Herne. Der Circus Schnick-Schnack ist auf Standortsuche. Zirkuschef Rainer Deutsch zeigt sich im Interview zuversichtlich: „Wir sind gut vernetzt.“
Ein Zirkus von Familien und für Familie, generationenübergreifend, inklusiv, offen für alle: So versteht sich der Circus Schnick-Schnack seit 25 Jahren. Jetzt soll er seinen Standort an der Roonstraße verlassen. Mit dem Vereinsvorsitzenden Rainer Deutsch sprach Ute Eickenbusch.
Herr Deutsch, Sie haben vor einigen Wochen bekannt gegeben, dass das Gelände an der Roonstraße verkauft werden soll. Wie ist da der Stand der Dinge?
Wir haben die Aussage, dass der Standort veräußert wird, zumindest zu einem großen Teil. Der Teil, auf dem die Zeltstadt steht, wird definitiv verkauft. Das Gelände gehört dem Internationalen Bund, der seine Liegenschaften gebündelt in Frankfurt verwaltet. Der IB vor Ort hat darauf keinen Zugriff. Das ist auch das Problem. Denn der IB vor Ort ist mit uns in den Prozess eingestiegen, diesen Standort gemeinsam weiterzuentwickeln.
Ist so ist das Konzept „Kulturinsel“ entstanden, in dem Sie Ihre Zukunftsvision entwickelt haben?
Genau. Das ist um die Jahreswende entstanden. Damals war noch die Idee, was kann man da eigentlich machen an dem Standort? Da gab es verschiedene Kooperationsgespräche und Ideen, mit denen wir weiterarbeiten wollten. Ende Januar kam dann das „Stopp“.
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Zukunftsvision Kulturinsel Herne
Die Kulturinsel soll ein Ort der Begegnung sein: mit Kulturcampus, Café, offen für eine interdisziplinäre Nutzung und interkulturelle Angebote sowie ein spartenübergreifendes Kulturprogramm. Als Heimat für Kulturschaffende bietet sie Ateliers und Werkräume, offene Probenräume, Tanz- und Theaterräume, Büros für Selbstständige, Besprechungsräume, Gemeinschaftsküche, Schlafmöglichkeiten, eine professionelle Bühne und Verwaltung. Als sozialpädagogische Angebote vor Ort denkbar sind u.a. ein offener Generationentreff, Kinder- und Jugendbetreuung, Ferienbetreuung und interdisziplinäre Angebote, Familienfeste und saisonale Angebote, Kindertagesstätte.
st dieser Standort nach wie vor ihr Favorit?
Wenn wir es uns aussuchen könnten, würden wir gerne dableiben. Das drückt auch das Papier, das wir entwickelt haben, aus. Wir sehen da schon große Chancen. Weil wir glauben, dass die Nähe zur Innenstadt zu Baukau und Horsthausen ein großer Ankerpunkt der Quartiersentwicklung sein könnte. Wir nehmen wahr, dass da viel Bedarf ist, bei Familien und bei Kindern, es gibt eine große Sehnsucht, einen Anlaufpunkt für das Quartier zu haben. Man könnte sich sogar vorstellen, die freie Kulturszene da zu etablieren. Da suchen auch alle Akteure händeringend nach einem Standort, die Liegenschaften sind ausgebucht und oft auch zu groß. Zusammen mit den offenen Angeboten für alle Generationen könnten wir uns das sehr gut vorstellen. Natürlich möchte ich dem Verein auch gerne ersparen, alles abzubauen und wiederaufzubauen.
Das Insel-Projekt ist ja ein Riesenprojekt. Ist das finanzierbar?
Wir gehen über die Idee an die Sache heran und gucken dann: Wo findet man Verbündete, die mit daran arbeiten wollen. Die ersten Signale, die wir zu dieser Idee haben, sind sehr positiv, bis hin zu Unternehmen, die das total spannend finden, etwas zu entwickeln, was als freier Standort in die Stadt hineinwirken kann. Ich glaube tatsächlich an die Zukunft dieses Standortes.
Dann müsste aber jemand gefunden werden, der Ihnen das Gelände kauft. Die Stadt zum Beispiel…
Erst mal müsste die Stadt sagen: Wir können uns vorstellen, dass das ein Ankerpunkt zur Quartiersentwicklung sein könnte. Weil wir am Ende darauf angewiesen sind, dass auch die Stadt das für erstrebenswert hält. Wenn das nicht so ist, wird eine Firma das kaufen, und dann hat man keinen Zugriff mehr darauf. Ob man einen Investor findet oder ob das die Stadt ist, wird man sehen müssen. Es gibt durchaus Interessenten aus dem Wirtschaftsbereich, die sich das als Investment vorstellen können, Unternehmer, die einen Impuls für die Stadt geben möchten. Das muss man miteinander besprechen, wenn das von der Kommune als Möglichkeit gesehen wird.
Sollte das nicht funktionieren: Was für ein Gelände brauchen Sie für Ihre Pläne?
Wir benötigen mindestens 1500 Quadratmeter für die Zeltstadt und bestimmte Rahmenbedingen: Wir brauchen eine Erschließung, wir brauchen in der Nähe Parkplätze, wir brauchen eine Einfriedung, damit uns nicht das Zelt leergeräumt wird. Es muss auch klar sein, dass mindestens 25 bis 30 Veranstaltungen im Jahr mit den Kindern dieser Stadt da möglich sein müssen. Das Umfeld muss das vertragen. Ich merke, dass diese Rahmenbedingen oft zu spät geprüft worden sind. Wenn klar ist, was wir brauchen, tun wir alle gut daran, dass wir erst einmal diese harten Fakten prüfen, und dann schauen, was gibt es für Optionen.
Es sind zwei Alternativvorschläge bekannt geworden: Die CDU hat das Gelände am Gasometer vorgeschlagen, die SPD ein Grundstück neben der Grundschule am Jürgens Hof.
Für beide Standorte gäbe es gute Gründe. Von der inhaltlichen Seite, was unser Netzwerk mit Schulen angeht, hätte ein Standort an einer Schule einen gewissen Charme. Genauso gut kann ich mir aber den Standort am Gasometer vorstellen, weil wir da den entsprechenden Platz haben, wir haben Parkplätze in der Nähe, den Vorteil, dass wir keinen stören würden und zentral lägen. Wir sind sehr dankbar, dass sich jetzt Politik Gedanken macht. Es ist aber wichtig, von der Faktenlage daran zu gehen. Weil es wenig Sinn macht, einer Partei eine bestimmte Idee zuzuschreiben, sondern eher, dass wir schauen, wo gibt es baurechtliche Möglichkeiten und dann diese Standorte wirklich näher in den Blick nehmen. Es wäre nichts fataler, als wenn daraus ein Parteienstreit entstünde.
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Und die Stadt?
Anfang Februar haben wir den Oberbürgermeister informiert, dass wir einen Bedarf haben. Ich habe verstanden, dass sich die Verwaltung jetzt auf den Weg macht, bestimmte Dinge zu prüfen. Und in dieser Kombination bin ich optimistisch, dass da Lösungen gefunden werden. Am Ende muss eine baurechtliche Genehmigung möglich sein – das zu prüfen, ist jetzt die Aufgabe.
Hat es geholfen, dass Sie angedeutet haben, man könne ja notfalls in eine andere Stadt ziehen?
Das möchte ich nicht als Druck verstanden wissen. Wir als Vorstand und ich als geschäftsführender Vorstand haben die Aufgabe, den Betrieb des Zirkus zu sichern und für die Mitglieder eine Alternative zu erschließen. Bis Ende April wollen wir auch mit den Mitgliedern ins Gespräch kommen, entweder wir können Möglichkeiten vorschlagen oder wir müssen uns ein Votum einholen, dass sie eine Alterative außerhalb Hernes mittragen. Wir sind ein Herner Verein und würden gerne in Herne bleiben, aber wir schließen das nicht aus. Dann müssen wir eben woanders ein Grundstück kaufen. Auch da sind wir mit Partnern in Gespräch.
Rainer Deutsch und der Circus
Rainer Deutsch (60) hat mit seiner Frau Heidemarie vor 25 Jahren den Circus Schnick-Schnack in Herne gegründet. Die erste Zeltwoche fand 1998 an der Langforthstraße in Horsthausen statt. Der Circus gestaltet generationenübergreifende Projekte für Menschen mit und ohne Handicap, Schnick-Schnack ist offen für Menschen aller Ethnien und Religionen. Die Standortfrage begleitet den Circus seit Jahren. Im Gespräch waren schon u.a. das Gelände an der Künstlerzeche Unser Fritz, die Emscherinsel und der Heisterkamp bis zum Gysenberg. Deutsch ist geschäftsführender Vorsitzender des Vereins. Hauptberuflich arbeitet er als Polizeibeamter im Bezirksdienst in Herne.Kontakt: info@schnick-schnack.de oder über www.schnick-schnack.de.
Selbst ein Grundstück zu kaufen wäre nicht möglich?
Nein, aber wir sind gut vernetzt und da gibt es durchaus Signale, dass gesagt wird: Uns ist eure Arbeit so wichtig, dass wir sie erhalten wollen. Genau so haben wir jetzt angefangen, über unterschiedliche Förderprojekte die Zeltstadt zu modernisieren. Die große Stärke des Zirkus ist die breite Vernetzung von Initiativen. Wir erhalten den Betrieb immer noch ohne institutionelle Förderung aufrecht, seit 25 Jahren. Und wir holen viel Geld über Fördertöpfe nach Herne, das den Herner Kindern zugutekommt.
Wann können Sie denn wieder mit den Kindern arbeiten?
Realistisch betrachtet: Bevor die Leute nicht durchgeimpft sind oder wir durch Testungen Veranstaltungen durchführen können, können wir so etwas wie eine Zeltwoche, wie sie zu Fronleichnam üblich ist, nicht machen, das ist vor dem Herbst unrealistisch. Wir werden aber versuchen, mit einzelnen kleinen Gruppen Corona-konform wieder das Training aufzunehmen, um die Osterferien herum, und Angebote für Schulen zu machen. Das war im letzten Jahr in den Lockdown-Phasen schon möglich, weil wir bildungspädagogische Angebote machen. Das Gute ist, dass wir eine breite Unterstützung der Mitglieder haben. Die bleiben bei der Stange und helfen weiter mit. So sind wir durch die Pandemie gekommen und stehen trotzdem noch sehr gut da.