Herne. Das Herner Unternehmen Heitkamp hat 2022 Auszubildende in der Mongolei rekrutiert. Nun schildern zwei von ihnen ihre Motivation und Erfahrungen.

Angesichts des Nachwuchsmangels greifen immer mehr Unternehmen zu ungewöhnlichen Mitteln. Das Herner Bau-Unternehmen Heitkamp ist bei seiner Suche nach neuen Auszubildenden in rund 6600 Kilometern Entfernung fündig geworden: in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator. Im September 2022 kamen acht junge Mongolen an der Firmenzentrale in Wanne an. Was war ihre Motivation, diesen weiten Weg sich zu nehmen? Was sind ihre bisherigen Erfahrungen? Die Herner WAZ-Redaktion hat mit zwei von ihnen gesprochen.

Zur Einordnung: Den Impuls für diese Art der Nachwuchsgewinnung lieferte ein Straßenbauprojekt in der Mongolei. Dort ist eine rund 1000 Kilometer lange Autobahntrasse in Planung, die von Russland im Norden bis nach China im Süden reichen wird. Da aufgrund der klimatischen Verhältnisse (sehr kalte Winter, sehr heiße Sommer) die Zeit, in der gebaut werden kann, sehr knapp bemessen ist, wurde Heitkamp auf sein Brücken-Schnellbausystem angesprochen.

Heitkamp kooperiert mit mongolischem Straßenbauverband

In diesen Gesprächen erwähnte Heitkamp-Chef Jörg Kranz, dass seine Firma dringend Auszubildende suche. „Haben wir“, erklärte die mongolische Seite. Da die deutsche Ausbildung nach wie vor ein hohes Ansehen genießt, wurde eine Kooperation mit dem mongolischen Straßenbauverband vereinbart. Inhalt: Heitkamp hilft mit seinen Brückenbausystemen, falls gewünscht. Im Gegenzug kommen Auszubildende aus der Mongolei nach Herne.

Im September 2022 wurden die ersten acht Auszubildenden aus der Mongolei bei Heitkamp begrüßt.
Im September 2022 wurden die ersten acht Auszubildenden aus der Mongolei bei Heitkamp begrüßt. © WAZ | Johannes Scholten

Unter den ersten acht, die im vergangenen Jahr nach Wanne kamen, waren auch Erdenetsetseg Nayanbaatar und ihr Ehemann Batbileg Dambii. Die 28-Jährigen haben bereits abgeschlossene Studien als Lebensmitteltechniker und Buchhalterin, dennoch bewarben sie sich auf die kleine Anzeige, die sie auf Facebook gesehen hätten, erzählen sie im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Dafür nennen sie mehrere Gründe. Einerseits sei die wirtschaftliche Situation in der Mongolei zurzeit nicht die beste, andererseits stünden ihnen doch viele Möglichkeiten offen, wenn sie in Deutschland eine Ausbildung absolvieren würden. Und so könnten sie ihrem vierjährigen Sohn eine bessere Zukunft bieten. Denn das zeigt ihre besondere Motivation: Für die Ausbildung in Herne haben die beiden ihren damals dreijährigen Sohn in Ulan Bator bei seiner Großmutter zurückgelassen.

Straßenbauer genießen in der Mongolei ein hohes Ansehen

Und noch etwas erstaunt: Nayanbaatar und Dambii haben sich für eine Ausbildung als Straßenbauer entschieden. Doch dieser Beruf genieße in ihre Heimat ein hohes Ansehen, erzählen beide - wobei Erdenetsetseg Nayanbaatar einen Großteil des Gesprächs führt, da sich ihre Deutschkenntnisse sehr gut entwickelt haben.

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Bei ihrer Ankunft im vergangenen September sind beide in ein völlig neues Leben eingetaucht, die rund 6600 Kilometer Luftlinie zwischen Herne und Ulan Bator trennen zwei unterschiedliche Welten. Deshalb hat Heitkamp ihnen nach der Ankunft so etwa wie eine „Gebrauchsanweisung Deutschland“ an die Hand gegeben, hat sie bei Behördengängen begleitet, bei der Kontoeröffnung geholfen oder die Einkaufsmöglichkeiten in der Umgebung gezeigt. Und ein Seniorpate habe mit der Gruppe Ausflüge unternommen, um den Neuankömmlingen die Region und die Kultur zu zeigen. „Unter anderem waren wir im Zoom und im Centro“, erzählt Erdenetsetseg Nayanbaatar. Und: „Die Menschen sind hier sehr nett, wir haben ganz viele neue Dinge kennengelernt.“ Inzwischen haben sich die beiden in ihrem Alltag eingerichtet. So besuchten sie regelmäßig das Wananas und ein Fitness-Studio, um fit für die Arbeit zu bleiben. Und Erdenetsetseg Nayanbaatar ist fest entschlossen, einen Führerschein zu machen, sie wäre die erste der mongolischen Azubis.

Mit weiteren Sprachkursen und Hilfe bei der Kontoeröffnung oder beim Einkaufen leistete Heitkamp Unterstützung in der Anfangzeit.
Mit weiteren Sprachkursen und Hilfe bei der Kontoeröffnung oder beim Einkaufen leistete Heitkamp Unterstützung in der Anfangzeit. © WAZ | Johannes Scholten

Als große Unterschiede nennt sie unter anderem das Wetter. In Deutschland regne es viel mehr als der Mongolei, dafür scheine hier die Sonne seltener. Aus deutscher Sicht überraschend ist das Raumgefühl der beiden. „Wir haben eine schöne, große Wohnung“, erzählen sie. Dabei handelt es sich „nur“ um 45 Quadratmeter, doch dem Paar kommt es groß vor. Beim Essen müssten sie sich nicht besonders umstellen, sie kochten selbst - nach mongolischer Art: sehr scharf, viel Fleisch.

Das Ziel: Weiterbildung zur Baumaschinenführerin

Und die Ausbildung? Läuft offenbar gut. Die Rückmeldungen der Ausbilder seien positiv, auch Polier und Vorarbeiter seien nett und würden helfen. „Wir haben schon viel gelernt“, sagt Nayanbaatar. Doch eine Frau im Straßenbau? „Das ist nicht schwer für mich“. Während ihr Mann nach seiner Ausbildung weiter als Kanalbauer arbeiten möchte, hat Erdenetsetseg Nayanbaatar weitergehende Pläne. Sie wolle sich fortbilden zur Baumaschinenführerin. Und sie sieht ihre Zukunft in Deutschland.

Die Feiertage waren für Erdenetsetseg Nayanbaatar und Batbileg Dambii besonders. Der Grund: Zum ersten Mal seit ihrer Abreise aus Ulan Bator sehen sie ihren vierjährigen Sohn Manduu wieder. Er ist mit Dambiis Mutter zu Besuch nach Herne gekommen. Im vergangenen Jahr hatten Sohn und Eltern nur über den Facebook-Messenger Verbindung, da war das Wiedersehen vor wenigen Tagen umso bewegender. Noch bis zum 6. Januar kann die Familie die Tage zusammen verbringen, danach ist vorerst wieder der Facebook-Messenger dran.

>>> HEITKAMP HAT BEZIEHUNGEN ZUR MONGOLEI WEITER AUSGEBAUT

Für Heitkamp ist die Rekrutierung im vergangenen Jahr kein einmaliges Experiment geblieben. Inzwischen sind weitere Auszubildende in Wanne eingetroffen, darüber hinaus hat das Bau-Unternehmen auch Fachkräfte aus der Mongolei gewinnen können. Inwieweit das Brücken-Schnellbausystem in der Mongolei zum Einsatz kommt, bleibt abzuwarten.