Herne. Kühl- und Tiefkühllogistik ist energieintensiv. Zwei Firmen in Herne kämpfen mit teilweise vervierfachten Preisen. So steuern sie gegen.
Die Warnung war drastisch: Vor wenigen Wochen schickten Vertreter der Tiefkühl- und Frischewirtschaft einen Brandbrief an die Bundesregierung. Inhalt: „Es ist 1 Minute vor 12!“ Die Branche erlebe aufgrund der extrem stark gestiegenen Energiekosten die schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Besonders betroffen seien die energieintensive Betriebe der mittelständischen Tiefkühl- und Frischewirtschaft. Die gibt es mit Nordfrost, Dachser und Picnic auch in Herne. So sehen sie die Lage.
Nordfrost: Kostensteigerungen bei Energie waren in keiner Kalkulation
Nordfrost, das in Unser Fritz eins der größten Tiefkühlzentren bundesweit betreibt, nennt auf Nachfrage der Herner WAZ-Redaktion keine Zahlen, teilt aber mit, dass sich im Vergleich zum Jahresbeginn 2021 die Kosten im Energiebereich aufgrund der Preissteigerungen inzwischen etwa vervierfacht hätten. Nordfrost setzt in Herne und an seinen anderen Standorten Erdgas als Energieträger ein. Da die Energiekosten in der temperaturgeführten Logistik einen hohen Anteil an den Gesamtkosten darstellten, sei es unumgänglich gewesen, die zusätzlichen Kosten an die Kunden weiterzugeben. Die extremen Kostensteigerungen der letzten Monate seien in keiner Kalkulation enthalten.
Um auf die Situation am Energiemarkt zu reagieren, versuche das Unternehmen Erdgas als Energieträger durch Strom zu ersetzen. Die Unternehmensgruppe setze aktuell zudem verstärkt auf Photovoltaik-Anlagen, um einen Teil des Eigenbedarfs regenerativ selbst zu erzeugen. Ob dies auch in Herne umgesetzt wird, teilte Nordfrost nicht mit.
Energie sei bereits in diesem Jahr, aber auch im kommenden Jahr sicher einer der großen Kostentreiber, so Christof Sommer, Prokurist beim Lebensmittellogistiker Dachser. Für das kommende Jahr geht er von einer hohen sechsstelligen Summe an Zusatzkosten aus - je nachdem, wie sich die Lage entwickle. Auf Friedrich der Große betreibt das Unternehmen rund 10.000 Quadratmeter Umschlagfläche, ein Hochregallager mit 40.000 Stellplätzen sowie Außenlager, die alle gekühlt werden müssen.
Dachser überlegt gemeinsam mit Mitarbeitern, wie Energie gespart werden kann
Um gegenzusteuern, versuche Dachser beim Stromverbrauch seine „Hausaufgaben“ zu machen. In Herne, aber auch an anderen Dachser-Standorten würde Photovoltaik verstärkt eingesetzt. Mit den Mitarbeitern werde gemeinsam überlegt, wo und wie Energie eingespart werden kann. „Aber wir müssen das Thema auch mit unseren Kunden diskutieren“, so Sommer. Dachser könne die Kostensteigerungen nicht alleine tragen. Deshalb versuche man, mit den Kunden flexible Lösungen zu finden.
Leere Regale, wie es die Frischewirtschaft im offenen Brief an die Bundesregierung prophezeit hat, kann sich Sommer nicht vorstellen, problematisch werde es bei einer längeren unterbrochenen Stromversorgung. Doch für so ein Szenario gebe es Notfallpläne.
Auch beim Onlinesupermarkt Picnic, der in Herne an der Südstraße ein großes Auslieferungslager betreibt, von dem aus Kunden in verschiedenen Städten des Ruhrgebiets beliefert werden, hat man das Thema Kühlung und Energiekosten im Blick, doch nach den Worten von Deutschland-Chef Frederic Knaudt, bereiten sie noch keine allzu großen Probleme. Da die Ware schnell umgeschlagen werde, benötige man nicht so große Kühlkapazitäten. Trotzdem versuche man zu optimieren. Auch Picnic habe Pläne für die Installation von Photovoltaikanlagen. Knaudt: „Überall dort, wo es geht, machen wir das auch.“ Für die Kunden ändere sich trotz gestiegener Energiekosten nichts: Die Preise blieben stabil, eine Liefergebühr werde es weiterhin nicht geben.