Herne. Der „Faust“ gilt als bedeutendster deutscher Theaterpreis. Warum sich diesmal gleich zwei Herner Hoffnung auf die Auszeichnung machen können.
Mit dem Stück „Trial & Error“ – Versuch und Irrtum – haben das Herner Theater Kohlenpott und das Bochumer Projekt Urbanatix am 2. Juli 2021 in ihrer ersten gemeinsamen Produktion Premiere in den Flottmann-Hallen gefeiert. Dieser künstlerische Versuch war alles andere als ein Irrtum: Regisseur Frank Hörner ist jetzt gemeinsam mit seinem Bochumer Kollegen Christian Eggert für den „Faust“ nominiert worden, den wohl bedeutendsten deutschen Theaterpreis.
Die persönliche Benachrichtigung durch den Preisstifter Deutscher Bühnenverein habe ihn schon vor Wochen per Mail in seinem Lieblings-Strandcafé in den Niederlanden erreicht, erzählt der 56-Jährige am Freitag im Gespräch mit der WAZ. Die Mail ging insgesamt dreimal raus: „Trial & Error - die Lust am Scheitern“ – so der vollständige Titel – konkurriert in der Rubrik „Inszenierung Theater für junges Publikum“ mit Stücken der großen Player Deutsches Theater Berlin und Theater Junge Generation, einer in Dresden beheimateten Kultureinrichtung des Freistaates Sachsen.
„Ich freue mich wahnsinnig“, sagt Hörner. Angesichts der Bedeutung des Preises fühle er sich bereits als Gewinner: „Die Nominierung ist schon eine Auszeichnung – gerade für ein so kleines Theater. Den Preis zu bekommen, das wäre dann die Kirsche auf der Torte.“
Ihnen sei schon vor der Premiere in den Flottmann-Hallen klar gewesen, dass es sich hier um etwas Besonderes handele. Die Verbindung von modernem Zirkus, urbanem Tanz und Theater in einem Stück habe es „meines Wissens für ein junges Publikum noch nicht gegeben“, erklärt Hörner, der mit Gabriele Kloke das Theater Kohlenpott seit 2005 leitet. Fortsetzung folgt: 2024 soll es wie bei „Trial & Error“ eine Co-Produktion mit Urbanatix in Herne geben. Und bereits 2023 werde er persönlich als Regisseur beim Urbanatix-Stück „Essence“ mitwirken.
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Lina Beckmann ist mit „Richard the Kid & the King“ im Rennen
Zurück zum „Faust“: Die Jury des Deutschen Bühnenvereins hat aus Herne nicht nur Frank Hörner nominiert. In der Rubrik „Darsteller:in Schauspiel“ ist auch Lina Beckmann vom Schauspielhaus Hamburg diese Ehre zuteil geworden. Und zwar für ihre Rolle in „Richard the Kid & the King“, mit der sie auch schon in der Kritikerumfrage des Fachmagazins „Theater heute“ zur Schauspielerin des Jahres gekürt worden ist.
Der „Faust“ fehlt noch in Lina Beckmanns (großen) Sammlung der bedeutenden Preise und Auszeichnungen. Eine Vertreterin der Herner Schauspielfamilie Beckmann hat sich aber bereits in die Liste der Siegerinnen eintragen können: Linas Schwester Maja Beckmann triumphierte 2019 beim „Faust“ für ihre darstellerische Leistung im zehnstündigen Marathon-Stück „Dionysos Stadt“ der Münchner Kammerspiele.
Beim Theater Kohlenpott sei Lina – anders als ihre Brüder Till und Nils – nicht aktiv gewesen, sagt Frank Hörner, aber natürlich kenne er sie persönlich. „Ich freue mich, dass ich am 26. November in so guter Gesellschaft bin“, sagt er mit Blick auf die an diesem Tag im Schauspielhaus seiner Geburtsstadt Düsseldorf stattfindenden Verleihung des „Faust“ und auf die Begegnung mit Lina Beckmann.
Der „Rindski“ in Gold
Auch für Frank Hörner wäre es nicht die erste Auszeichnung. Unter anderem hat er in Köln mit zwei Stücken den Kölner Theaterpreis gewonnen. Theater Kohlenpott ist zudem schon häufig zum Kindertheater des Jahres gewählt worden. Und dann gibt es da noch den „Rindski“, den er vor mehr als zwei Jahrzehnten erhalten hat.
Und das kam so: Bei einem gemeinsamen Weinabend hat der bekannte Schweizer Theatermann und Schauspieler Peter Rinderknecht festgestellt, dass Hörner noch keinen Preis gewonnen hat. Daraufhin rief Rinderknecht die Auszeichnung „Rindski“ ins Leben, ließ eine goldene Trophäe von einem Bekannten gestalten und verlieh sie offiziell an ihn. Frank Hörner: „Der ,Rindski’ steht heute in meinem Schlafzimmer. Ich schaue ihn mir jeden Morgen an und bekommen gute Laune.“
>>> Krieg und Krise: Frank Hörner warnt vor Kürzungen in der Kultur
„Ich finde, dass Herne hervorragend ausgestattet ist mit Kultur für ein junges Publikum“, sagt Frank Hörner. Er habe jedoch bisweilen das Gefühl, dass dies weder der Stadt noch der Politik so richtig klar sei, welche Juwelen es hier gebe.
Das gelte nicht nur fürs Theater Kohlenpott, sondern beispielsweise auch für Pottporus oder Renegade. „Mit diesem Pfund könnte Herne eigentlich wuchern“, so der Kohlenpott-Leiter. Er würde sich eine bessere Ausstattung wünschen, gerade was den technischen Bereich angehe.
Hinzu komme: „Die Verwerfungen durch Corona und Krieg werden finanzielle Konsequenzen haben.“ Insbesondere im Kulturbereich drohten Einschnitte, weil es sich um eine freiwillige Leistung handele. Er könne nur eindringlich vor Kürzungen warnen: „Insbesondere Kultureinrichtungen für junge Menschen arbeiten stets an der absoluten Grenze des finanziell Möglichen, weil die Arbeit nicht durch Einnahmen refinanzierbar ist.“ Das müsse der Politik stets bewusst sein: „Ich kann nur davor warnen, auch nur einen Cent einzusparen, denn dann würde alles zusammenbrechen.“
Gerade vor dem Hintergrund von Kriegen und schweren Krisen benötige man Techniken, „um diese Welt lesen zu können und etwas entgegenzusetzen“. Dazu trage nicht zuletzt Kultur bei. Frank Hörner: „Theater ist eine Möglichkeit, in frühester Jugend zu lernen, dass man die Welt auch mit eigenen Augen sehen kann.“