Herne.

Als „großes Kino“ hatte Oberbürgermeister Frank Dudda im November 2021 die Pläne der Fakt AG für den Shamrockpark bezeichnet. Für einige Anwohnerinnen und Anwohner handelt es sich um einen Horrorfilm – befürchten sie doch erhebliche gesundheitliche Gefahren durch das Aufwühlen des hochkontaminierten Bodens. Alle Bedenken konnten in einer Veranstaltung der Herner SPD-Ratsfraktion am Dienstagabend nicht ausgeräumt werden.

Knapp 90 Menschen waren der Einladung zur „Fraktion vor Ort“-Veranstaltung in den Saal „ShamrockEye“ auf dem ehemaligen Areal der RAG gefolgt. „Es gibt große Befürchtungen“, sagte SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski zu Beginn über den Anlass der Veranstaltung. Und diese wurden bei der 100-minütigen Veranstaltung auch immer wieder laut.

So stellt sich Architekt Christian Kohl die Wohnbebauung auf dem Grundstück nördlich der Brunnenstraße vor. In drei- bis viergeschossigen Häusern sollen rund 150 Wohnungen entstehen.
So stellt sich Architekt Christian Kohl die Wohnbebauung auf dem Grundstück nördlich der Brunnenstraße vor. In drei- bis viergeschossigen Häusern sollen rund 150 Wohnungen entstehen. © Unbekannt | Christian Kohl Architekten

Die Pläne

Rund 150 Wohnungen sollen auf einem Teil des Shamrockparks nördlich der Brunnenstraße gebaut werden. Bei Bodenuntersuchungen sind auf dem ehemaligen Kokereigelände wenig überraschend hochgiftige Schadstoffe wie krebserregende PAK (Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe) gefunden worden. Ursprüngliche Pläne für den Bau eines Seniorenheims sind für dieses Grundstück bereits aufgegeben worden, weil es offenbar keine Einigung über die Aufteilung der (hohen) Kosten der Altlastenbeseitigung zwischen Investor Protea Care und Eigentümerin Fakt AG gab.

Die Verwaltung

Die Stadt Herne wolle durch den Bebauungsplan den Rahmen setzen, um an diesem Standort „gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu schaffen“, sagte Bau- und Umweltdezernent Karlheinz Friedrichs. Im Verfahren würden „undenkbar viele Gutachten“ erstellt, um dies zu gewährleisten. Neu sei dies nicht: Der Umgang mit Altlasten sei angesichts der Bergbauvergangenheit Hernes beinahe tägliches Geschäft der Verwaltung.

Planungsamts-Chef Achim Wixforth machte recht deutlich, wo die Stadt Prioritäten setzt. „Wir sind getrieben von Bedarfszahlen.“ Es fehlten Flächen für neue Wohnungen und für Gewerbe. Die Wohnungsknappheit verschärfe sich: 265 neue Wohnungen müssten in Herne pro Jahr entstehen, so die Vorgabe aus der Regionalplanung. „Zurzeit schaffen wir nur 165 pro Jahr.“

Derzeit seien fast 100 Prozent der rund 27.000 Quadratmeter großen Fläche versiegelt, was sich durch eine Wohnbebauung wesentlich ändern würde. Und: Auch die Verkehrssituation werde sich nicht verschlechtern, sondern eher noch verbessern, so die Botschaft.

Der Stadt sei bewusst, dass bei der Sanierung „absolute Vorsichtsmaßnahmen“ notwendig seien, so Friedrichs. Und nicht zuletzt: Ein Austausch des Bodens sei auch für Anwohner letztlich eine „deutliche Verbesserung“, weil es in Zukunft bei einem Durchsickern giftiger Stoffe ins Grundwasser zu Problemen kommen könne. Bisher sei dies aber noch nicht der Fall gewesen, räumte er ein.

Sie standen bei der SPD-Veranstaltung Rede und Antwort: (v.li.) Architekt Christian Kohl, Baudezernent Karlheinz Friedrichs und Planungsamtschef Achim Wixforth. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Sobieski (re.) moderierte die Diskussion.
Sie standen bei der SPD-Veranstaltung Rede und Antwort: (v.li.) Architekt Christian Kohl, Baudezernent Karlheinz Friedrichs und Planungsamtschef Achim Wixforth. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Udo Sobieski (re.) moderierte die Diskussion. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Diese Nachricht war neu: Achim Wixforth kündigte an, dass die Stadt für die Sanierung der Böden einen unabhängigen Experten engagieren werde, der dem (von der Fakt AG) beauftragten Gutachter an die Seite gestellt werde. Und: Die Stadt werde zum Start der Altlastensanierung „Baustellengespräche“ anbieten, um das Verfahren transparent für Bürger zu machen, so Friedrichs.

Die Anwohner

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Zahlreiche Bedenken vor allem bezüglich des Umgangs mit dem kontaminierten Boden brachten Anwohnerinnen und Anwohner vor. „Endet die Gesundheitsbelastung an meinem Gartenzaun?“, fragte ein Bürger. Die Arbeiter sollen während der Sanierung laut Vorschrift „wie Marsmännchen“ in Schutzanzügen herumlaufen, während sein Garten mit der Schaukel für die Kinder direkt an den Shamrockpark grenze. Staubverwehungen während der Sanierung könnten fatale Folgen haben, so die Sorge.

Ein anderer Bürger verwies darauf, dass das dicht besiedelte Viertel laut Klimaanalysen schon jetzt besonders belastet sei. Auch Klaudia Scholz, Linken-Ratsfrau und Anwohnerin, warnte vor weiteren Verschlechterungen für Verkehr und Klima auf der „Hitzeinsel“ Herne-Mitte: „Wir werden gegrillt bei lebendigem Leib“, sagte die Politikerin, die vor Wochen eine Protestaktion vor Ort organisiert hatte.

Zu Wort meldete sich auch Bernhard Hüpen, Leiter des direkt an den Shamrockpark grenzenden Chemie-Werks Ineos. Er warnte die Stadt davor, die gesundheitlichen Gefahren der krebserregenden Schadstoffe im Boden zu verharmlosen. Und er äußerte leise Zweifel daran, dass sich die Wohnungen angesichts der Beeinträchtigungen überhaupt vermarkten ließen. Seine Unterstützung bei der Sanierung sagte er trotzdem zu: Er bot eine Prüfung darüber an, ob der (nicht unproblematische) Abtransport kontaminierter Böden über den Bahnanschluss von Ineos statt über die Straße erfolgen könnte. Hüpen griff damit einen Vorschlag von SPD­-Fraktions-Chef Udo Sobieski auf.

Das Chemie-Unternehmen hat übrigens im laufenden Bebauungsplanverfahren mit Unterstützung einer Anwaltskanzlei eine umfassende Stellungnahme zu dem Wohnbauvorhaben abgegeben. Vor einer Veröffentlichung des Berichts und einer Bewertung durch die Stadt wolle er sich über den Inhalt aber nicht äußern, so Hüpen am Mittwoch zur WAZ.

Die SPD

Vertreter der SPD-Fraktion warben bei Bürgerinnen und Bürgern um Vertrauen. Die Ängste seien berechtigt, doch die Verwaltung werde alles tun, „um die Gefahren gering zu halten“. Alle Beeinträchtigungen würden sich nicht verhindern lassen, aber Panik sei fehl am Platze, so Sobieski.

Unterstützung erhielt er von SPD-Ratsherr Roberto Gentilini, der selbst Anwohner des nördlichen Shamrockparks ist. „Wenn ich Bedenken hätte, würde ich diese Maßnahme nicht unterstützen.“ Die Politik werde ganz genau hinschauen und den Prozess eng begleiten. Er sei sich aber sicher, dass das gesamte Viertel am Ende von den Plänen profitieren werde.

>>> Die Eigentümerin

Zwei neue Hochhäuser („Future Tower“ und „Vision Tower“), ein Hilton-Hotel in einem ehemaligen Bürogebäude, ein „Growing Place“ für Start-ups – über diese und weitere sehr ambitionierte Vorhaben für den südlichen Teil des Shamrockparks gab es bei er SPD-Veranstaltung keine Informationen und Wasserstandsberichte.

Eine Vertreterin der Eigentümerin Fakt AG habe aus „dringenden privaten Gründen“ kurzfristig absagen müssen, so SPD-Fraktions-Chef Udo Sobieski.