Herne. 2019 hat Herne eine Verkehrswende beschlossen. Wo es aktuell Fortschritte für Radler gibt und welches Vorzeigeprojekt auf Eis liegt.

Im Februar 2019 hat der Herner Rat ein Konzept für klimafreundliche Mobilität beschlossen und damit das Signal zur Einleitung einer Verkehrswende gegeben. Die Umsetzung gerät jedoch immer wieder ins Stocken - nicht nur beim ÖPNV mit der Taktausdünnung der Linie 306. Zwar zeichnen sich aktuell deutliche Verbesserungen für den Radverkehr auf der Bochumer Straße ab, doch die Pläne für ein spektakuläres Vorzeigeprojekt auf der Sodinger Straße sind offenbar in der Schublade verschwunden.

Bochumer Straße wird zur Fahrradstraße

Radfahrer sollen auf der Bochumer Straße einen geschützten und drei Meter breiten Streifen mit durchgezogener Linie erhalten. Das soll für einen besseren Schutz sorgen.
Radfahrer sollen auf der Bochumer Straße einen geschützten und drei Meter breiten Streifen mit durchgezogener Linie erhalten. Das soll für einen besseren Schutz sorgen. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Der Planungsausschuss hat sich in seiner jüngsten Sitzung für die Errichtung eines gesicherten und drei Meter breiten Radfahrstreifens auf der Bochumer Straße von der Gräffstraße bis zur Bochumer Stadtgrenze ausgesprochen. Nach Widerstand aus der CDU hatte sich die rot-schwarze Ratskooperation auf die gemeinsame Zustimmung zu dieser nicht nur nach Ansicht der Grünen schon lange überfälligen Maßnahme geeinigt.

Auch das wurde auf Vorschlag der Verwaltung beschlossen: Auf der Bochumer Straße soll zwischen Hölkeskampring und Sodinger Straße eine sogenannte Fahrradstraßeeingerichtet werden. Diese Umwidmung beinhaltet unter anderem Einschränkungen für den motorisierten Verkehr und Verbesserungen für Radfahrer. So dürften Radler beispielsweise nebeneinander fahren. Außerdem will die Stadt die noch vorhandenen Aufpflasterungen („Berliner Kissen“) entfernen.

Schweigen zum Rückbau der Sodinger Straße

Ulrich Syberg (SPD), Planungsausschussvorsitzender und Bundes-Chef des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC), geht davon aus, dass schon bald weitere Fahrradstraßen in Herne eingerichtet werden. Die Reichsstraße und die Burgstraße in Eickel könne er sich beispielsweise ebenfalls als Fahrradstraße vorstellen. „In Herne läuft das bisher etwas schleppend“, sagt er. Dies habe aber weniger an der Verwaltung als vielmehr an der rot-schwarzen Ratskoalition gelegen. Inzwischen sei die SPD in Sachen Verkehrswende aber auf dem richtigen Weg, was sich auch im Kommunalwahlprogramm zeigen werde.

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Nicht schleppend, sondern gar nicht voran kommt der noch vor sechs Monaten als Vorzeigeprojekt gehandelte Rückbau der Sodinger Straße in Herne-Mitte. In einem Workshop hatten Bürger, Politik, Stadt und externe Experten diese Vision entwickelt: Der vierspurige Abschnitt der Sodinger Straße zwischen Berliner Platz und Hermann-Löns-Straße sollte auf zwei Fahrspuren zurückgebaut werden. Der zusätzliche Platz sollte vor allem Radfahrern und Fußgängern zugute kommen.

Grüne beklagen rot-schwarze Asphaltmauer

Verwaltung und Politik lobten damals das Modell über alle Maßen. Die Stadt kündigte an, an die Workshop-Ergebnisse anknüpfen zu wollen und konkrete Untersuchungen einzuleiten. Auch Bürger würden weiterhin einbezogen, so das Versprechen. Nach längerer Funkstille forderten die Grünen in der Februar-Sitzung des Planungsausschusses die Stadt in einem Antrag dazu auf, den Umbau der Sodinger Straße zu konkretisieren, Kosten und einen möglichen Zeitplan darzustellen und ein Verkehrsgutachten in Auftrag zu geben. Der Antrag wurde von SPD und CDU ohne Wortbeitrag abgelehnt; auch die Verwaltung schwieg.

Rückpass statt Torschuss

„Der Ball liegt im Spiel. Nun müssen wir ihn ins Tor schießen.“ Das sagte Planungsausschussvorsitzender Ulrich Syberg (SPD) im November 2011 über die Ideen für den Rückbau der Sodinger Straße.

Heute übt sich der Sozialdemokrat bei diesem Projekt eher im Rückpass: Hier seien erst einmal tiefergehende Untersuchungen und Analysen notwendig, sagt er auf Anfrage. Vielleicht seien Politik und Stadt damals in diesem Punkt öffentlich „zu schnell vorgeprescht“, räumt er ein.

Grundsätzlich gelte aber nach wie vor: Der Herner Straßenraum müsse vor allem zugunsten von Radfahrern und Fußgängern neu aufgeteilt werden, so Syberg.

„Die Asphaltmauer im Rat steht“ - so bewerteten die Grünen anschließend den Vorgang. Das sei ein „schwarzer Tag für das bürgerschaftliche Engagement in Herne“, sagte Grünen-Planungsexperte Rolf Ahrens. Offiziell begraben hat die Verwaltung das Projekt offenbar noch nicht. Auf Anfrage der WAZ erklärte die Stadt jetzt, die Realisierung des Planungsansatz weiter intern zu prüfen und die Ergebnisse bei positiver Tendenz in bereits vorhandene Umbauplanungen für diesen Bereich integrieren zu wollen. Aufgrund der Corona-Krise und der damit verbundenen Einschränkungen sei mit ersten Voruntersuchungen aber noch nicht begonnen worden. Eine „belastbare zeitliche Perspektive“ sei derzeit nicht möglich.