Herne. Tausende Menschen feierten beim WAZ-Schlagerherz auf der Cranger Kirmes in Herne eine wilde Party mit vielen Schlagerstars. So lief der Abend ab.
„Eine Bank, ehrenhaft zerfeiert“, grinst Sängerin Mia Julia. Kurz zuvor hatte die wilde Meute im Festzelt der Cranger Kirmes in Herne eine Bierbank zerlegt – passend zum Höhepunkt des WAZ-Schlagerherz am Mittwoch. Mehrere Tausend Schlagerfans und anderweitig Feierwütige tummeln sich vom frühen Abend bis Mitternacht im ausverkauften Zelt, stehen lieber auf den Bänken, als darauf zu sitzen und genehmigen sich ein ums andere Bier. Mallorca-Superstar Mia Julia sorgt für den krönenden Abschluss – doch von vorne.
Mit dem Schlagerduo Neon stehen die ersten großen Schlagerstars auf der Bühne des Festzelts. Die beiden Jungs, einer davon im übrigen Herner, heißen freilich nicht ohne Grund Neon, in ihren pinken und grünen Shirts machen die beiden der Cranger Leuchtreklame Konkurrenz. Schon jetzt – und es ist noch nicht einmal 20 Uhr – sitzt längst niemand mehr, selbst ohne Pegel werden sämtliche „Schalalas“, „Zicke-Zackes“ und Olé-Olés“ inbrünstig mitgegrölt.
Viele 90er-Kinder beim WAZ-Schlagerherz in Herne
Ina Colada setzt dann vor allem auf zwei Dinge: 90er-Nostalgie und Samples, denen der Zahn der Zeit nichts anhaben kann. Nach einer kurzen Acapella-Version von „Barbie Girl“ ist selbst „Stand by me“ nicht gefeit davor, seine Schlagerrenaissance zu erleben. Selbstverständlich auch mit dabei – ein kleiner Ausflug zur Puffmama Layla, nicht das letzte Mal an diesem Abend.
Die Pause nach Ina Colada füllt Moderator Frank Neuenfels, selbst Schlagersänger, mit seiner ganzen Klasse als Conférencier. Die Schmähgesänge über einen gewissen Schwarz-Gelben Fußballclub aus der erweiterten Nachbarschaft ignoriert er gekonnt – und gibt dem Publikum im Zelt dann das, was es will: Layla, zum zweiten Mal schon.
Achim Petry singt Lieder „vom Alten“
Für den dritten Layla-Exkurs sorgt kurz darauf Norman Langen, wenn auch nur für einen Refrain. Das Publikum ist da längst in Ekstase: Egal was der blondierte DSDS-Absolvent auf der Bühne abfeuert, die Menschen im Festzelt geben stimmlich und leidenschaftlich alles, was sie haben.
Auch interessant
Auf Norman Langen folgt Achim Petry, und der macht keinen Hehl aus seinem berühmten Nachnamen und allen Implikationen daraus: „Wollt ihr ein Lied vom Alten hören“, fragt er, und meint natürlich seinen Vater Wolfgang. Das Publikum will. „Weiß der Geier“ oder „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n“ heizen das ohnehin muckelig-warme Zelt noch weiter auf, doch auch Petrys eigenen Songs sorgen dafür, dass die Holzbalken zittern wie bei einem Erdbeben.
Ein rührender Moment inmitten des Schlagerwahnsinns
Achim Petry sorgt aber auch für den rührensten Moment des Abends. „Es ist so schön, wieder hier zu sein, und so schön, dass ihr wieder hier seid“, erzählt er zwischen zwei Liedern, und man glaubt es ihm. Ob Konzertpianist oder Schlagerbarde, die Pandemie war für Musiker jeder Couleur die Hölle – Hölle, Hölle, Hölle, Hölle.
Cranger Kirmes – Lesen Sie auch:
- „Spiral“-Crêpes erstmals auch auf der Cranger Kirmes
- Cranger Kirmes 2022: Das sind alle wichtigen Informationen
- Bildergalerie: Das sind die schönsten historischen Fotos von der Cranger Kirmes
Gleich darauf passt Olaf Henning auf, dass diese wohlige Wehmut nicht überhand nimmt, und schickt die Menschen mit seinem Fliegerlied zurück nach Mallorca, wo nur der Moment und der Füllstand des Bierglases zählen. 25 Jahre auf der Bühne feiert der Schlagerveteran in diesem Jahr, begeistert auf der Cranger Kirmes aber trotzdem Gäste, die noch nicht einmal so lange auf der Welt sind.
Countdown bis Mia Julia
Sozusagen eine echte Crange-Geschichte schreibt Vincent Gross beim Schlagerherz 2022 weiter. 2018 noch als Newcomer im Festzelt, stand er zuletzt mit seiner dritten Veröffentlichung „Hautnah“ in den deutschen Albumcharts. Zweifelsohne ein Star also, davon zeugen auch die vielen Fans, die an der Absperrung zum Künstlereingang harren und auf ein Foto, oder zumindest eine Umarmung, mit ihrem Star hoffen.
Sängerin Frenzy macht ihrem Namen alle Ehre und stachelt die Menschen im Festzelt wahrlich zu einer Raserei an. Die mehrfache deutsche Hip-Hop-Meisterin hat Backstage wohl aber schon die Headlinerin des Abends erspäht: „Ich hab sie schon gesehen, jetzt singen wir alle so laut, wie wir können“, bläut Frenzy dem Publikum ein, und stimmt gemeinsam mit 5000 Kehlen „Wir sind wir“ an – ein Lied, das sie gemeinsam mit Mia Julia aufgenommen hat.
Festhalle explodiert: Mia Julia entzückt die Massen
Und dann kommt sie: die selbst ernannte erfolgreichste Partysängerin Deutschlands, Mallorcalegende, Mia Julia. Im Dirndl – schließlich muss die bayerische Herkunft hochgehalten werden – hüpft die 34-Jährige wie ein Flummi über die Bühnenbretter des Festzelts. Wer den Schlagerabend bis zu diesem Punkt erlebt hat, mag es kaum für möglich halten – doch das Publikum legt noch einmal eine Schüppe drauf.
„Mallorca-Style“ und „Der Zug hat keine Bremse“ tragen ihren Teil zur wilden Schlager-Trance zwischen Tanz, Alkohol und Eskapismus bei – Mia Julia aber auch. „Jetzt lasst uns das Zelt komplett auseinandernehmen“, fordert Mia Julia, und fragt sicherheitshalber noch mal nach: „Wollt ihr mit mir eskalieren?“
Und wie das Publikum will. Womit wir wieder bei der zerfeierten Bierbank wären: Tausende Menschen in der Festhalle der Cranger Kirmes mobilisieren ihre letzten Kraftreserven, schreien, singen, tanzen, die Masse bewegt sich wie ein sturmgepeitschter See auf und ab. Und bei einem Sturm geht hin und wieder auch etwas zu Bruch, Mia Julias Bodyguard fischt das Treibholz schnell heraus. Und so endet mit Mia Julias Auftritt ein WAZ-Schlagerherz, bei dem die Stimmung von Anfang bis Ende nur eine Richtung kannte: aufwärts.