Herne. Nach Jahren des Bangens steht fest: Der Real-Markt in Herne verschwindet. Wann er dichtmacht, wer noch von dem Aus betroffen ist.
- Real-Markt in Herne hat keinen neuen Eigentümer gefunden und schließt Ende März 2024.
- Auch Bäckerei Brinker und Lotto-Annahmestelle sind vom Aus betroffen.
- 70 Mitarbeitende müssen sich nach neuen Jobs umschauen
Nein, aus heiterem Himmel kam diese Nachricht am Montagabend nicht mehr: Der Herner Real-Markt in Baukau gehört zu jenen, die keinen neuen Eigentümer gefunden haben und Ende März kommenden Jahres geschlossen wird. Damit endet an diesem Standort eine über 40-jährige Einzelhandels-Ära, die Älteren werden sich an den Namen Divi erinnern. Die WAZ hat Reaktionen gesammelt und versucht, einen Blick in die Zukunft zu werfen.
Die Zuversicht war groß im Februar 2022, als der Herner Real-Geschäftsleiter Almir Gavranovic der Herner WAZ die Veränderungen im Geschäft präsentierte, als Real offiziell unter der Marke „mein real“ wieder an den Start ging. Er zeigte sich optimistisch und bezeichnete den Markt trotz des harten Wettbewerbs im Umfeld (Globus im Hannibal-Center, Kaufland in Wanne-Mitte oder Rewe an der Dorstener Straße) als „sehr konkurrenzfähig“. Gavranovic hat das Unternehmen inzwischen verlassen, und die großen Spieler im Lebensmittelhandel hatten ganz offensichtlich ihre Zweifel an der Konkurrenzfähigkeit. In keiner der Verkaufsrunden zeigte einer der Konzerne Interesse am Markt in Baukau. So deutet sich das Schicksal der endgültigen Schließung an, als die Supermarktkette im Oktober Insolvenz anmeldete.
Herne: Kein frohes Fest für die rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Am Morgen nach der Schließung läuft der Betrieb vordergründig völlig normal. Die Weihnachtsware wird wie immer präsentiert, doch ein frohes Fest wird es für die rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht. Eine Mitarbeiterin bestätigt, dass man das Aus schon erwartet habe. Das sei ja ein altes Haus, „wer will sich so etwas schon ans Bein binden“? Aus diesen Worten kann man statt Wut eher Resignation heraushören. Die Belegschaft ist angesichts des jahrelangen Hoffens und Bangens mürbe geworden.
Brigitte Könker gehört zu jenen Kundinnen und Kunden, bei denen die Schließung nicht gut ankommt. Sie komme regelmäßig, weil der Supermarkt fußläufig zu erreichen sei. Andere Supermärkte seien keine gute Alternative, weil sie oft zu teuer seien, Discounter hätten viele Waren nicht. Könker nennt als Beispiel die Frischetheke für Fleisch und Wurst.
Durch das Real-Aus muss auch die Brinker-Filiale schließen
Die Schließung reißt auch die Lotto-Annahmestelle und die Filiale der Herner Bäckerei Brinker mit. Ohne Real können sie selbstverständlich nicht mehr existieren. „Leider, leider“, sagt Karl Brinker im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Diese Filiale sei in der Vergangenheit überdurchschnittlich gewesen, in den vergangenen Monaten hätte aber die nachlassende Frequenz bei Real auf die Filiale abgestrahlt. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten sich aber keine Sorgen machen, so Brinker. In den anderen Filialen gebe es genug Personalbedarf.
Und die Aussichten für die Real-Belegschaft? Michael Sievers, Handelsexperte bei der Gewerkschaft Verdi, sieht durchaus Chancen auf andere Arbeitsplätze, allerdings stelle sich die Frage, unter welchen Bedingungen. Die Discounter beispielsweise seien zwar tarifgebunden, nur wisse man nicht, welche Stundenzahl sie anbieten. Durch die langen Ladenöffnungszeiten hätten die Unternehmen lieber viele Teilzeitkräfte, um alles flexibel abzudecken. Wenn jemand von Vollzeit auf Teilzeit wechsle, stelle sich die Frage, ob man davon seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre hält es Sievers für einen Skandal, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder von Gesellschaft zu Gesellschaft verschoben worden seien.
OB: Wir loten aus, wie wir der Belegschaft helfen können
„Das Ende ist traurig für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben alles gegeben und verdienen unsere Unterstützung“, so Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda auf Nachfrage der Herner WAZ. Er habe sofort das Bündnis für Arbeit aktiviert, um auszuloten, „wie wir Hilfe leisten können“.
„Wir sind bereits im direkten Austausch mit dem Arbeitgeber und bieten allen Mitarbeitenden unsere Beratung und Hilfe an“, teilt die Agentur für Arbeit auf WAZ-Anfrage mit. Es müsse sich niemand Sorgen um seine Existenz machen. Insgesamt seien die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gut. Überall werde Personal gesucht. Das betreffe Fachkräfte wie auch Helfer. Die Nachfrage im Einzelhandel sei momentan besonders stark. „Wer in diesem Bereich aktuell eine neue Anstellung sucht, hat gute Chancen“, so eine Sprecherin.
Frei werdende Flächen haben Entwicklungspotenzial
Neben der Hilfestellung stellt sich aber auch die Frage, wie es nach der Schließung auf dem Areal weitergeht. Im September 2020 hatte die Initiative Bau.Land.Partner angekündigt, dass man das Gewerbegebiet am Großmarkt unter die Lupe nehmen wolle, um neue Perspektiven zu entwickeln – ein Ergebnis ist nie verkündet worden. Zum Start des Projekts hieß es, dass die Stadt mit dem Eigentümer des Real-Gebäudes ein Konzept für die Nachnutzung abgestimmt habe, man aber erstmal abwarte müsse, was mit Real passiert. Nun wird diese Frage akut. Der OB sieht großes Potenzial. Allein Parkplatz und Gebäude umfassten rund zwei Hektar, hinzu komme der bisherige Großmarkt, der „abgängig“ sei. Die Stadt werde den Mieterinnen und Mietern in Kürze ein Angebot zur Umsiedlung machen und habe dann Zugriff auf einen Hektar. Dann könne man sich mit dem Eigentümer der anderen zwei Hektar austauschen, wie es weitergehen könnte.