auf der anderen Seite würden die Einnahmen eines Krankenhauses in erster Linie durch die stationären Behandlungen generiert, nicht durch ambulante. So kämen die Krankenhäuser in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Einzelne Krankenhäuser hätten kaum noch eine Chance, was sich in der Zahl der Insolvenzen spiegele. Für die Kliniken des neuen Verbunds drohe dieses Szenario allerdings nicht.
Die Entwicklung, dass man alleine in Schwierigkeiten gerät, habe Heinz-Werner Bitter, bis 2023 Geschäftsführer der ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel, schon vor Jahren vorhergesehen und gesagt: „Wir sind zu klein.“ Die Konsequenz: Schon 2011 sei gemeinsam mit der Diakonie Ruhr der Evangelische Verbund Ruhr (EVR) gegründet worden, um sowohl die stationäre als auch die ambulante Versorgung unter einem Dach zu haben. In den folgenden Jahren habe Bitter weiter nach neuen Partnern gesucht - die aktuelle Fusion sei das Ergebnis. Mit dem neuen Verbund sei man der größte evangelische Krankenhausträger in NRW.
Der Betrieb in den Herner Krankenhäusern läuft ganz normal weiter
„Doch es nützt ja nichts, einfach diese Fusion zu realisieren. Jetzt müssen wir auch etwas damit anfangen“, so Eickhoff. Dabei sei ganz wichtig, dass das Lokalkolorit der einzelnen Häuser erhalten bleibe. „Wir möchten, dass die Herner weiterhin sagen: Wir gehen ins EvK in Herne. Die emotionale Beziehung muss aufrechterhalten bleiben.“ Eigentlich sollten es die Bürger gar nicht wahrnehmen, dass das EvK nun Teil eines Großkonzerns ist. Der Betrieb laufe ganz normal weiter.
Andererseits soll die Fusion genutzt werden, um mit der neuen Größe anders aufzutreten, etwa in Verhandlungen mit Mitbewerbern, Krankenkassen, Investoren oder der Politik. Auch bei der Beschaffung - etwa Energie - solle sich die Größe vorteilhaft bemerkbar machen. Darüber hinaus wolle der Verbund noch attraktiver als Arbeitgeber werden. „In so einem Verbund sind die Karrieremöglichkeiten viel größer als in einem einzelnen Haus.“ Zudem könne die komplette medizinische Ausbildung angeboten werden, weil alle Fachbereiche vorhanden seien. Nur die Neurochirurgie und die Augenheilkunde bildeten Ausnahmen. Ein weiteres Plus: Alle Krankenhäuser seien Lehrkrankenhäuser von Universitäten.
Mit der gewonnenen Größe soll auch dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Dabei spiele die Ausbildung eine zentrale Rolle, allerdings setzt der Verbund in dieser Hinsicht auf dezentrale Standorte, um jungen Menschen möglichst kurze Wege zu ermöglichen. Und: In Bochum gebe es eine zentrale Stelle, die sich nur um ausländische Kräfte kümmere. Eickhoff betont, dass der Bedarf ohne Fachkräfte aus dem Ausland gar nicht gedeckt werden könne. „Alleine mit den inländischen kommen wir nicht hin.“ Es könne sogar sei, dass die Rekrutierung aus dem Ausland noch weiter intensiviert werden müsse.