Herne. Aktuelle Daten und Entwicklungen: die Mitgliederzahlen der Herner Parteien, drängende Probleme und was die Vorsitzenden dazu sagen.
Die SPD und die CDU haben in Herne im vergangenen Jahr weiter an Mitgliedern verloren. Etwas stabiler stellt sich die Situation bei einigen kleineren Parteien dar. Aktuelle Zahlen, Besonderheiten und Fragen an die jeweiligen Vorsitzenden.
SPD
Rund 2200 Mitglieder hatte die Herner SPD noch vor zehn Jahren, aktuell sind es 1451. Immerhin: 2022 haben die Sozialdemokraten unterm Strich „nur“ 46 Mitglieder verloren.
Sagen Sie mal, Herr Bollmann: Die Herner SPD hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als 700 Mitglieder verloren. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen?
Hendrik Bollmann (40): Ich kann keine Prognose abgeben, weil ich ja nicht in der Glaskugel lesen kann. Die bisherige Entwicklung ist jedoch so kontinuierlich, dass wir systemisch etwas dagegensetzen müssen. Aber nicht alles ist von uns in Herne beeinflussbar.
CDU
Wie die SPD verzeichnete auch die CDU 2022 einen leichten Rückgang bei den Mitgliederzahlen (von 516 auf 504), blieb aber immerhin (noch?) über der magischen 500er-Grenze.
Sagen Sie mal, Herr Bußmann: Wie wollen Sie mehr junge Mitglieder für die überalterte Herner CDU gewinnen?
Christoph Bußmann (34): Ein Patentrezept habe ich nicht. Wir haben die Junge Union neu aufgestellt und sind auf dieser Ebene stärker aktiv. Ich hoffe, dass durch die gute Arbeit des Teams um Jascha Hoppe mehr Mitglieder der Jungen Union den Weg auch in die CDU finden. Außerdem setze ich darauf, dass unser Mitgliederbeauftragter Björn Wohlgefahrt hier neue Konzepte entwickeln wird.
Grüne
Im Juni 2019 überschritten die Herner Grünen erstmals die Grenze von 100 Mitgliedern. Im vergangenen Jahr stagnierte die Zahl bei 150.
Sagen Sie mal, Herr Kuczera: Müssen die Grünen nach dem Mitgliederboom in den vergangenen Jahren in Zukunft eher mit einer Austrittswelle rechnen, weil die Partei in der Regierungsverantwortung unpopuläre Beschlüsse fassen muss?
Stefan Kuczera (40): Die Menschen spüren genau, dass 15 Prozent für Grüne in den Parlamenten offenbar nicht ausreichen, wenn alle anderen Parteien in Sachen Klimaschutz und Enkelgerechtigkeit weiter im Schlafwagen fahren. Also rechne ich mit weiterem Zulauf zu unseren Positionen und auch zur Partei.
FDP
Wie die Grünen meldet auch die FDP stabile Zahlen: 95 Menschen haben aktuell das Parteibuch der Freien Demokraten. Die Botschaft: Für 2023 wird die „100“ angestrebt.
Sagen Sie mal, Herr Bloch: Ist die Regierungsbeteiligung der FDP im Bund Fluch oder Segen für die Mitgliederentwicklung?
Thomas Boch (48): Es gab Zu- und Abgänge. Teilweise durch Wegzug, aber auch durch Austritte. Bei den Austritten kann man sagen, dass diese ursächlich durch Unzufriedenheit mit der Ampel-Koalition bedingt waren. Auffällig ist, dass es in der Regel ältere Mitglieder (ü 60) sind, die teilweise mit der Ampel unzufrieden sind. Wogegen jüngere Mitglieder mit der Politik der Ampel zufrieden zu sein scheinen. Insoweit kann man schlecht sagen, ob die Regierungsbeteiligung im Bund gut oder schlecht für die Mitgliederentwicklung ist. Es hält sich ungefähr die Waage.
Linkspartei
Einen leichten Rückgang von 70 auf 64 Mitglieder verzeichnete 2022 die Linkspartei, der prozentual (minus 8,6 Prozentpunkte) aber stärker ins Gewicht fällt als die Verluste bei den „Großen“.
Sagen Sie mal, Herr Gawliczek: Befürchten Sie als Linken-Vorsitzender eine Spaltung durch einen Austritt des Lagers um Sahra Wagenknecht oder wünschen Sie sich sogar eine solche Abspaltung?
Patrick Gawliczek (30): In Diskussionen zeigt sich, dass eine breite Mehrheit des Herner Kreisverbandes gegen den „sozialkonservativen“ Kurs von Sahra Wagenknecht ist. Es wird zunehmend deutlich, dass sich der Parteiflügel um Sahra Wagenknecht und die restliche Partei „auseinandergelebt“ haben. Inhaltlich bewegt sich Wagenknecht mittlerweile nicht mehr auf Grundlage unseres Parteiprogrammes. Dinge wie Feminismus, Klimagerechtigkeit oder klarer Antirassismus sind für uns essenzielle Bestandteile linker Politik und damit nicht verhandelbar. Spätestens mit ihrem zunehmend verschwörungsideologischen Kurs seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass Wagenknecht inhaltlich kein linkes Projekt verfolgt.
Piraten
26 Mitglieder zählten die Piraten Anfang 2022, 23 Mitglieder hatte die Partei zum 1. Januar 2023.
Sagen Sie mal, Herr Wind: Ist die Piratenpartei nach wie vor ein Männerverein?
Lars Wind (28): Von den 23 Mitgliedern sind vier weiblich. Wir würden uns natürlich freuen, wenn mehr Frauen bei uns anheuern würden.
Unabhängige Bürger
2010 haben sich in Herne die Unabhängigen Bürger unter anderem aus Teilen der Republikaner gegründet. Die Mitgliederzahl ist niedrig, stieg im vergangenen Jahr aber leicht von 18 auf 20 an.
Sagen sie mal, Herr Blech: Haben die Unabhängigen Bürger bei den Mitgliederzahlen in Herne das Maximum erreicht oder gibt es noch Luft nach oben?
Bernd Blech (61): Ich denke schon, dass da was geht. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Mitstreitern.
>>> Die AfD schweigt sich über Mitgliederzahlen aus
Die Herner AfD schweigt sich zum Thema Mitgliederzahlen aus. Auf Anfrage der WAZ erklärte AfD-Vorsitzender Guido Grützmacher dazu nur: „Die Herner AfD ist auf einem guten und stabilen Kurs. Unsere Mitgliederentwicklung verläuft sehr positiv.“
Das „Bündnis Deutschland“ habe in Herne noch keinen Kreisverband, berichtet die Stadtverordnete Beate Fiedler. Zunächst müsse ein NRW-Landesverband gegründet werden. Fiedler und ihr Ratskollege Uwe Lawrenz hatten sich noch vor der konstituierenden Herner Ratssitzung Ende 2020 von der AfD abgespalten und die Ratsgruppe WfH gegründet. Kürzlich sind sie der noch recht jungen Partei „Bündnis Deutschland“ beigetreten.