Herne. Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Herne und Gelsenkirchen wird 100 Jahre alt. Was sich verändert hat und welche Pläne es für die Zukunft gibt.

Am 15. Juni feiert der Regionalverband Herne-Gelsenkirchen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) seinen 100. Geburtstag. Während sich die Samariter damals der Ersten Hilfe widmeten, hat sich der Bund in den vergangenen Jahren auf die stationäre Pflege spezialisiert. Wie es dazu kam, welche Pläne der ASB für die Zukunft hat und wie die Bewohner und Mitarbeiter die Pandemie erlebt haben, erzählen die beiden Geschäftsführer Andreas Reifschneider und Tobias Ahrens im Interview mit WAZ-Redakteurin Lea Wittor.

Wie kam es vor 100 Jahren zu der Gründung des ASB?

Reifschneider: Auf den Zechen gab es vor 100 Jahren häufig Unglücke mit Verletzten und Toten. Deshalb haben sich in Herne und Gelsenkirchen damals Arbeitergruppen gebildet, die das Thema aufgreifen und durch Erste-Hilfe-Leistungen Abhilfe schaffen wollten. Im Dritten Reich wurde der ASB dann verboten. Aber schon im Jahr 1952 haben sich die ersten Samariter wieder zusammengetan und sich der Ersten Hilfe gewidmet.

Lange Zeit war die Erste Hilfe das hauptsächliche Tätigkeitsfeld des ASB. Wie kam es zum Wandel hin zur stationären Pflege?

Ahrens: In erster Linie hat das etwas mit dem damaligen Geschäftsführer Albert Okoniewski zu tun, der leider im vergangenen Jahr verstorben ist. Er hat früh erkannt, dass es wichtig ist, den Menschen moderne Pflegeeinrichtungen anzubieten. Vor mehr als 20 Jahren hat er angefangen, solche zu bauen und einzurichten. Er hat zudem die Entscheidung getroffen, sich auf Sonderpflegebereiche zu spezialisieren. Deswegen hat der ASB unter anderem auch eine Einrichtung für demenzkranke Menschen.

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Ist der Gründungsgedanke des ASB heute noch zu spüren?

Reifschneider: An vielen Stellen ist der Gedanke der schnellen Hilfe noch zu spüren. Zum einen haben wir unsere Katastrophenschutzeinheit. Da wird schnell und unbürokratisch geholfen. Ein weiteres Beispiel ist sicher unser Hilfsprojekt in Südafrika, bei dem Kinder und Jugendliche aus einem armen Viertel im Alltag Unterstützung bekommen.

Der ASB engagiert sich also nicht nur in Herne, sondern auch weltweit. Wie sehen denn die Pläne für die Zukunft aus?

Ahrens: Wir haben in den vergangenen Jahren vermehrt außerhalb der stationären Pflege Projekte umgesetzt. Im letzten Jahr haben wir eine Wohnanlage mit öffentlich geförderten Wohnungen errichtet. Diesem Thema wollen wir uns auch in Zukunft widmen. Ein anderes Feld ist die Tagespflege. Wir errichten gerade ein Gebäude mit Wohnungen und einer Tagespflege in Herne. Diese werden wir voraussichtlich im Oktober eröffnen.

Die beiden ASB-Geschäftsführer Andreas Reifschneider (links) und Tobias Ahrens.
Die beiden ASB-Geschäftsführer Andreas Reifschneider (links) und Tobias Ahrens. © ASB

Wie haben Sie in den Einrichtungen die Zeit der Pandemie erlebt?

Reifschneider: Die Pandemie hat uns vor große Herausforderungen gestellt, doch es hat auch viel Positives hervorgebracht. Wir haben eine starke Teamarbeit erlebt und mussten uns immer wieder anpassen. Es gab eine Zeit, da waren Besuche ganz untersagt. In dem Zusammenhang mussten wir administrative Vorarbeit leisten und dabei gleichzeitig die Bewohner nicht vergessen. Damit der Kontakt zu den Familien bestehen bleiben konnte, haben wir zum Beispiel Tablets für die Bewohner beschafft.

Wie ist die Lage aktuell?

Ahrens: Momentan merken wir eine Entspannung der Situation. Wir sind froh, dass wir früh mit den Impfungen beginnen konnten. Schon vor dem Jahreswechsel war die Hälfte unserer Einrichtungen erstgeimpft. Wir haben da eine sehr hohe Beteiligung: circa 95 Prozent der Mitarbeiter und etwa 98 Prozent der Bewohner haben sich impfen lassen.

Mussten Sie dafür viel Überzeugungsarbeit leisten?

Reifschneider: Wir haben viele Gespräche geführt und dabei Sorgen und Ängste genommen. Die falschen Informationen, die zum Teil verbreitet worden sind, haben wir versucht richtigzustellen. Das hat großes Vertrauen geschaffen.

Also herrscht nun wieder normaler Alltag in den Einrichtungen?

Ahrens: Wir nähern uns eigentlich einem normalen Betrieb. Besucher müssen sich zwar weiterhin registrieren, aber wir müssen nicht mehr jeden Gast testen. Mittlerweile können auch schon wieder Veranstaltungen stattfinden. Bevor Menschen neu bei uns einziehen, versuchen wir, sie schon vorher impfen zu lassen. Man kann eigentlich sagen: Pflegeeinrichtungen sind zurzeit wahrscheinlich die sichersten Orte überhaupt, weil die Rate der geimpften Menschen hier in der Regel deutlich höher ist als woanders.

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Derzeit wird über eine erneute Pflegereform diskutiert. Wie steht der ASB zu solchen Plänen?

Reifschneider: Wir sehen es als notwendig an, dass eine Reform kommt. Die Mitarbeiter müssen faire Löhne bekommen, aber auch die Kosten für die pflegebedürftigen Menschen dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Wir finden es schade, dass die Diskussion so wenig auf die Entbürokratisierung gelenkt wird. Seit vielen Jahren wird das angesprochen, die ersten Schritte wurden auch getan, aber zeitgleich wurden viele neue bürokratische Hürden geschaffen. Die Pflegenden haben sich für den Beruf entschieden, weil sie den Menschen helfen und nicht „bürokratische Monster“ bewältigen wollen.

Merken Sie, dass es in der Pflege deswegen weniger Nachwuchs gibt?

Ahrens: In den letzten Jahren hatten wir nie die Situation, dass wir keine Menschen gewinnen konnten, die eine Ausbildung bei uns machen wollten. Das Interesse ist nach wie vor da. In den ASB-Einrichtungen in der Region sind 50 Auszubildende tätig. Allerdings wird die Verweildauer in dem Beruf kürzer. Unter anderem wegen der vielen Bürokratie und zu vielen Dingen, die mit dem ursprünglichen Gedanken, Menschen helfen zu wollen, nichts mehr zu tun haben.

Zum Geburtstag gibt es pandemiebedingt keine große Feier, aber eine Spende. Wie kam es dazu?

Reifschneider: Wir hätten gerne den Geburtstag groß gefeiert, aber wir waren uns einig, dass wir das nicht verantwortungsvoll realisieren können. Gleichwohl haben wir uns entschieden, im Jahr unseres Jubiläums der Gesellschaft etwas zu schenken. Die Corona-Lage hat uns schnell gezeigt, wo der Bedarf ist. Präsenzunterricht war nicht mehr möglich, Schüler mussten auf digitale Lernformen zurückgreifen. Aber nicht alle haben dafür zuhause die notwendige Technik. Deshalb wollten wir gerne diesen Bereich unterstützen und haben mehreren Förderschulen insgesamt 100 Tablets zur Verfügung gestellt.

Ahrens: Für die Bewohner wird es aber in jeder Einrichtung ein kleines Jubiläumssommerfest geben. Diese Möglichkeit ist ja zum Glück wieder da. Die Veranstaltungen werden aber natürlich etwas eingeschränkter stattfinden, um die Sicherheit und die Hygiene wahren zu können.

>>>Drei Einrichtungen in Herne

In Herne hat der ASB drei Pflegeeinrichtungen und eine Wiedereingliederungshilfe. Zudem gibt es außerhalb Hernes drei Einrichtungen. Insgesamt arbeiten für den ASB in allen Bereichen circa 500 Mitarbeiter.

Die beiden Geschäftsführer Andreas Reifschneider und Tobias Ahrens sind seit 2019 im Amt.