Herne. Der Umbau des Sodinger Bunkers zum We-House hat offiziell begonnen. Investor Gerd Hansen erläutert im WAZ-Interview die Projekt-Philosophie.
Vor wenigen Tagen hat der Umbau des Sodinger Bunkers zum We-House offiziell begonnen. Investor Gerd Hansen erläutert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann den Impuls zum Projekts und die Philosophie.
Herr Hansen, Archy Nova setzt ganz unterschiedliche Projekte bundesweit um. Was hat Sie daran gereizt, dicken Beton zu bohren?
Das liegt daran, dass wir konsequent ökologisch denken und bauen. Diese Betonmasse hat uns unheimlich gereizt, weil man sie wärmetechnisch aktivieren kann. Das wollten wir in Herne umsetzen, um den Heizenergiebedarf zu minimieren.
Aber hätte man ein Projekt mit dieser Philosophie nicht einfacher im Neubau umsetzen können?
Man kann zwar im Neubau mit Holz sehr energiesparend bauen, aber bei dem Bunker sprechen wir über 20.000 Tonnen Beton. Die führen dazu, dass das Gebäude extrem stabil ist, was das Klima angeht. Es wird nicht heiß und es wird nicht kalt da drin, und die Wärmeverluste durch Lüftung können wir gut durch eine Temperierung ausgleichen, die wir aus Abwärme gewinnen.
Es gibt auch andere Bunker, die umgewandelt worden sind. Wie ist der Unterschied zum We-House?
Zum einen gibt es den baulichen Ansatz, dass wir den Beton von außen temperieren und die Abwärme der Telekom-Anlage nutzen, zum anderen ist das gemeinschaftliche Wohnen das Thema. Jeder bekommt zwar seine eigene Wohnung, aber zusätzlich gibt es 300 Quadratmeter Gemeinschaftsflächen, die das gemeinschaftliche Leben inspirieren sollen.
Wie kam es eigentlich zur Idee, den Bunker umzuwandeln?
Wir hatten uns bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben für einen Bunker in Stuttgart beworben. Da haben wir angefangen, uns mit dem Thema Bunker zu beschäftigen. Dann haben wir die Ausschreibung des Bunkers in Herne mitbekommen. Wir haben uns beworben, weil der Bunker in Sodingen von der Bausubstanz mit dem Turm und dem flachen Teil sehr schön ist. Außerdem halten wir den Standort im Zentrum für hervorragend. Und wir haben uns ein Bild von Herne gemacht und empfinden die Stadt als tollen Ort, unter anderem, weil die Menschen uns gut gefallen und wir große Unterstützung bekommen. Wir sind sehr glücklich, hier bauen zu können. Wir gehen davon aus, dass unser Projekt den Ruf Hernes, der ja in den Medien nicht immer der beste ist, verbessern wird. Ich glaube, wir haben ein extrem herausragendes Projekt, das deutschlandweit Interesse erregen wird.
Welche Voraussetzungen genau erfüllt der Bunker für Ihre Pläne?
Einerseits steht er frei, andererseits befindet er sich baulich in einem guten Zustand. Er ist ja in der 70er-Jahren nochmal atombombensicher gemacht worden. Damals sind neue Türen- und Lüftungsanlagen hineingekommen, die wir zum Teil als Reminiszenz wiederverwenden wollen. Im Restaurant werden alte Lüftungsanlagen zu sehen sein. Im Gebäude werden die Bunkerschutztüren weiter sichtbar bleiben.
Sie haben gesagt, dass der Standort im Zentrum hervorragend ist. Besteht nicht die Gefahr, dass er in einem eher traditionellen Umfeld ein Fremdkörper ist?
Er ist ja jetzt ein Fremdkörper, durch die Umnutzung zum Wohnort wird er deutlich aktiver im Umfeld. Und es wird kein abgehobenes Klientel einziehen, sondern ganz normale Bürger aus Herne und Umgebung. Auch das Restaurant im Haus wird dazu beitragen, das Umfeld zu aktivieren und aufzuwerten.
Es gab schon sehr viele Anfragen. Jetzt sind zwölf Wohnungen vergeben. Sind Sie zufrieden mit dem aktuellen Stand?
Absolut. Wir haben uns auch selbst relativ viel Zeit gegeben, weil wir ein ausgeklügeltes Konzept entwickeln wollten. Stand jetzt sind wir bei 60 Prozent Vermarktung, und ich sehe überhaupt kein Problem, für die letzten 40 Prozent auch Bewohner zu finden. Und durch die Zuschüsse, die es gibt, kostet ein Quadratmeter nur etwa 2800 Euro. Das ist selbst für Herne für einen Neubau extrem günstig. Und hier bekommt man ein Passivhaus, was energieautark ist, was die Lebensmittelversorgung im Haus und zusätzliche Flächen wie Sauna und Gästezimmer hat. Offenbar hat noch nicht jeder erkannt, wie konkurrenzfähig wir sind.
Wie wählen Sie die Bewerber aus?
Im Moment finden wegen der Corona-Pandemie nur Videokonferenzen statt, bei denen sich die Interessenten vorstellen und die bisherigen zukünftigen Bewohner kennenlernen. Wir entscheiden dann gemeinsam, wie man sich ein Zusammenleben vorstellen kann, nicht nur nachbarschaftlich, sondern auch bei Aktivitäten wie gemeinschaftlichem Kochen und Essen.
Ganzheitliches Bauen seit 1984
In dem Sodinger Bunker sollen 25 Wohnungen in Größen zwischen 33 und 200 Quadratmetern entstehen. Die Bewohner sollen einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck hinterlassen und gleichzeitig höchste Lebensqualität genießen.
Auch der Kurt-Edelhagen-Platz wird umgestaltet. Dort wird ein Garten entstehen, zur Mont-Cenis-Straße hin soll er entsiegelt werden. Dennoch entstehen später mehr Parkplätze.
Investor Archy Nova aus Stuttgart beschäftigt sich nach eigenen Angaben seit 1984 mit ganzheitlichem Bauen. Dazu zählen eine Erdhügelhaussiedlung im Passivhaus-Standard oder eine sanierte Fabrik.
Informationen: https://we-house.life/
Spielt die richtige Mischung bei der Auswahl eine Rolle?
Ja, das ist auch bei der Auswahl der Bewerber das Hauptkriterium, wir möchten allen Generationen Platz bieten. Wir haben zum Beispiel zwei Mitbewohner, die im Rollstuhl sitzen, Senioren wie auch junge Familien. Oder Paare, die Kinder planen. Wir wollen aber noch drei, vier junge Familien und halten die entsprechenden Wohnungen extra frei. Da wir ein genossenschaftliches Modell haben, entscheiden die, die bereits dabei sind, wer noch dazu kommen soll.
Kann man auch als normaler Mieter einziehen?
Ja, es gibt zum Beispiel eine 7-Zimmer-Wohnung, die als Studenten- oder Senioren-WG gedacht ist. Dafür gibt es jetzt einen Käufer, der die Wohnung dann vermietet.
Ist das Gemeinschaftsprojekt nicht auch ein wenig ein Experiment mit ungewissem Ausgang?
Eigentlich nicht. Wir machen seit 20 Jahren Cohousing-Projekte, das größte ist die Rommelmühle in Bietigheim-Bissingen. Dort leben 120 Menschen, in Herne werden es etwa 60 sein. Da haben wir gute Erfahrungen gemacht. Wenn es richtig aufbereitet wird, gibt es einen großen Kreis an Menschen, der sich dafür interessiert. Unsere Stärke ist, dass wir alles, was zum gemeinschaftlichen Leben dazugehört, aus der Erfahrung vorhergedacht haben, bis hin zur hauseigenen App, mit der man alles organisieren kann. Deshalb glauben wir, dass wir keine Überraschungen erleben werden. Wir begleiten das Projekt ja auch nach dem Einzug weiter professionell.