Herne. Im Homeschooling sind manche Schüler mit dem Stoff nicht hinterhergekommen. Wie das Programm „Extra-Zeit“ jetzt Zweitklässlern aus Herne hilft.

Geschlossene Kitas und Schulen, keine Freizeitangebote, Stress, Lerndefizite: Die Kleinsten haben unter der Corona-Pandemie stark gelitten. Das gilt besonders für Kinder aus Familien, die es ohnehin schon schwerer haben. Unter dem Motto „Extra-Zeit zum Lernen“ haben die Vereine „Ruhrwerk“ und „Lernen in Herne“ deshalb ein besonderes Programm aufgelegt: In Kleingruppen bekommen Zweitklässlerinnen und Zweitklässler der Grundschulen Josefschule und Kunterbunt zusätzliche Förderstunden.

Monika Müller, Schulleiterin der Grundschule Kunterbunt, hat erlebt, was der Lockdown mit vielen Kindern gemacht hat. „Man hat das sofort gemerkt, als der Präsenzunterricht wieder anfing“, erinnert sie sich. „Früher haben sie mich angestrahlt und gerufen: ‘Hallo Frau Müller’. Da kamen sie mit Maske und gesenktem Blick rein, haben gar nicht mehr hochgeschaut.“

Herner Schulleiterin: Kinder brauchen Betreuung beim Lernen

Viele Schüler, gerade aus der ersten Klasse, seien im Homeschooling mit dem Stoff einfach nicht hinterhergekommen. „Circa 25 Kinder können zum Glück die erste Klasse wiederholen“, berichtet Müller. „Es gibt aber auch Zweitklässler, die immer noch Probleme haben. Und bei einer Klassenstärke von 28 kann man kaum jedem einzelnen Kind gerecht werden.“ Dabei sei gerade das so wichtig für die Kinder: Sie brauchten nicht bloß Frontalunterricht, sondern jemanden, der sich mit ihnen hinsetze und mit ihnen gemeinsam lerne.

Unterstützen gemeinsam das Projekt „Extra-Zeit“: Vertreterinnen und Vertreter von „Ruhrwerk“, „Lernen in Herne“, Schulen, Caritas, Gesellschaft freie Sozialarbeit und Sponsoren.
Unterstützen gemeinsam das Projekt „Extra-Zeit“: Vertreterinnen und Vertreter von „Ruhrwerk“, „Lernen in Herne“, Schulen, Caritas, Gesellschaft freie Sozialarbeit und Sponsoren. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Die Grundschule Kunterbunt hat genau wie die Josefschule einen hohen Migrationsanteil. „In der Pandemie lief die Sozialisation der Kinder völlig anders. Sie waren überhaupt nicht mehr mit anderen Kindern zusammen, sondern nur noch mit ihrer Familie“, schildert Robert Faber, Schulleiter der Josefschule. Das habe auch Auswirkungen auf die Sprachkenntnisse gehabt: „Einige Kinder hatten vor dem Lockdown einen guten deutschen Wortschatz, danach auf einmal nicht mehr. Weil sie ein Jahr lang nur in ihrer Muttersprache gesprochen hatten.“

Zweimal wöchentlich drei Förderstunden für Herner Schüler

Den Schulleitern ist wichtig zu betonen, dass die Eltern dieser Kinder grundsätzlich ein großes Engagement zeigten. „Die wollen ihre Kinder unterstützen, aber manchmal fehlen einfach die Möglichkeiten“, sagt Faber. Das gehe schon damit los, dass zu Hause kein WLAN verfügbar sei, geschweige denn ein Drucker, und die Eltern keine Mail-Adresse besäßen. Und dass meist noch Geschwister da seien, die ebenfalls betreut werden müssten.

Das Programm „Extra-Zeit“ soll bei der Bewältigung der Corona-Folgen helfen. Zweimal wöchentlich werden die Kinder drei Stunden lang von Ehrenamtlichen, meist Lehramtsstudierenden, betreut. Die üben mit ihnen Lesen, Schreiben und Rechnen, essen aber auch gemeinsam mit ihnen Mittag, bewegen sich mit ihnen auf dem Schulhof oder schulen ihre motorischen Fähigkeiten beim Basteln und Zeichnen. Zwei Studierende kümmern sich dabei um maximal 15 Kinder.

„Der Betreuungsschlüssel ist ideal“, sagt Julia Ciecior, Klassenlehrerin einer zweiten Klasse an der Josefschule, wo das Projekt schon angelaufen ist. Hier könne man seit dem Start Anfang September bereits eine positive Bilanz ziehen: „Die Kinder freuen sich sehr auf die Extra-Zeit und gehen begeistert wieder nach Hause.“ Schulleiter Faber betont: „Für viele unserer Schüler ist die emotionale Bindung enorm wichtig. Wenn sie das Gefühl haben: ‘Da ist jemand nett zu mir und kümmert sich um mich’, dann weckt das sofort die Eigenmotivation.“

>>> WEITERE INFORMATIONEN: Zum Projekt

  • Jeweils vier Gruppen aus den Grundschulen Josefschule (insgesamt 32 Schüler) und Kunterbunt (insgesamt bis zu 60 Schüler) nehmen an dem Programm „Extra-Zeit“ teil.
  • Das Land NRW übernimmt die Kosten des Programms zu 80 Prozent und fördert es mit maximal 500 Euro pro Woche und Gruppe.
  • Den Rest finanzieren die Träger der beiden Schulen, die Gesellschaft freie Sozialarbeit und die Caritas Herne, aus Spenden.