Alle Runden Tische oder Gespräche hätten nicht gefruchtet. Jetzt wollen die Anwohner der Südstraße mit Härte vorgehen.

Karl-Heinz Doden hat lange Zeit geschwiegen. Seit 50 Jahren wohnt der Rentner an der Südstraße, mittlerweile in direkter Nachbarschaft zum Riemker Recyclingunternehmen Kost. Das hat sich 1994 dort angesiedelt. Jetzt haut Doden mit der Hand auf den Wohnzimmertisch von Anke Pra-Mio, seiner Nachbarin. „Wir sind immer vertröstet worden, von einem Termin zum nächsten”, sagt der Herner. Dodens Stimme wird von Sekunde zu Sekunde lauter, immer öfter deutet er mit der Hand in Richtung Riemke. Die Wut dirigiert seine Arme. Der Mann hat die Nase gestrichen voll: „Wenn man morgens aufsteht, hat man den Kost-Gestank schon im Hals. Unfassbar. Ekelhaft.”

Karl-Heinz Doden und Alma Nagel, deren Nachbarn Anke Pra-Mio, Monika und Dietmar Maschmeier sowie weitere Anwohner der Südstraße haben die „Kost Entsorgung & Recycling GmbH” jetzt angezeigt. Wegen Geruchsbelästigung, Luftverunreinigung, Gesundheitsgefährdung und Körperverletzung. Ein Sprecher des Bochumer Polizeipräsidiums bestätigt auf WAZ-Anfrage: Über 40 Personen aus Herne und Bochum haben Anzeige erstattet, die Angelegenheit sei an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden.

Viele Menschen im Herner Süden haben den Mut gefasst, mit allen erdenklichen Mitteln gegen den Gestank in ihrem Leben vorzugehen. „1999 habe ich zum ersten Mal bei Kost angerufen und mich beschwert”, sagt Anke Pra-Mio. Seit zehn Jahren kämpft sie gegen den „bestialischen Gestank”. 2008 bekam sie einen schweren Asthma-Anfall, Pra-Mio ist davon überzeugt: eine Folge der Belästigungen aus der Nachbarschaft. Einer ihrer Ärzte hätte gesagt, sie solle wegziehen, um endlich glücklich zu werden. „Ich kann doch nicht aufgeben, was ich mit aufgebaut habe.”

Wegziehen – mit dem Gedanken haben viele in der Südstraße schon gespielt. Die meisten sind geblieben. „Wir haben es immer wieder im Guten versucht, und wir haben uns immer auch für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Kost eingesetzt, mein Mann ist selbst Betriebsrat”, sagt Monika Maschmeier. Aus und vorbei: Maschmeier kann einfach nicht mehr. „Ich bin am Samstag aus einem dreiwöchigen Urlaub wiedergekommen. Seitdem habe ich keine Nacht durchgeschlafen, ich habe ständig Kopfschmerzen, und mir ist übel”, sagt die Hernerin. „Wir haben immer die gute Schiene versucht, jetzt aber haben die da drüben den Amboss verdient. Ich hoffe, dass noch mehr Leute hier den Hintern hochkriegen und für ihr Recht kämpfen”, so die Hernerin.

Die Gemeinschaft der Kost-Geschädigten wünscht sich nichts sehnlicher als das Ende des Gestanks. „Wir haben doch ein Recht auf gute Luft und Lebensqualität”, sagt Anke Pra-Mio. Wie die anderen sehnt sie einem möglichen Gerichtstermin entgegen. Dann würden sie sich vor den Richtern den ganzen Zorn von der Seele reden. 40 Aussagen, vielleicht noch mehr. Das müsste wirken. Monika Maschmeier: „Unsere Gruppe ist groß. Wenn einer mal über die Sinnlosigkeit des Kampfes klagt, kommt mit Sicherheit der Anruf eines anderen. Dann schöpfen wir wieder Kraft.”