Herne. Die Rettung der angeschlagenen Sinterwerke in Herne entwickelt sich zum Rennen gegen die Zeit. Nun gab es in Herne ein ungewöhnliches Treffen.
Die Rettung der angeschlagenen Sinterwerke in Herne entwickelt sich immer mehr zum Rennen gegen die Zeit. Bei der Belegschaft und bei der IG Metall glimmt der Funke Hoffnung auf eine Rettung seit Mittwoch wieder etwas stärker - nach einem Treffen mit einem möglichen Investor.
Zur Erinnerung: Im März hatte der japanische Konzern „Sumitomo Electric Group“ die Belegschaft mit der Nachricht geschockt, dass man das Werk an der Forellstraße in Baukau Ende 2024 schließen werde. Damit stehen etwa 150 Arbeitsplätze auf dem Spiel. „Die Entscheidung kam aus heiterem Himmel und hat uns völlig kalt erwischt“, sagt IG Metall-Sekretär Torsten Lankau seinerzeit im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Die Sinterwerke hätten einen Technologievorsprung, so dass in Herne Produkte hergestellt werden könnten, die es in dieser Form woanders nicht gebe. Das Unternehmen stellt Teile für den Automobilbereich, aber auch andere Branchen her.
Kommunikation mit dem Eigentümer gestaltet sich nach wie vor schwierig
Die Belegschaft zeigte sich kämpferisch und richtete am Werkstor eine Mahnwache ein. Das Problem für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und IG Metall: Die Kommunikation mit dem Eigentümer gestalte sich äußerst schwierig. „Wir kommen kaum an die nötigen Informationen, um Gespräche über einen Interessenausgleich oder einen Sozialplan zu führen - oder ein Konzept für den Weiterbetrieb zu entwickeln“, so Lankau.
Seit Mai gibt es Verhandlungen mit einem potenziellen Investor. Und mit diesem gab es am Mittwoch in Herne ein Gespräch. Auf Einladung der IG Metall und mit Unterstützung von Hernes Wirtschaftsförderer Dirk Drenk skizzierten Erwin Deutscher und Manfred Weißensteiner ihre Vorstellungen, wie sie mit ihrem Unternehmen NBO die Sinterwerke aus der seit Jahren andauernden Krise führen wollen. Der Firmenname NBO dürfte weitestgehend unbekannt sein, doch Deutscher und Weißensteiner kennen sich bestens in der Automobilindustrie aus, standen sie doch lange in Diensten des österreichischen Magna-Konzerns, einer der ganz großen Zulieferer für die Fahrzeugentwicklung und den Fahrzeugbau. Mehr noch: Deutscher kennt die Herner Sinterwerke noch aus seiner früheren Zeit als Berater und als Prokurist. Er kennt also die Mannschaft und die Herausforderungen.
Erste Mitarbeiter und Kunden haben sich neu orientiert
Es gebe ein paar Stellschrauben, um diese Herausforderungen zu meistern. So müssten die Sinterwerke wie ein mittelständisches Unternehmen geführt werden - die Sinterwerke haben längst weniger Mitarbeiter als ein paar Herner Mittelständler - und nicht wie in der Vergangenheit als Teil eines Konzerns. Schnelle und kurze Entscheidungswege seien wichtig, und die Kundenbeziehungen müssten intensiviert werden. Außerdem sollen die Mitarbeiter am Unternehmenserfolg beteiligt werden.
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Doch Deutscher und Weißensteiner stehen offenbar vor einer zeitkritischen Herausforderung: Sie würden am liebsten sofort loslegen und ein detailliertes Konzept entwickeln, doch warte man noch auf angeforderte, wesentliche Informationen. Und mit jedem Tag drängt die Zeit immer mehr. Torsten Lankau berichtet im Gespräch mit der Herner WAZ, dass sich die ersten Mitarbeiter verabschiedet hätten, auch die Kunden - die ebenfalls von den Schließungsabsichten überrascht worden seien - würden sich neu orientieren. Und manches Unternehmen wisse wohl gar nicht, dass NBO gewillt sei, den Betrieb weiterzuführen, so Lankau.
Deutscher machte bei dem Treffen aber auch deutlich, dass „wir uns bereits jetzt schon in einer zeitkritischen Phase befinden und eine Betriebsübernahme innerhalb weniger Wochen stattfinden muss“. Denn irgendwann sei der Punkt erreicht, dass sich so viele Kunden verabschiedet haben, dass eine Fortführung nicht mehr wirtschaftlich darstellbar sei. Deutscher: „Je länger es dauert, desto geringer wird die Chance auf eine erfolgreiche Betriebsfortführung.“
Deutscher und Weißensteiner skizzierten allerdings nicht nur ihre Vorstellungen, wie die Sinterwerke gerettet und in die Erfolgsspur zurückgeführt werden können. Sie bekannten sich eindeutig zu Tarifverträgen und stellen zudem eine fünfjährige Beschäftigungsgarantie für die Mitarbeiter, die übernommen werden, in Aussicht. „Wir als IG Metall werden diese Übernahme unterstützen. Wir haben einen Investor, der möchte, der eine Idee hat und uns zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt in die Gespräche mit einbezieht. Eine bessere Lösung sehe ich nicht“, so Lankau. Und mit dieser Option sieht er auch Sumitomo in der Pflicht, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen.
An der Rettung der Sinterwerke wird nicht nur in Herne gearbeitet. Längst gibt es Kontakt mit dem NRW-Wirtschaftsministerium in Düsseldorf, um auszuloten, welcher Einfluss auf der politischen Ebene geltend gemacht werden könnte. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur werden am 4. August zur Eröffnung der Cranger Kirmes kommen. Da liegt es auf der Hand, dass sie mit Hernes OB Frank Dudda nicht nur einen entspannten Nachmittag im Festzelt verbringt, sondern an anderer Stelle auch ernste Themen besprechen.
Jahrelange Ungewissheit durch Stellenabbau und Eigentümerwechsel
Mit der Schließungsankündigung setzt sich die jahrelange Ungewissheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fort. Schon im Jahr 2009 wurden 110 von damals 450 Stellen gestrichen. In den Folgejahren wechselte das Unternehmen, das früher unter BTMT firmierte, mehrfach den Besitzer. Immer war der Besitzerwechsel mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden. Das änderte sich auch mit der Übernahme durch die Sumitomo-Gruppe nicht. Im Jahr 2020 einigten sich Eigentümer, Betriebsrat und IG Metall auf den Wegfall von 58 Stellen, verbunden mit einem Sozialplan.