Herne. Politischer Aschermittwoch in Herne: FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki teilte aus: gegen Koalitionspartner, Klima-Aktivisten und Antifaschisten.

Für die „rednerische Feinkost“ bedankte sich Moderator Thomas Nückel bei Wolfgang Kubicki. Eine klassische Untertreibung, denn: Der Rundumschlag des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP beim 14. Politischen Aschermittwoch im Mondpalast fiel eher unter die die Kategorie „Schlachtplatte“. Vor allem an den eigenen Koalitionspartnern arbeitete er sich ab.

Zum zweiten Mal nach 2017 fand der „Liberale aus dem hohen Norden“ auf Einladung der FDP Herne und FDP Ruhr den Weg nach Wanne-Eickel. Und gemessen am Beifall im Mondpalast traf der 70-Jährige mit seinen Attacken besser als sein Vorredner – FDP-Ruhr-Chef Ralf Witzel – den Nerv der Mehrheit unter den rund 120 Gästen.

Der Herner Thomas Nückel (li.), Mitglied des FDP-Landesvorstandes, begrüßte mit Mondpalast-Prinzipal Christian Stratmann die Gäste.
Der Herner Thomas Nückel (li.), Mitglied des FDP-Landesvorstandes, begrüßte mit Mondpalast-Prinzipal Christian Stratmann die Gäste. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Der Vize-Präsident des Bundestags griff mit hör- und sichtbarem Vergnügen insbesondere Karl Lauterbach (SPD) sowie die Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock an. Den Rücktritt legte Kubicki dem SPD-Gesundheitsminister anders als noch vor zwei Wochen auf Facebook diesmal nicht nahe, beklagte jedoch das Versagen bei der Corona-Bekämpfung und forderte Konsequenzen. Milliardenbeträge im zweistelligen Bereich seien „verbrannt“ worden: „Das muss parlamentarisch aufgearbeitet werden.“

Noch mehr in Stimmung und bisweilen in Rage redete sich Kubicki, als er auf die Grünen, die Klimabewegung und die „Meinungsdiktatur“ zu sprechen kam. Den größten Beifall des Abends erhielt er für dieses Statement: „Wir haben uns daran gewöhnt, dass kleine Minderheiten die große Aufmerksamkeit in den Medien haben, aber nicht die Bevölkerung repräsentieren, uns dauernd sagen, wie wir unser Leben gestalten sollen.“

Zustimmung, Lacher und viel Beifall: Die Rede von Wolfgang Kubicki kam im Mondpalast gut an.
Zustimmung, Lacher und viel Beifall: Die Rede von Wolfgang Kubicki kam im Mondpalast gut an. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Damit nicht genug. Kubicki wetterte gegen Programme gegen Rechtsextremismus, weil diese „möglicherweise“ nur dazu dienten, Menschen eine Einkommensmöglichkeit zu erschließen. Ähnliche Absichten unterstellte er Klima-Aktivisten der „Letzten Generation“. Er geißelte das Gendern und Antidiskriminierungsstellen sowie die „Heuchelei“ von Genossen und Grünen, die das hohe Lied auf das Bildungssystem anstimmten, ihre eigenen Kinder aber auf Privatschulen schickten. Neben Versäumnissen in der Bildung beklagte er auch den katastrophalen Zustand der Bundeswehr: „Man muss sich dafür schämen.“

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Fielen Kalauer Kubickis über Lehrer oder persönliche Attacken auf die Außenministerin noch unter die Kategorie „Geschmackssache“, so konnte man eine Äußerung zur Meinungsfreiheit nur als Entgleisung bezeichnen. Eine kleine Gruppe versuche, durch „Cancel Culture“ und „Wokeness“ ihm und dem deutschen Volk „die Identität zu stehlen“, kritisierte er. Als Beispiel nannte Kubicki ausgerechnet das diskriminierende Kinderlied „10 kleine N...“. Dieses dürfe man ja nicht mehr singen, weil der Begriff „N...“ (Kubicki sprach das Wort zweimal aus) „irgendwie besetzt sei“. Dabei habe niemand mit diesem Lied etwas Rassistisches verbunden. Man könne den Deutschen vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie frauenfeindlich oder rassistisch seien oder nichts aus ihrer Geschichte gelernt hätten, so der FDP-Vize.

>>> Wolfgang Kubicki im O-Ton

Über die Pandemiebekämpfung: „Seit der Pandemie weiß ich, warum die Freien Demokraten und ich im Bundestag sind. Denn wären wir nicht da, dann säßen wir heute Abend alle mit Masken hier und hätten noch 2G- oder 3G-Regeln. Das war der Wunsch von Karl Lauterbach. Und wir hätten eine allgemeine Impfpflicht.“

Über die Folgen der Corona-Maßnahmen: „Wir haben heute ein Riesenproblem. Wir haben unseren Kindern zwei Jahre ihres Lebens, ihre Bildungschancen und ihre Mobilität geklaut. Und wir beklagen uns jetzt, dass die Suizidrate bei unseren Kindern um 200 Prozent gestiegen ist.“

Wolfgang Kubicki (70) kurz vor seiner Rede beim Politischen Aschermittwoch im Mondpalast.
Wolfgang Kubicki (70) kurz vor seiner Rede beim Politischen Aschermittwoch im Mondpalast. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Über die Grünen im Bundestag: „Wir haben es wirklich nicht leicht in Berlin, aber dieses Grünen-Bashing geht mir inzwischen auf den Sack. Weil: Die sind so. Niemand ist über seine Möglichkeiten hinaus verpflichtet. Wenn Robert Habeck sagt, es gibt keine Insolvenzen, sondern man hört einfach nur auf zu arbeiten, dann ist das bei den Grünen so.“

Über die Zustimmung für die Grünen: „Ich frage die Bevölkerung immer wieder: Wie viel ist euch eigentlich die grüne Seele wert? Wenn die Mehrheit sich so entscheidet - so what? Aber dann beklagt euch nicht darüber, dass die Preise explodieren und dass die Grünen ständig versuchen, neue Einnahmequellen zu erschließen. Das habt ihr dann selbst so gewählt, das ist der Sinn von Demokratie.“

Über Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): „Meine Lieblingsaußenministerin - ist sie nicht rührend und reizend? Ich war beim Friseur, aber ich habe das selbst bezahlt. Annalena Baerbock hat eine Stylistin für 136.000 Euro pro Jahr - auf Steuerzahlerkosten. Keine andere Persönlichkeit würde sich trauen, so etwas zu machen. Mir ist klar geworden, warum das so ist: Das ist feministische Außenpolitik. Und wenn wir schon versehentlich Russland den Krieg erklären, dann wenigstens gut gestylt.“

Die jährlichen Ausgaben von Außenministerin Annalena Baerbock für eine persönliche Stylistin stoßen bei Wolfgang Kubicki auf harsche Kritik.
Die jährlichen Ausgaben von Außenministerin Annalena Baerbock für eine persönliche Stylistin stoßen bei Wolfgang Kubicki auf harsche Kritik. © dpa | Marijan Murat

Über den Widerstand der Grünen gegen die Beschleunigung beim Straßenbau: „Mir ist nicht klar, was die Straße den Grünen getan hat. Wenn sie sagen, wir wollen keinen Verkehr mit Verbrennermotoren, dann sage ich: Robert, mein Freund, auch Elektrofahrzeuge brauchen Straßen.“

Über die Unpünktlichkeit der Deutschen Bahn: „Gestern gab es einen Tweet der ukrainischen Bahn. Sie hat sich bei ihren Kunden dafür entschuldigt, dass sich wegen des Besuchs von US-Präsident Joe Biden, für dessen Zug ja einige Strecken gesperrt worden waren, die Bahn nur noch zu 92 Prozent pünktlich war. Ich hoffe, dass die Russen uns nicht erst angreifen müssen, damit die Bahn mal pünktlich ist.“

Über seine Schwäche für Fleisch, Alkohol und Schokolade: „Warum mache ich das? Erstens weil ich es kann, und zweitens weil ich’s will. Und weil ich ein Recht darauf habe, mich unvernünftig zu verhalten.“