Herne. Susanne Thiel aus Herne ist OP-Schwester und weiß, wie Schichtarbeit der Gesundheit schaden kann. Yoga half ihr. Nun hilft sie anderen damit.
Wenn Susanne Thiel aus Herne körperliche oder seelische Beschwerden hat, atmet sie diese beim Yoga einfach weg. Was im ersten Moment unmöglich klingt, hat sich die Hernerin über eine lange Zeit antrainiert. 17 Jahre lang war die alleinerziehende Mutter als OP-Schwester in Schichtarbeit tätig, hatte Schlafprobleme, Hüftschmerzen und regelmäßige Fressattacken. Ihr natürlicher Bio-Rhythmus sei durch 88-Stunden-Arbeitswochen immer mehr aus der Bahn geraten. Da wurde ihr eines Tages klar: „So kann ich nicht weiter machen!“
Heute helfe ihr Yoga trotz Schichtarbeit und Alltags-Stress dabei, ihre innere Ruhe zu finden und besser auf ihre eigenen Bedürfnisse zu hören. Diese Erfahrung will Thiel nun mit andere Menschen teilen. So absolvierte die 54-Jährige eine Ausbildung zur Yogalehrerin und empfängt nun nebenberuflich regelmäßig Frauen und Männer jeden Alters in ihrem Studio „YogaSchicht“ auf der Neustraße 21 in Herne-Mitte. Ihr Fokus: Flexible und individuelle Yogakurse für Menschen, denen es im Alltag an Rhythmus fehlt.
Herner Yoga-Lehrerin: „Ruhe und Achtsamkeit sind Übungssachen“
„Ich habe aufgehört, alles um mich herum ständig als gut oder schlecht zu bewerten. Das raubt nur unnötig Energie“, erklärt die 54-Jährige gegenüber der WAZ Herne. Leichter gesagt als getan – das weiß auch die Schichtarbeiterin. „Ruhe und Achtsamkeit sind Übungssachen. Wir sind es gar nicht mehr gewohnt, uns auf uns selbst zu konzentrieren, weil wir ständig von allen Seiten mit irgendwas beschallt werden.“ Die beste Übung sei es, sich regelmäßig auf die eigene Atmung zu konzentrieren. Für den Anfang reiche einmal Yoga pro Woche, später solle man sich mindestens auf zwei Mal die Woche steigern. „Es müssen nicht immer 90 Minuten sein“, betont die Hernerin. „Manchmal können auch zehn Minuten reichen, um die Energiekanäle zu reinigen.“
Davon, sich dem Yoga-Lifestyle komplett anzupassen, sei Thiel jedoch nicht überzeugt. „Ein Yogi lebt eigentlich komplett vegan und isst nur zu bestimmten Uhrzeiten“, sagt sie. „Doch ich habe für mich festgestellt, dass das nicht immer funktioniert.“ Sie versuche, sich möglichst gesund zu ernähren, jedoch ohne sich dabei Verbote aufzustellen. „Ich vertraue da komplett auf meine körperlichen Bedürfnisse und meine Intuitionen. Wenn ich Hunger auf eine Currywurst oder Appetit auf was Süßes habe, dann gönne ich mir das zwischendurch. Wenn ich aber merke, dass ich die Schokolade nur essen will, um mich zu beruhigen oder einen emotionalen Schmerz auszugleichen, dann atme ich erstmal tief ein“, erklärt die Hernerin.
„Wieso sollten wir bei Schmerzen immer sofort zu Medikamenten greifen?“
Ein einziger Raum voller Buddhas, Klangschalen, Pflanzen, Kissen, Matten und Yoga-Klötzen – all diese Dinge sollen bei „YogaSchicht“ dazu beitragen, dass sich diejenigen, die hier her kommen, für eine gute Stunde entspannen und dabei ihre Wehwehchen loswerden können. Denn nicht nur für die Seele seien tiefe Atemzüge in Kombination mit fließenden Dehnungen und langsamen Kraftübungen heilsam.
Das kann auch die 64-jährige Irene Zawiejak bestätigen, die Yoga im März für sich entdeckt hat und Thiels Studio in Herne seither regelmäßig besucht. „Vorher habe ich überhaupt keinen Sport gemacht“, erzählt sie. Sie sei lange lungenkrank gewesen und habe auch an ihrer Beweglichkeit gemerkt, dass ihr sportliche Tätigkeiten in all den Jahren fehlten.
„Es ist schade, dass sich so wenige Menschen in meinem Alter trauen, sich mit seinen Schmerzen und Krankheiten selbst auseinanderzusetzen, anstatt sich ständig nur mit Tabletten vollzustopfen“, sagt die Rentnerin. „Wieso sollten wir bei Schmerzen immer sofort zu Medikamenten greifen, wenn es andere, natürliche Möglichkeiten gibt?“, stellt auch Thiel zur Diskussion. Auch wenn sie Patienten hätte, deren Blutdruck auf 180 sei, würde sie ihnen zunächst dazu raten, erstmal tief einzuatmen, bevor sie mit einer Tablette rausrückt. Und siehe da: „In den meisten Fällen senkt sich der Blutdruck wieder von ganz allein.“