Herne. Sie sollen Treffpunkte sein: In Herne entstehen „Stadtterrassen“ auf Parkplätzen. Ein erster Standort ist gefunden. In der SPD wird Skepsis laut.
Parkplätze sollen zu Treffpunkten werden: Das ist das Ziel der „Stadtterrassen“ oder „Superspots“, die nun auch in Herne aufgebaut werden sollen. In einem Modellversuch will die Stadt den Bürgerinnen und Bürgern so mehr Raum für einen Aufenthalt im Freien anbieten. Einen ersten Standort hat die Verwaltung nun ausgemacht: ein Parkstreifen an der Gräffstraße 43 in Herne-Mitte vor der städtischen Musikschule. In der SPD wird Zweifel laut, ob das der richtige Standort ist.
Weniger Platz für Autos, mehr Platz für Menschen: Das ist das Ziel der „Stadtterrassen“, die bereits in vielen Kommunen, darunter im Ruhrgebiet auch in Bochum oder Essen, ausprobiert wurden. Aufgebaut werden dabei Holzdecks, auf denen Bänke, Außengastronomien oder Beete installiert werden, außerdem finden dort Veranstaltungen statt. Vorbild ist Barcelona. In der spanischen Mittelmeer-Metropole hatte sich vor einem Jahr eine städtische Delegation umgeschaut. Nach der Rückkehr lobte Oberbürgermeister Frank Dudda die „Superblocks“, die Barcelona seit 2016 schafft, um neue Mobilität, mehr Luft und mehr Grün in die Stadt zu bekommen. Dabei werden Autospuren weggenommen, zugunsten von Frei- und Grünflächen.
Herne: Stadt will eigene Terrasse bauen lassen
An bis zu drei Stellen, so hatte die Stadt im Januar 2023 angekündigt, sollen diese bunten Treffpunkte im Rahmen eines Modellversuchs noch in diesem Sommer in Herne-Mitte entstehen. Nun soll es zunächst bei einem „Superspot“ bleiben – vor besagter Musikschule. Das teilt die Stadt der Politik mit, die das Ganze diskutieren und dann absegnen muss. Dass es zum Start nicht mehr „Superspots“ werden, liegt demnach an dem Umstand, dass kaum Terrassen zur Verfügung stehen. Geplant war eigentlich, mehrere kostenlose Leihterrassen des Zukunftsnetzes Mobilität NRW zu nutzen. Wegen einer großen Nachfrage stünden für dieses Jahr dort aber keine Leihterrassen mehr zur Verfügung, und auch für 2024 gebe es bereits viele Anfragen, so die Stadt.
Deshalb will die Verwaltung nun über ihre Tochter Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) in Eigenregie für 30.000 Euro von einem Bochumer Unternehmen eine eigene Terrasse bauen lassen, die dann zwischen Juli und Oktober vor der Musikschule aufgebaut werden soll. „Die Ausgestaltung soll hochwertig und optisch ansprechend sein und neben Sitz- und Stehgelegenheiten auch über Begrünung und Abfallbehälter verfügen“, so die Stadt. Dennoch wolle sie noch versuchen, beim Zukunftsnetzwerk „eventuelle Restbestände“ für dieses Jahr zu ergattern.
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Fürs kommende Jahr plant das Rathaus dann „eine großflächige Nutzung“ der Straße Friedrich-Ebert-Platz. Das hatte auch die Politik mehrfach gefordert. Vor der ehemaligen Polizeiwache am Rathaus Herne könnten acht bis zehn Stadtterrassen entstehen, dafür könnte dann auch die Straße gesperrt werden. Entsprechende Anträge beim Zukunftsnetzwerk sollen gestellt werden. Parallel soll geprüft werden, ob auch die Herner Wewole, die ehemalige Werkstatt für Behinderte, Stadtterrassen bauen kann.
Und wie soll der „Superspot“ auf dem Parkstreifen an der Gräffstraße bei dem Modellversuch „bespielt“ werden? Erfahrungen aus anderen Städten zeigten, dass eine Einbindung von Nachbarinnen und Nachbarn als „Paten“ maßgeblich zu einem Projekterfolg beitragen, heißt es bei der Stadt. Dafür soll gesorgt sein. Die Musikschule und das „O – Ort der Kulturen“ wollten eine „Terrassenpartnerschaft“ übernehmen. Die potenziellen Akteurinnen und Akteure aus den beiden Häusern hätten die Idee begeistert aufgenommen und bereits viele Vorschläge für eine vielseitige und regelmäßige Nutzung erarbeitet.
Denkbar, sagt Musikschulleiter Christian Ribbe zur WAZ, seien dort Konzerte, Improvisationstheater oder Poetry-Slam-Veranstaltungen. Entsprechende Anfragen an mögliche Beteiligte liefen.
Vor der ersten Diskussion über den geplanten Standort am kommenden Dienstag, 9. Mai, im Planungsausschuss (Veranstaltungszentrum Gysenberg, 16 Uhr) gibt es in der SPD, die die Stadtterrassen seit langem fordert, bereits eine deutliche kritische Stimme. Ulrich Syberg, Vorsitzender des Planungsausschusses, nennt den Parkstreifen vor der Musikschule „nicht geeignet“, so seine persönliche Meinung, wie er betont. Die „Superspots“ sollten dorthin, wo sie für Aufmerksamkeit sorgen, sprich: wo es viele gut genutzte Parkplätze gibt, die dann wegfallen, und viele Menschen, die dort unterwegs seien. In eine ruhige Seitenstraße fernab eines Zentrums gehörten die „Superspots“ dagegen nicht. Nun müsse die Gesamtfraktion entscheiden, ob sie den Vorschlag der Verwaltung mitträgt oder einen anderen Standort beschließt. Sein Vorschlag: die Parkbuchten vor der Buchhandlung Koethers & Röttsches an der Bebelstraße.
>>> Kontroverse Diskussionen
In Essen wurden 2022 im Stadtteil Holsterhausen an vier Stellen Stadtterrassen mit Bänken aufgestellt, die für zwei Monate probeweise genutzt werden konnten. Die Parklets wurden dort kontrovers diskutiert: Die Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger reichten von „Wirklich ein tolles, innovatives Projekt“ bis hin zu „Unbequem und Parkplatzvernichtung“.
Die Herner SPD, die die Stadtterrassen schon lange fordert, zeigt sich optimistisch. Ziel des Ganzen müsse es sein, die Aufenthaltsqualität in Herne-Mitte zu verbessern, sagte zuletzt Roberto Gentilini (SPD), Vorsitzender im Ratsausschuss für Digitales, Infrastruktur und Mobilität (DIM). Dass dafür Parkplätze wegfallen, sei leicht zu verschmerzen: „Wenn wir in Herne eines genug haben, dann sind es Parkplätze.“ Ähnlich äußerte sich Ulrich Syberg (SPD), Vorsitzender des Planungsausschusses: Der öffentliche Raum sei zu stark mit Autos zugestellt, es werde Zeit, dass dieser Raum nun den Menschen zurückgegeben werde.