Herne. In Herne wurden die ersten Pläne für die geplante Technologiewelt vorgestellt. Die Diskussion war kontrovers. Wer Ja und wer Nein sagte.

Viel Zustimmung von den beiden großen Parteien, Ablehnung in der Opposition, Lob und Kritik von Bürgerinnen und Bürgern: So lässt sich das Ergebnis einer zweistündigen Diskussion über die von der Stadt Herne geplante „Techno Ruhr International“ auf der Zechenbrache General Blumenthal zusammenfassen. Wenn der Rat im Februar grünes Licht gibt, was nun abzusehen ist, dann kann das Rathaus in die Detailplanungen für die Technologiewelt einsteigen.

Worum es auf der Blumenthal-Brache geht

Technologiewelt? Südlich des Hauptbahnhofs Wanne-Eickel soll nach den Plänen der Verwaltung voraussichtlich ab 2027/2028 auf einer Fläche von rund 25 Hektar die „Techno Ruhr International“ (TRI) entstehen, ein Mix aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kongressflächen, Freizeitmöglichkeiten und Grün. Eine 1050 Meter lange Seilbahn mit zwei Stationen soll das Areal mit dem Hauptbahnhof verbinden. Mit zu 4000 neuen Jobs rechnet die Stadt. Das Planungsbüro Albert Speer + Partner hat dazu eine Konzeptstudie entwickelt, die darlegt, dass eine TRI möglich ist. Diese Studie wurde am Dienstag, 16. Januar, im Volkshaus Röhlinghausen den beiden politischen Ausschüssen für Planung und Stadtentwicklung sowie Umweltschutz und der Bezirksvertretung Eickel in einer gemeinsamen Sitzung präsentiert. Auch viele Bürgerinnen und Bürger waren vor Ort, unter anderem die Vertreterinnen und Vertreter des Kommunalen Entwicklungsbeirats, einem Gremium, das die städtischen Pläne kritisch begleiten soll.

Wie der Grobentwurf aussieht

So sieht der Grobentwurf des Planungsbüros für die Technologiewelt aus.
So sieht der Grobentwurf des Planungsbüros für die Technologiewelt aus. © Herne | Anna Stais

Svenja Knuffke vom Planungsbüro Albert Speer + Partner (Frankfurt) präsentierte die Konzeptstudie. Das Büro schlägt auf der Brache eine Baufläche von 40 Prozent und einen Grünanteil von 60 Prozent vor. Gebaut werden könnte demnach ein Campus mit drei Baufeldern für Jobs in Lehre, Forschung, Entwicklung und Wirtschaft in den Bereichen Umweltmedizin, Gesundheit und Chemie sowie neue Mobilität und Energie. Möglich seien auch ein Hotel, eine Kita, Gastronomie oder eine E-Sport-Arena. Herz der Freifläche soll ein Blumenthalpark werden, der zugleich ein Habitat für Kreuzkröten werden soll. Eingebunden werden soll, wenn möglich, auch das Uniper-Kraftwerk. Das TRI-Gelände soll an die Grünflächen der Umgebung angebunden und autoarm sein.

Sie präsentierte die Pläne: Svenja Knuffke vom Planungsbüro Albert Speer und Partner.
Sie präsentierte die Pläne: Svenja Knuffke vom Planungsbüro Albert Speer und Partner. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Was der Oberbürgermeister sagt

OB Frank Dudda (SPD), sonst kein Gast in diesen politischen Gremien, kam ins Volkshaus, um persönlich für die Technologiewelt zu werben. Das Areal, das der RAG gehöre, solle „Strahlkraft“ bekommen, zur „Adresse“ im ganzen Land werden, sagte er. Zukunftsträchtige Jobs, neues Grün, moderne Mobilität - das wolle das Rathaus dort schaffen. Die Alternativen zeichnete er in einem düsteren Bild: Entweder bleibe es bei der Brache, einer verseuchten Industriefläche („Lasst eure Kinder da nicht spielen, das wäre unverantwortlich“), oder der Grundstückbesitzer RAG schaffe einen Logistikstandort. Die Pläne der Konzeptstudie, betonte er, seien nur ein Grobentwurf. Sage der Rat dazu Ja, dann gehe es an die Details - „mit sehr umfangreicher Bürgerbeteiligung“, versprach er. Dabei werde auch der Naturschutz berücksichtigt: „Ich nehme die Kreuzkröte sehr ernst.“

So reagiert die rot-schwarze Ratskoalition

SPD und CDU, die im Rat eine Kooperation und große Mehrheit gebildet haben, lobten die Studie. „Große Zustimmung“, sagte Fraktionsvize Hendrik Bollmann. Eine TRI würde die Stadt weit voranbringen. Hoch qualifizierte Jobs und Grün könne sie gut gebrauchen. „Angenehm überrascht“ von der Studie zeigte sich auch CDU-Ratsfrau Barbara Merten. Eine TRI nach diesen Plänen verleihe nicht nur Wanne, sondern ganz Herne Glanz. Ähnlich äußerten sich weitere Vertreterinnen und Vertreter der beiden Parteien in den drei Gremien. Am Ende stimmten SPD und CDU geschlossen dafür.

Auf der Zechenbrache General Blumenthal südlich des Hauptbahnhof Wanne-Eickel soll die Technologiewelt entstehen. Rechts im Bild: das ehemalige Uniper-Kraftwerk.
Auf der Zechenbrache General Blumenthal südlich des Hauptbahnhof Wanne-Eickel soll die Technologiewelt entstehen. Rechts im Bild: das ehemalige Uniper-Kraftwerk. © Herne | Hans Blossey

Ablehnung in der Opposition

Grüne und Linkspartei sagten Nein zu der Studie. Warum werde das Bahngleis, das aufs Gelände führe, nicht in die Pläne einbezogen?, fragte etwa Rolf Ahrens (Grüne). Und: Warum werde der Hauptbahnhof nicht umgebaut, um eine bessere Anbindung ans Gelände zu ermöglichen? Außerdem zweifelt er daran, dass so viele Jobs geschaffen werden können: „Das ist in Herne schwierig und kein Selbstläufer.“ Ebenso kritisierte Ahrens, dass an Mobilitätspunkten Menschen vom Auto auf andere Verkehrsmittel umsteigen sollen. Sie sollen erst gar nicht mit dem Auto zum Gelände kommen, forderte er. Linken-Ratsfrau Klaudia Scholz plädierte dafür, die Fläche so zu lassen, wie sie ist. Über Jahrzehnte habe sie „viel Gutes für Menschen und Tiere getan“. Eine Versieglung dagegen würde die Klimakatastrophe vorantreiben und den Luftaustausch in der Stadt einschränken. Mehr noch: Die Umweltprüfung habe ergeben, dass erhebliche negative Auswirkungen für Tiere, Pflanzen, die biologische Vielfalt, ja auch die Gesundheit von Menschen zu erwarten seien. Die Vertreterinnen von Grünen und Linken stimmten mit Nein, die der AfD mal mit Ja, mal mit Nein. Zustimmung gab es bei der FDP. Ratsherr Thomas Bloch nannte die Studie ausgewogen. Und kommentierte: „Ich verstehe den ganzen Pessimismus nicht, der hier an den Tag gelegt wird. Bitte nicht alles schlechtreden.“

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Was der Kommunale Entwicklungsbeirat sagt

Der Kommunale Entwicklungsbeirat, ein Gremium aus 35 Bürgerinnen und Bürgern, wurde im Vorfeld exklusiv über die Studie unterrichtet und stimmte ihr dabei zu. Moderator Heinz Letat, auch Mitglied im Planungsausschuss und früher Vorstand im Wohnungsverein, sagte, dass der Beirat 99 Prozent der Ideen in der Studie wiederfinde. Er sprach von einem „guten Konzept“ und betonte: „Da wird uns nichts von der Verwaltung übergestülpt.“ Er rief die Politik auf, dem Ganzen zuzustimmen. Dass es im Beirat aber auch viele, zum Teil kräftige kritische Stimmen gibt, wurde im Volkshaus deutlich. Mitglied Waltraud Böhm etwa kritisierte, dass in der TRI-Skizze des Planungsbüros im Südwesten bereits bestehendes Grün eingezeichnet wurde (siehe Grafik). Das sorge für eine Verzerrung, eine „optische Täuschung“. Auch zweifelt sie an den Berechnungen des Grünanteils. Kurz: „Es gibt noch ganz viel Gesprächsbedarf.“

Volles Haus im Volkshaus Röhlinghausen: Die Vertreterinnen und Vertreter mehrere politischer Gremien sowie Bürgerinnen und Bürger waren zu der Sitzung gekommen.
Volles Haus im Volkshaus Röhlinghausen: Die Vertreterinnen und Vertreter mehrere politischer Gremien sowie Bürgerinnen und Bürger waren zu der Sitzung gekommen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Kritik auch von weiteren Gruppen

„Es wird Zeit, dass jemand Klartext spricht“, sagte Ingrid Reckmeier, die Co-Vorsitzende des Hernes Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). Und sprach Klartext: Auf die Brache soll keine TRI, sondern Industrienatur, forderte sie. Zu den Plänen: Wenn auch das Kraftwerks-Gelände genutzt werden könne, dann drohe ein „viertes Baufeld“ - und noch mehr Verdichtung. Klaus Müller-Pfannenstiel, Sprecher der Herner XXL-Bürgerinitiative und beruflich Umwelt- und Stadtplaner, kritisierte die Studie ebenfalls. Blumenthal sei heute „ein Hotspot der Biodiversität“ - unter anderem mit Kreuzkröten, Mauereidechsen, Turm- und Wanderfalken. So sei das Kreuzkröten-Habitat aktuell so groß wie nirgendwo anders in NRW. Der geplante Lebensraum für diese Arten auf dem skizzierten TRI-Gelände reiche da bei weitem nicht aus. Er sieht deshalb rechtlich große Hürden, die Pläne so oder so ähnlich umzusetzen.

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So geht es jetzt weiter

Abschließend beraten wird die Konzeptstudie am Dienstag, 20. Februar, im Rat. Anschließend wird darüber abgestimmt. Bei einer Zustimmung ist die Studie die Grundlage für die Detailplanung der Technologiewelt in den kommenden Monaten und Jahren. Sie soll dann starten. Außerdem könnten bei einem Ja weitere Fördermittel beantragt werden, nicht zuletzt für die Seilbahn, heißt es.