Herne. Herner Erstklässler erhalten Gutscheine für eine Mitgliedschaft im Sportverein. Das Ergebnis der 2020 gestarteten Aktion ist erschütternd.
Klotzen statt kleckern: Mit Unterstützung finanzstarker Sponsoren wie unter anderem Stadtwerke und Sparkasse hatte der Herner Stadtsportbund (SSB) Anfang 2020 eine breit angelegte Gutschein-Aktion für Erstklässler gestartet. Das Ziel: Über eine kostenlose einjährige Gastmitgliedschaft sollten Mädchen und Jungen aus Familien mit niedrigem Einkommen den Weg in Herner Sportvereine finden. Das Ergebnis fällt trotz mehrfacher Anläufe niederschmetternd aus. Der Grund? „Das ist uns ein Rätsel“, sagt SSB-Mitarbeiterin Petra Herrmann-Kopp.
Im Februar 2020 „mit Euphorie“ gestartet, machte zunächst der Ausbruch der Corona-Pandemie den Initiatoren einen Strich durch die Rechnung. Die geplante Geltungsdauer der Gutscheine wurde um fünf Monate bis Ende November 2021 verlängert – ohne Erfolg. 490 Bons sollten ausgeben werden. „Wir wissen aber nicht, wie viele wirklich an den Grundschulen verteilt worden sind.“ Eingelöst worden sind nach Kenntnis des SSB dann auch nur zwei, obwohl eine Weiterfinanzierung der Vereinsmitgliedschaft über Fördermittel aus dem Bildungs- und Teilhabegesetzt (BuT) möglich war.
Im Februar 2022 wagte der SSB einen neuen Anlauf nach dem alten Konzept. Die Resonanz fiel etwas besser, aber längst nicht gut aus: Von 1000 den Grundschulen übermittelten Gutscheinen sind 28 eingelöst worden (2,8 Prozent). Wie in der ersten Runde erhielt der jeweilige Sportverein für jeden korrekt ausgefüllten Gutschein eines Kindes laut den Förderrichtlinien 50 Euro aus dem Topf.
Der SSB ließ nicht locker und änderte beim zweiten Restart im Herbst 2022 das Konzept. Seit November werden die Gutscheine bei Schuleingangsuntersuchungen des Gesundheitsamtes persönlich an die Eltern der Kinder ausgegeben; außerdem enthielten die Scheine eine Auflistung der Sportvereine nach Stadtteilen und ein mehrsprachiges Info-Blatt. Und: Seit Februar beziehe die Aktion auch Geschwisterkinder und Seiteneinsteiger mit ein. Zusätzliche Informationen seien an die Kitas, politische Ausschüsse und das Kommunale Integrationszentrum gegangen.
Zwischenbericht im Herner Sozialausschuss: „Ich bin frustriert“
Die nun im Sozialausschuss vom SSB gezogene Zwischenbilanz fällt aber nach wie vor ernüchternd aus. Bis Mitte März sei von 179 verteilten Gutscheinen nur ein einziger eingelöst worden, so Herrmann-Kopp in ihrem Sachstandsbericht für die Politik: „Ich hätte Ihnen gerne eine Erfolgsstory erzählt. Ich bin frustriert – wie viele andere auch. Wir haben keine Ahnung, warum dieses Projekt nicht läuft.“
Im Sozialausschuss wurde neben Bedauern auch die Frage laut, warum es in Bochum bei einer ähnlichen Initiative eine hohe Rücklaufquote gegeben habe. Die Aktionen seien nicht vergleichbar, so die Antwort. „Unsere Grundidee war, dass wir Kinder erreichen wollen, die bisher noch nicht den Weg in den Sportverein gefunden haben.“ Den Sponsoren sei wichtig, dass der SSB „nicht dem Porschefahrer auch noch 50 Euro für den Sportverein seines Kindes gibt, um es mal salopp zu formulieren“.
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Sie wisse, dass sich Bochum dafür feiere, dass Tausende Gutscheine eingelöst worden seien, so Herrmann-Kopp. Die Finanzierung erfolge in der Nachbarstadt aber über den Haushalt. „Ich weiß, dass dort jeder Erstklässler nach dem Gießkannenprinzip einen Gutschein erhalten hat.“ In Herne sollten aber nun mal ganz gezielt Kinder erreicht werden, deren Eltern finanziell nicht dazu in der Lage sind, Mitgliedsbeiträge zu leisten. Die CDU-Stadtverordnete Bettina Szelag warf ein, dass das Gießkannenprinzip für den Start einer solchen Aktion vielleicht doch das geeignetere Instrument sei. Dieses Prinzip habe sich schließlich auch beim Landesprogramm „JeKits“ - Jeden Kind ein Instrument - bewährt.
Und wenn das Herner Projekt nun auch in der dritten Runde ein Reinfall bleibt? Dann wäre zu klären, so die SSB-Mitarbeiterin, ob die Sponsoren ihre Mittel zurück erhielten oder ob das Geld für ein anderes sinnvolles Projekt genutzt werden könnte.