Herne. Fast 30 Jahre sitzt Frank Friese-Kuleßa als Reisebusfahrer hinter dem Steuer. Der WAZ hat er erzählt, was die Faszination des Berufs ausmacht.

Sie werden beinahe verzweifelt gesucht: Berufskraftfahrer. Ob Logistiker oder Reisebusunternehmen, kaum eine Firma, die nicht über einen eklatanten Mangel in diesem Bereich klagt - weil sich kaum noch jemand hinter das Lenkrad setzen will. Nicht so Frank Friese-Kuleßa. Seit fast 30 Jahren ist er für das Herner Unternehmen Graf‘s Reisen unterwegs.

Ob Rom, Paris oder Berlin. Ob Nordkap, die Schweizer Berge oder Sizilien: Der 59-Jährige hat all diese Ziele schon angesteuert, viele von ihnen mehrfach, ja dutzendfach. Er sei fast alle Touren aus dem Graf‘s-Programm gefahren. „Ich bin in ganz Europa unterwegs und Zuhause. Und ich arbeite dort, wo andere Urlaub machen“, erzählt er. Friese-Kuleßa auf die Rolle des Fahrers zu reduzieren, wäre allerdings viel zu kurz gedacht. Er ist auch Reiseleiter und ein Stück weit Entertainer, und gerade die zweite Fähigkeit schimmert im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion deutlich durch. Friese-Kuleßa sagt ja selbst von sich: „Ich liebe es, wenn die Fahrgäste meinen Worten lauschen, ich würde mir auch gerne zuhören.“

Jede Reise bereitet der Busfahrer gewissenhaft vor

Um die Urlauber zu informieren und zu unterhalten, bereitet sich der Kutscher - wie er sich selbst nennt - gewissenhaft vor. Inzwischen habe er eine stattliche Karteikartensammlung, um an der richtigen Stelle die richtigen Hinweise zu geben, etwa zu Sehenswürdigkeiten. Und wenn er etwas Neues sehe, werde das für die nächste Tour recherchiert und eingearbeitet. Für den inzwischen seltenen Fall, dass er eine Tour zum ersten Mal fährt, durchforste er Reiseführer zum jeweiligen Ziel. Bei Reisepreisen von teilweise jenseits von 1000 Euro müsse man ja auch Qualität bieten.

Darüber hinaus stapeln sich bei Friese-Kuleßa jede Menge Straßenkarten. Sie stammen noch aus der Zeit, bevor Navigationsgeräte die Richtung vorgaben. Mit diesen Karten tüftelte er früher die beste Route aus, aber gerade in den Metropolen konnten sie auch nicht immer helfen. „Ich habe früher schon mal ein Taxi angehalten, das uns dann zum Hotel geführt hat.“ Das ist inzwischen nicht mehr nötig. Bei so vielen Touren wisse er, in welcher Stadt er von welcher Seite das Hotel ansteuern muss. Friese-Kuleßa ist quasi selbst das Navi. Obwohl die elektronischen Wegweiser mittlerweile serienmäßig in den Reisebussen eingebaut sind, habe er immer auch einen guten alten Atlas bei jeder Fahrt dabei.

Hat er bei so vielen Touren auch Favoriten? Na klar! „Ich liebe die Natur, deshalb sind die Berge meine Favoriten.“ Im Programm von Graf gibt es mehrere Reise in die Schweizer Berge. Auch wenn er sie schon oft gefahren sei, würden sie nie langweilig. Keine Fahrt sei wie die andere.

Frank Friese-Kuleßa (Reisebusfahrer, 59) mit seinem Sohn Till. Der ist zurzeit in der Ausbildung und will sich später auch hinter das Lenkrad eines Reisebusses setzen.
Frank Friese-Kuleßa (Reisebusfahrer, 59) mit seinem Sohn Till. Der ist zurzeit in der Ausbildung und will sich später auch hinter das Lenkrad eines Reisebusses setzen. © FUNKE Foto Services | Jonas Richter

Friese-Kuleßa ist aber nicht nur Fahrer, Reiseleiter und Entertainer. Er muss auch psychologische Fähigkeiten haben. Schließlich treffen bei einer Busreise mit mehreren Dutzend Teilnehmern auch ebenso viele Charaktere aufeinander. Er schaue schon beim Einchecken genau hin, um seine Sensoren auszufahren, bei wem es womöglich besonderen Betreuungsbedarf gibt. Eins sei klar: Auch wenn er die Fahrgäste unterhalte, er sei das Oberhaupt und sage nicht nur, wo es langgeht, wenn er hinter dem Lenkrad sitze. So dringe er bei seinen Fahrgästen darauf, dass sie pünktlich zur Abfahrt erscheinen.

„Ich bin eben mein eigener Chef, sobald ich vom Betriebshof gefahren bin“, beschreibt Friese-Kuleßa einen Pluspunkt bei diesem Beruf. Allerdings: Man sei eben auch sehr viel von Zuhause weg, das müsse man mögen. Er mag es - und sein Sohn Till ganz offensichtlich auch. Der 20-Jährige sei schon als Kind von den großen Bussen fasziniert gewesen, längst hat er seinen Vater bei vielen Reisen begleitet. Seit einem Jahr ist er bei Graf‘s Reisen in der Ausbildung und hat den festen Plan, auch hinter dem Lenkrad zu sitzen.

Till Kuleßa ist einer von zwei Auszubildenden bei Graf‘s Reisen. Prokuristin Anja Graf hätte gerne mehr in diesem Bereich, doch Auszubildende oder gar ausgebildete Berufskraftfahrer seien absolute Mangelware. Der Mangel habe inzwischen Auswirkungen auf das Reiseprogramm. Schlecht gebuchte Reisen würden frühzeitig abgesagt, um das Personal anders einzusetzen. Der Grund für diesen Mangel? Vielleicht mangele es an der Motivation. Ein Grund, den Frank Friese-Kuleßa gar nicht nachvollziehen kann.