Herne. Vorhang, Tusch, roter Teppich: Seit nunmehr zehn Jahren ist Herne Fairtrade-Stadt. Was man über den fairen Handel in dieser Stadt wissen muss.
Das ABC der Fairtrade-Stadt Herne.
A wie Anfang. Am 4. Juni 2011 wurde Herne bei einer feierlichen Veranstaltung in der Künstlerzeche Unser Fritz der offizielle Titel Fairtrade-Stadt verliehen. Herne ist damit Teil einer weltweiten Bewegung von Kommunen, die sich für globale Gerechtigkeit einsetzt. Für die Auszeichnung musste die Stadt mehrere Kriterien erfüllen. Dazu gehörten (und gehören bei der alle zwei Jahre notwendigen Verlängerung des Titels) unter anderem eine gewisse Anzahl von Unternehmen in Einzelhandel und Gastronomie, die faire Produkte anbieten. Bei der Feier in der Künstlerzeche durfte auch gelacht werden: In einer Videobotschaft bezeichnete der britische Initiator der Fairtrade-Town-Kampagne Herne konsequent als „Hörn“, so berichtete die WAZ.
B wie Beschluss. Die Politik ebnete der Fairtrade Town Herne am 4. Mai 2010 den Weg: Dem Antrag von SPD und Grünen folgten im Rat alle 61 Stadtverordneten. Ein Zeichen für fairen Handel setzte der Rat auch in seiner jüngsten Sitzung, in der sich alle Parteien mit Ausnahme der AfD hinter eine Resolution für ein starkes Lieferkettengesetz stellten (siehe auch Bericht unten).
D wie Dauerbrenner. Seit mehr als 20 Jahren findet in Herne die Faire Woche statt, an der sich jährlich rund 30 Organisation, Gruppen und Gewerbetreibende beteiligen. Auch durch die Corona-Pandemie ließen sich die Streiter für Menschenrechte im globalen Handel 2020 nicht stoppen.
E wie Eine unter Tausend. Das war Herne im Jahr 2011. Genauer gesagt: die damals weltweit 1000. Kommune, die den Titel Fairtrade Town tragen durfte. Damit war sie nicht allein: Zum runden Jubiläum vergaben die weltweiten Zertifizierungsstellen den Titel an zwölf Kommunen in zwölf Staaten. In Deutschland setzte sich Herne übrigens unter anderem gegen Hamburg durch.
F wie Faire Metropole. 2013 wurde das Ruhrgebiet als bundesweit erste Großregion als Faire Metropole ausgezeichnet. Seit 2017 ist auch das Projektbüro dieses regionalen Bündnisses in Herne angesiedelt, konkret unter einem Dach mit dem Eine Welt Zentrum an der Overwegstraße 31.
H wie Heißler, Markus. Der Religionspädagoge und Politikwissenschaftler ist in Herne so etwas wie Mister Fairtrade. Er koordiniert im Eine Welt Zentrum des evangelischen Kirchenkreises diesen Bereich. Gemeinsam mit Rolf Ahrens (Grüne) ist der 47-Jährige auch ein Mann der ersten Stunde in der Steuerungsgruppe der Fairtrade-Stadt Herne.
K wie Keimzellen. Für fairen Handel haben sich Menschen in Herne und Wanne-Eickel schon lange vor 2011 stark gemacht. Der Weltladen Esperanza – heute an der Freiligrathstraße 19 ansässig – eröffnete bereits im Jahr 1974. Im Sortiment findet sich heute neben Produkten aus dem Lebensmittelbereich unter anderem hochwertiger Silberschmuck, Lederwaren und Geschenkartikel. Der Herner Weltladen ist der drittälteste in ganz Deutschland (siehe auch S wie Schokolade). Zu den bundesweiten Vorreitern zählt auch das Eine Welt Zentrum, das seit 1976 am Start ist (www.ewz-herne.de).
M wie Mädchen und Jungen. Auch die Jüngsten werden an die Ziele des fairen Handels herangeführt. Als erste Herner Kindertageseinrichtung erhielt die Awo-Kita Fabio an der Mont-Cenis-Straße (früher: Düngelstraße) das Zertifikat Faire Kita, später folgte noch die städtische Kita Pantrings Hof. Dortmund geht hier andere Wege: Dort sollen in diesem Jahr alle 99 städtischen Einrichtungen zu Fairen Kitas werden. Zurück nach Herne: Als Fairtrade-Schulen wurden bisher das Otto-Hahn-Gymnasium (2017) und die Realschule an der Burg (2020) ausgezeichnet.
S wie Schokolade. Die aktuell beliebtesten fairen Schokoladensorten im Weltladen Esperanza sind Café Blanc und Earl Grey Blanc. „Die machen süchtig“, sagt Esperanza-Mitarbeiterin Christa Winger. Die Verkaufs-Charts der Kaffeesorten führt der Herne-Kaffee an (erhältlich an der Freiligrathstraße 19, montags bis freitags 10-13 und 15-18 Uhr sowie samstags von 10-14 Uhr; www.weltladenherne.de).
U wie Unterstützer. Eine Steuerungsgruppe führt seit 2011 Regie beim Thema Fairer Handel und organisiert unter anderem auch die Faire Woche. Neben den aktiven Organisationen gehören diesem Gremium u.a. die Verbraucherzentrale sowie Vertreter der Politik und Verwaltung (siehe V wie Verwaltung) an.
V wie Verwaltung. Vor 20 Jahren haben die Stadt und das damalige Info-Zentrum Dritte Welt das Projekt „Herner Kaffee“ auf den Weg gebracht; 2008 folgte der Wanne-Kaffee. In der Verwaltung werden fair gehandelte Produkte wie Kaffee, Zucker und Tee angeboten. Zuletzt verteilte die Stadt beim Projekt „Faire Fußbälle“ insgesamt 100 Bälle an ihre Kitas. Als bedeutsamstes Projekt bezeichnet die Verwaltung die „Globale Nachhaltige Kommune“, bei der bis 2030 eine sich an den Zielen der UN orientierende Strategie entwickelt werden soll.
Wie wie Wananas. Auch die Gastronomie des Freizeitbades bzw. die federführende städtische Bädergesellschaft war 2011 Gründungsmitglied der Fairtrade-Stadt. Fair gehandelte Produkte waren nicht nur im Bistro und Kiosk am Wananas im Sortiment, sondern konnten auch beim Catering dazu bestellt werden. Der Wunsch, den Gedanken des fairen Handels damit in die Breite zu tragen, habe sich nicht erfüllt, sagt Norbert Breitbach, bis 2016 Chef der Bädergesellschaft. Auch in der Verwaltung und bei den Stadttöchtern hätten ihre Bemühungen leider nicht verfangen.
Z wie Zum Schluss. Letzte Worte von Markus Heißler: „Natürlich kann man immer auch mehr machen, aber wir haben in den vergangenen zehn Jahren als Fairtrade Stadt durch kontinuierliche Arbeit einiges erreicht. Das gesellschaftliche Klima für dieses Thema hat sich verbessert. In einer schwedischen Studie ist herausgefunden worden, dass das Bewusstsein für den fairen Handel in Fairtrade-Städten größer ist als in anderen Städten. Jeder kann aber auch im Alltag ganz praktisch etwas dafür tun, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können.“