Herne. Die Kommunalwahlen in Herne haben einen langen Schatten: Es gab Streit um den Wahlkampf – und das Geschenk eines fairen Verlierers.

Die Kommunalwahlen in Herne haben einen langen Schatten: Es gab Streit um den Wahlkampf – und das Geschenk eines fairen Verlierers.

Fairer Verlierer

Große Geste: Der Verlierer der Oberbürgermeister-Wahl, CDU-Chef Timon Radicke, hat sich als fairer Verlierer gezeigt. Noch am Abend der Kommunalwahlen brach er am vergangenen Sonntag zur SPD-Wahlparty zu den Flottmann-Hallen auf, um dem wiedergewählten OB Frank Dudda zu gratulieren und ihm ein Geschenk zu überreichen. Und zwar: eine Ausgabe des Protokolls des SPD-Parteitags von 1908, auf dem die SPD den Acht-Stunden-Arbeitstag in ihr Programm aufgenommen hat. Ob das ein Hinweis ist? Einen Acht-Stunden-Tag, den wünscht sich OB Dudda nämlich manchmal schon.

Verschwendete Ressourcen

Vor den Kommunalwahlen haben die Parteien auch um die Gunst der Erstwähler gebuhlt. Die SPD hat dazu Adressen von Erstwählern bei der Stadt angekauft und sie angeschrieben. Im Umschlag lag ein Faltblatt auf Hochglanzpapier mit Riesen-Lettern „Gemeinsam können wir viel erreichen! Deine Stadt. Deine Wahl. Geht wählen.“ Leider, leider, haben auch 15-Jährige den Brief bekommen, die noch gar nicht wählen gehen durften. Siehe Sophie und Julian aus Börnig. Die ärgerten sich über unsorgfältige Arbeit und verschwendete Ressourcen. Oder, in den Worten von Sophie: „Was ist schlimmer: die Verarschung oder die Verschwendung?“

Raumgreifende Volksparteien

Neben Wahlbriefen sind auch Infostände vor Wahlen nicht totzukriegen. Kaum ein Supermarkt, vor dem keine Kulis verteilt wurden. Am Samstag vor der Wahl wurde es in Sodingen sogar so eng, dass die Grünen entnervt abzogen. SPD und CDU, so schimpften die Grünen, hatten nicht nur die genehmigten Infostände, sondern sogar Pavillons aufgestellt und sich damit zu breit gemacht – so dass kein Platz mehr gewesen sei. Für die kommenden Wahlkämpfe fordern die Grünen nun ein besseres Konzept von der Stadt. Was die Grünen mit den Kulis machen, die in Sodingen nicht verteilt werden konnten, ist nicht bekannt.

Dreiste Wiederholungstäterin

Nichts gewusst: CDU-Fraktionschefin Bettina Szelag.
Nichts gewusst: CDU-Fraktionschefin Bettina Szelag. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Anlässlich der Terminflut von Oberbürgermeister Frank Dudda in den Wochen vor der Kommunalwahl hatte bekanntlich auch CDU-Chef Timon Radicke die Stadtspitze kritisiert und an die vor Wahlkämpfen gebotene Zurückhaltung erinnert. Diese Zurückhaltung obliegt aber nicht nur Oberbürgermeistern und Stadtmitarbeitern, sondern auch Ratsparteien. Eine Woche vor der Kommunalwahl verstieß eine Ratsfraktion eindeutig gegen diesen Kodex. Und zwar: die CDU. Die Fraktion schaltete im „Wochenblatt“ eine mehrseitige Anzeige mit einer Bilanz ihrer Arbeit. Gegenüber der WAZ erklärte CDU-Fraktions-Chefin Bettina Szelag, nichts von diesem Gebot der Zurückhaltung zu wissen. Sie könne auch nichts Verwerfliches an dieser Anzeige finden, fügte sie hinzu. Nichts gewusst? „Das Gebot der Zurückhaltung sollte allen Fraktionen bekannt sein“, teilt Stadtsprecher Michael Paternoga nun auf eine zweite Anfrage der WAZ mit (bei der ersten Anfrage kurz vor der Wahl war die Prüfung des Vorgangs noch nicht abgeschlossen). Die Stadt verweist darauf, dass den Ratsfraktionen bei ihrer Öffentlichkeitsdarstellung Grenzen gesetzt seien; das gelte insbesondere unmittelbar vor Wahlen. Die Anzeige der CDU-Fraktion in der heißen Wahlkampfphase wertet die Stadt folgerichtig „als unzulässige Parteienwerbung“ und bestätigt, dass es bereits vor der Kommunalwahl 2014 einen vergleichbaren Vorfall mit der CDU gegeben habe. Und wie hat die Stadt das dreiste Vorgehen der Wiederholungstäterin geahndet? Mit einer Strafe, die die CDU-Fraktion sicherlich ähnlich beeindrucken wird wie das Platzen einer Bratwurst in St. Pauli: Wie schon 2014 gab es eine Rüge. Zur „Nichts gewusst“-Haltung von Fraktions-Chefin Szelag sei hier noch erwähnt: Fraktionsgeschäftsführer der Christdemokraten ist mit einer halben Stelle ein gewisser Markus Leckscheid. Die andere Hälfte seiner Arbeitszeit gehört der Stadtverwaltung Herne, bei der er Abteilungsleiter im Fachbereich Kultur ist.