Herne. Vor 50 Jahren wurde der Revierpark Gysenberg eröffnet – der erste Revierpark überhaupt. Fertig war der innovative Freizeitpark aber noch nicht.
Zehntausend Menschen waren am 4. Juni 1970 nach Herne gekommen, um bei bestem Wetter die Eröffnung des Revierparks Gysenberg mitzuerleben. Auf der Tribüne des neuen Wellenbads standen die Besucher dicht an dicht und verfolgten das bunte Treiben. „Diese Anlage“, sprach Oberbürgermeister Robert Brauner nach dem feierlichen Tusch ins Mikrofon, „ist ein großartiges Angebot an die Bürgerschaft, die Freizeit sinnvoll zu nutzen“, so berichtete die Herner Zeitung am Tag danach.
Der Revierpark Gysenberg, der vor 50 Jahren eröffnet wurde, war nicht nur der erste Revierpark überhaupt, sondern er stand für den Typus eines neuen, modernen Freizeitparks, speziell für die hart arbeitenden, aber nicht vom Grün verwöhnten Menschen im Ruhrgebiet. „Die Emscherstädte sind Habenichtse sowohl an landschaftlicher und städtebaulicher Schönheit wie an attraktiver Industrie und finanziellem Vermögen“, sagte OB Brauner, als die Idee für einen Freizeitpark reifte. Der Revierpark, so der spätere Name, sollte daran etwas ändern: Er werde, so Brauner, „die Krönung der städtischen Erholungsgrün-Politik“ – und „Herne schöner“, so zitieren ihn die Ruhr-Nachrichten am 20. Oktober 1967.
Herne: Die Landwirtschaft räumte das Feld für den neuen Revierpark
Im November 1967 unterschrieben der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, der spätere Regionalverband Ruhr (RVR) und die Stadt Herne den Gesellschaftervertrag zur Errichtung des Freizeitparks. Zu Beginn der Bauarbeiten im April 1968 pflanzte der OB symbolisch den ersten Baum. Dann rückten die Bauarbeiter an: Nach den Plänen des Essener Gartenarchitekten Herzmann, sagt Stadtarchivar Jürgen Hagen, sei auf einer ehemaligen landwirtschaftlichen Fläche von 20 Hektar eine künstliche Landschaft aus Terrassen, Rabatten und einer weitläufigen Rasenfläche entstanden, die der Topographie des alten Ruhmbachtales nachempfunden worden sei. „Die Landwirtschaft“, so Hagen, „räumte widerspruchslos das Feld.“ Direkt angrenzend: der über 50 Hektar große Gysenbergwald, der mit dem Park eine Einheit bilden sollte.
Herzstück des 18 Millionen Euro teuren Freizeitparks sollte das Freizeithaus für 350 Menschen mit Restaurant, Konferenz-, Veranstaltungs- und Hobbyräumen bilden, das schnell für Gymnastikkurse, Puppenbühnen, Diavorträge oder Konzerte genutzt wurde. Attraktionen zum Start waren unter anderem das Frei- und Wellenbad, die Eishalle und nicht zuletzt der Tierpark, den es im Gysenberg bereits gab.
Umplanungen und Hunderte von Regentagen sorgten für Verzögerungen
Bis zur feierlichen Eröffnung im Wellenbad war aber vieles in der neuen Parklandschaft noch nicht fertig, und manches kam später gar nicht, darunter ein geplantes Autokino. „Umfangreiche Umplanungen und Hunderte von Regentagen, die seit dem Baubeginn des Parks im Frühjahr 1968 zu verzeichnen waren, brachten immer neue Zeitverluste. Auch mit den Finanzen sah es nicht unbedingt rosig aus“, bilanzierte die WAZ am Eröffnungstag.
Immerhin: Das Wellenbad war am 4. Juni 1970 fertig, auch das Freizeithaus, noch nicht aber Eishalle, Go-Cart-Anlage, Picknickplätze, Gartenkegelbahnen oder Kneipp-Anlage. „Zu vollem prallen Leben erwacht der Revierpark erst 1971“, informierte die WAZ ihre Leser am Eröffnungstag. Und so war es auch: „Nach der Fertigstellung des Revierparks“, sagt Stadtarchivar Hagen, „erfreuten sich die Park-, Spiel- und Sportzonen großer Beliebtheit.“
Pleiten, Pech und Pannen zur Eröffnung
Zur Eröffnung des Revierpark Gysenberg gab es auch Pleiten, Pech und Pannen, über die die Herner Zeitung am 5. Juni 1970 berichtete:
„Denkwürdigste Szene“: Essens Oberbürgermeister Horst Katzor, Vorsitzender des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk (heute RVR), wollte in seiner Rede die Kritiker des „grauen“ Ruhrgebiets in ihre Schranken weisen und verwies auf den blauen Himmel über der Ruhr. Was Katzor nicht sah: In diesem Augenblick stiegen hinter ihm pechschwarze Qualmwolken von der Zeche Constantin auf.
„Größter Pechvogel der Eröffnungsschau“: Hernes FDP-Landtagskandidatin Armgard Seher. Sie holte auf dem Revierpark-Gelände ihren Parteifreund, Innenminister Willy Weyer, ab, der zur Eröffnung öffentlichkeitswirksam mit dem Hubschrauber eingeflogen war. Dabei stürzte sie – und zog sich ein „zerschundenes Knie“ zu.
„Peinlichste Entdeckung“: dass der neue Sprungturm im Freibad für sportliche Wettkämpfe gar nicht geeignet ist.
„Schmutzigste Vergeßlichkeit“: Es fehlten Papierkörbe an allen Ecken und Enden. Der Abfall der Besucher landete deshalb auf den Wiesen.
Im Angebot gewesen seien 18 Kleinspielfelder, zwei Spiel- und Liegewiesen, zwölf Tischtennisplätze, zwei Boccia-Bahnen, eine Rollschuhbahn, drei Kinderspielplätze, ein Wasserspielplatz, eine Unterstell- und eine Freiveranstaltungshalle, sechs Tanz-, Hobby- und Sondergärten sowie ein Grillplatz. Und: 900 Parkstühle, Liegen und Tische sowie Bänke und Sitzmauerabdeckungen für 500 Menschen hätten den Besuchern zur freien Verfügung gestanden.
Fertig, so Hagen, wurde der Park aber eigentlich nie: „Erweiterungen sollten in den nächsten Jahren folgen.“ Die Folge: Heute, 50 Jahre nach der Eröffnung, hat der Revierpark ein ganz anderes Gesicht. Und das, sagen die Betreiber, soll sich weiter ändern.
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