Herne. Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech macht Hoffnungen auf einen Corona-Impfstoff. Doch Herner Mediziner sehen noch offene Fragen.

Seit Montag gibt es ein wenig Hoffnung darauf, dass die Corona-Pandemie in absehbarer Zeit abflaut. Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech und der US-Konzern Pfizer haben mitgeteilt, dass ihr Corona-Impfstoff in der laufenden klinischen Prüfung bislang zu mehr als 90 Prozent wirksam war. Bereits in den kommenden Wochen soll in den USA eine beschleunigte Genehmigung für das Mittel beantragt werden. So kommentieren Herner Mediziner die Nachricht.

Professor Santiago Ewig, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Infektiologie am evangelischen Krankenhaus in Eickel, hält es für bemerkenswert, dass es gelungen sei, in einer so kurzen Zeit ein völlig neues Impfprinzip zu entwickeln. Mit Blick auf die Studie sagt Ewig, dass sie die höchsten Qualitätsstandards erfülle. Sie sei mit einer großen Personenzahl durchgeführt worden und habe eine Placebogruppe. Die Wirksamkeit von 90 Prozent sei deutlich höher als das Ziel der WHO, die als Ziel 50 Prozent angegeben habe.

Hoffnung, weil auch andere Impfstoff-Kandidaten in Studien gute Daten liefern

Dennoch seien verschiedene Fragen noch offen, zum Beispiel: Kann der Impfstoff schwerwiegende Verläufe und Todesfälle verhindern? Wie wirkt er in den unterschiedlichen Altersklassen? Wie lange hält die Immunität an? Und da es sich um ein neues Impfstoffprinzip handelt, könne es naturgemäß noch keine Erkenntnisse über Langzeitwirkungen geben.

Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren. Ewig: „Es ist also noch ein wenig Vorsicht angebracht.“

Dennoch gebe es an anderer Stelle Grund zur Hoffnung: Auch einige andere Impfstoff-Kandidaten, die auf bekannten Prinzipien beruhten, zeigten sich in Studien gute Daten.

Alltag der Menschen wird sich nicht von einem auf den anderen Tag ändern

Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinische Klinik I für Allgemeine Innere, Nephrologie und Hypertensiologie, Gastroenterologie, Pneumologie am Marien Hospital, sieht eine mögliche Zulassung von Impfstoffen als wichtigen Schritt hin zu einer Entspannung der aktuellen Situation. Auch er verfolgt die Untersuchung mehrerer anderer Kandidatensubstanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen in den sogenannten Phase III-Studien. Die Mitteilung von Biontech stelle daher eine Art „Startschuss“ dar.

Liefervertrag mit EU unterschriftsreif

Die Bundesregierung hatte die Forschung von Biontech mit mit rund 375 Millionen Euro gefördert, einen unterschriebenen Liefervertrag gibt es jedoch noch nicht.

Laut EU-Kommission ist das Papier jedoch bereits fertig ausgearbeitet.

Auch wenn die Nachricht von Biontech und Pfizer eine gute gewesen sei, so sieht auch Westhoff die offenen Fragen: „Der Beobachtungszeitraum der Studie war notgedrungen kurz. Wir wissen also nicht, wie lange der Impfschutz anhält. Auch wissen wir nicht, ob der Impfschutz bei allen Risikogruppen gleich effektiv ist, zum Beispiel bei älteren Patienten.“

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Die Zulassung eines Impfstoffs werde leider nicht bedeuten, dass man von einem Tag auf den anderen wieder zur alten Normalität zurückfinden und die Masken ablegen könne. Der Erfolg der Impfung werde nicht nur von der Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Substanz, sondern auch von der Impfbereitschaft in Deutschland abhängen.

Allgemeinmediziner Dr. Roman Voß würde sich „definitiv“ impfen lassen. Auch er habe sich über die Nachricht von Biontech gefreut. Doch er ist sich im Klaren darüber, dass noch eine lange Durststrecke zu überstehen sei, bis der Impfstoff in der Breite der Bevölkerung angekommen ist. Mit Blick auf die Verteilung des Impfstoffs hofft Voß, dass man mit Impfungen an neuralgischen Stellen Blockaden aufbauen und Infektionsketten unterbrechen kann.

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