Herne. Jacob Liedtke ist Kandidat für die Bundestagswahl im Wahlkreis Herne/Bochum II. Was er über Klimaschutz, seine Jugend und sein neues Hobby sagt.

Zum Treffen mit der WAZ kommt Jacob Liedtke, der Bundestagskandidat von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis Herne/Bochum II, etwas außer Puste und leicht lädiert. Etwas außer Puste, weil er sich beeilen musste: Ein Termin im Vorfeld dauerte länger als geplant, drum musste der 33-Jährige in der Hitze kräftig strampeln nach Sodingen an die Akademie Mont-Cenis. Und der Verband am Unterarm – ein Fahrradunfall? Nein, sagt Liedtke: Beim Skateboarden, seiner neuen Leidenschaft, sei er gestürzt, beim Einfahren in die Quarterpipe, die Röhre. Experten würden sagen: beim Drop-in.

Damit ist schon viel gesagt über den Jung-Politiker. Ein Auto hat er nicht, ist meist mit dem Fahrrad unterwegs, und unterstreicht so, dass es ihm auch persönlich ernst ist mit der Verkehrswende, die seine Partei so sehr will, um das Klima zu retten. Das Skateboard hat ihm seine Frau zu Weihnachten geschenkt, denn er probiere gern immer wieder etwas Neues aus in seinem Leben. Das Fahren auf dem Brett, bilanziert er, „klappt besser, als ich dachte“. Stürze gehören halt dazu.

Herne: Die Stadt ist seine „Wohlfühloase“

Den Ort für das Gespräch mit der WAZ dürfen sich die Bundestagskandidaten aussuchen. Jacob Liedtke wählt den Hügel an der Akademie. „Hier ist es grün, das gefällt mir“, erklärt er. Und: „Ich mag Panoramablicke.“ Wer die Stelle kennt, weiß: Vom Hügel aus hat man einen tollen Rund-um-Blick Richtung Norden. Liedtke, der mitten in der Stadt in Herne-Mitte wohnt, ist oft zur Akademie gelaufen, als er noch einen Hund hatte, durch den Stadtgarten und auch noch durch den Gysenberg. Die Strecke mag er, wie Herne überhaupt: Die Stadt sei seine „Wohlfühloase“, erzählt er mit Blick in die Landschaft.

Engagiert sich beim „Bündnis Herne“ und damit auch gegen die „Spaziergänge“ der selbst ernannten „Besorgten Bürger“: Jacob Liedtke.
Engagiert sich beim „Bündnis Herne“ und damit auch gegen die „Spaziergänge“ der selbst ernannten „Besorgten Bürger“: Jacob Liedtke. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Das mag auf den ersten Blick verwundern, denn Liedtke ist fast noch ein Neubürger und wuchs im beschaulichen Rheda-Wiedenbrück auf. Zum Studium an der Ruhr-Uni zog er in eine WG nach Bochum, lernte dabei seine spätere Frau kennen. 2015 heiratete das Paar, ein Jahr später zogen sie nach Herne. Weil die Stadt gemütlicher, trotzdem großstädtisch sei und die Mieten günstiger seien: „Dann sind wir hier geblieben.“ Bereut habe er es nicht – im Gegenteil.

Dass er bei den Grünen gelandet ist, überrascht nicht, wenn man seine Vita kennt. Sein mittlerweile verstorbener Vater war in seiner Heimatstadt Ratsherr der Grünen, auch seine Mutter sei sehr politisch. Da sei zu Hause oft diskutiert worden, vor allem auch über Politik. Liedtke wurde Schülersprecher, und als sich in Gütersloh ein Nazi-Aufmarsch ankündigte, hat er die Gegendemo mitorganisiert, erzählt er. Erfolgreich: Der Ort habe sich den Rechtsradikalen entgegengestellt und sie vertrieben. Das sei ein „Initialisierungserfolg“ gewesen. Wenn alle gesellschaftlichen Gruppen zusammenstehen und für etwas gemeinsam einstehen, „dann bringt das was“, sagt Liedtke.

Klimaschutz: die große Menschheitsaufgabe des nächsten Jahrzehnts

Als 2019 dann die „Besorgten Bürger“ in Herne anfingen, ihre „Spaziergänge“ durchzuführen, war Liedtke auch deshalb schnell als Mitorganisator dabei, als erst eine Gegenveranstaltung, dann eine Gegenbewegung, das „Bündnis Herne“, auf die Beine gestellt wurde. Alle relevanten Gruppen – Gewerkschaften, Parteien, Kirchen, Schulen, Vereine und Organisationen – machten mit, stellten sich den Rechten entgegen, und nach und nach sprangen immer mehr „Spaziergänger“ ab, bis die Aufmärsche ausblieben. Das „Bündnis Herne“ gibt es noch heute.

Und Liedtke? Geht den nächsten Schritt, will nun für die Grünen in Herne, denen er sich 2017 vor Ort anschloss, in den Bundestag. Sein großes Thema ist der Umweltschutz, genauer: der Klimaschutz, den er „die große Menschheitsaufgabe des nächsten Jahrzehnts“ nennt. Viel mehr müsse auf diesem Gebiet getan werden, etwa ein Kohleausstieg schon 2030, dafür brauche es jetzt ein starkes Korrektiv in Berlin. Wichtig sei ihm auch die soziale Gerechtigkeit, für die er sich einsetzen wolle: Die Kinderarmut sei viel zu hoch in Herne. Der Spitzensteuersatz müsse angehoben werden, Vermögende sollen mehr bezahlen. Und nicht zuletzt liege ihm die Stärkung der Demokratie am Herzen.

Zurück zum Skateboarden: An diesem Wochenende will er wieder üben, sagt Liedtke. Im Hibernia-Skatepark, der klasse sei – auch wenn es dort leider keine Toilette gebe. Den „Olli“ kann er übrigens schon. Bei diesem Skateboard-Trick springt der Fahrer in die Luft, das Board fliegt mit und darf sich dabei gern drehen – am Ende landet der Skateboarder wieder sauber auf dem Brett. Ohne Sturz, versteht sich.

>> Bitte ergänzen. . .

Die WAZ gab (Stich-)Worte vor, Jacob Liedtke ergänzte sie zu einem Satz:

Die „Besorgten Bürger“. . .

. . .haben sich in Herne mit einer starken Zivilgesellschaft angelegt und sind daran gescheitert.

Robert Habeck hätte ich bei der Kür des Kanzlerkandidaten oder der Kanzlerkandidatin der Grünen. . .

. . .in keiner besseren Tagesform erleben können.

Eine Ampelkoalition. . .

. . .ist eine von unterschiedlichen möglichen Ausgängen von schwierigen Koalitionsverhandlungen.

Der BVB. . .

Das freut ihn „wahnsinnig“: Der BVB hat nun ein eigenes Frauen-Team.
Das freut ihn „wahnsinnig“: Der BVB hat nun ein eigenes Frauen-Team. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

. . .hat in dieser Saison zum ersten Mal eine Frauenmannschaft im Ligasystem, was mich wahnsinnig freut.

>> ZUR PERSON: Master in Gender Studies

Jacob Liedtke studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Ruhr-Uni, anschließend machte er einen Master in Gender Studies. Beruflich ist er angestellt bei der Stadt Herne und arbeitet dort im Büro Stabsstelle Zukunft der Stadt.

Der 33-Jährige ist verheiratet und hat zwei Katzen.