Herne. Das Herner Kulturleben steht still. Was das für Poetry Slammer und andere Kulturschaffende bedeutet, erklärt Chris Wawrzyniak von Wortlaut Ruhr.

Das Kulturleben in Herne steht derzeit still, und doch muss es irgendwie weiter gehen. In einem Gespräch von einem Homeoffice ins andere gibt Chris Wawrzyniak Einblicke in seine Tätigkeit als Kulturschaffender bei der Agentur für Poetry Slams, WortLautRuhr, und zeigt trotz angespannter Lage Optimismus.

Umsatzmöglichkeiten sehr eingeschränkt

Fühlt man sich als Kulturschaffender derzeit in finanzieller Sicherheit? „Ich denke, dass der allergrößte Teil der Menschen sich gerade nicht sicher fühlt", sagt Chris Wawrzyniak. "Die Finanzen sind ja nur ein Aspekt. Viel wichtiger ist doch jetzt zunächst die persönliche Unversehrtheit.“ An dieser Stelle seien Kulturschaffende sogar durchaus privilegiert: „Wir können so gut wie alle von zu Hause aus arbeiten und die Zahl der Kontakte wirklich auf ein absolutes Minimum herunterfahren.“

Wer das nicht könne, sei jetzt der Unsicherheit ausgesetzt, räumt Chris Wawrzyniak ein, der weiß, dass es finanziell eng werden könnte: „Derzeit können wir zwar noch sicher im Homeoffice arbeiten, doch auf Dauer gibt es nur sehr wenig zu tun, mit dem sich Umsatz in einem Umfang erzielen lässt, der einen Betrieb mit Angestellten unterhält.“ Derzeit seien das Team von WortLautRuhr und er damit beschäftigt, ins Internet umzuziehen und Formate so neu zu denken, dass sie dort funktionieren und ein Freizeit- und Unterhaltungswert bekommen, der im weitesten Sinne mit dem einer „Offline-Veranstaltung“ vergleichbar sei. „Wir sind guter Dinge, dass wir das hinbekommen.“

Grundsicherung wünschenswert

Dass sich über diesen Vertriebsweg kurzfristig ein vergleichbarer Umsatz erzielen lässt wie mit Live-Auftritten, wagt Chris Wawrzyniak aber zu bezweifeln. Bloß da zu sitzen und abzuwarten sei aber nicht der richtige Weg, und auch das einmalige Überbrückungsgeld von 2000 Euro, das NRW an freischaffende Künstler zahlt, lasse diese lediglich für einen Moment durchatmen. "2000 Euro sind in den Augen eines Angestellten zurecht sehr viel Geld. Als Selbstständiger bleiben von den Einnahmen allerdings eher 30 bis 40 Prozent hängen“, was in diesem Fall 600 bis 800 Euro bedeute. Womit man nicht so weit komme, so Chris Wawrzyniak.

Ein Hilfspaket, mit dem man arbeiten könne, stellt sich Wawrzyniak so vor: „Es sollte eine möglichst unbürokratisch zu erreichende Grundsicherung geben. Entsprechende Vorschläge dazu kursieren bereits. Diese muss die Bedingungen, unter denen Selbstständige arbeiten, anerkennen und berücksichtigen.“ Alle Kosten, etwa für Sozial- und Krankenversicherung, müssten selbst getragen werden. Dazu kämen Kosten wie z.B. Büromiete, Raten für Geschäftsausstattung, sonstige Versicherungen. „Einige wenige haben auch Rücklagen, meistens in überschaubarem Rahmen. Diese sollten keinesfalls angetastet werden.“ Sie seien aus mehreren Gründen existenziell wichtig: „Zum Beispiel gibt es bei uns keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Eine unerwartete Auftragsflaute kann schnell bedrohlich werden. Wer da zumindest ein bisschen vorgesorgt hat, sollte jetzt nicht bestraft werden.“

"Wir werden das als Gesellschaft bewältigen"

Erste Schritte seien getan. Das Kurzarbeitergeld für eine Mitarbeiterin und die Corona-Soforthilfe des Landes seien beantragt worden. Doch wie sieht es in Zukunft aus? „Grundsätzlich schaue ich stets optimistisch in die Zukunft", sagt Chris Wawrzyniak. "Wir werden das als Gesellschaft bewältigen. Ich hoffe sehr, dass wir aus dieser sehr schmerzhaften – und für viele auch verlustreichen - Erfahrung lernen werden, etwas demütiger werden.“ Sorgen mache er sich mehr um die Menschen, die ihm nahe stünden und zur Risikogruppe gehörten, und um die Menschen in Ländern und Regionen der Welt, die nicht über ein hochentwickeltes und gut ausgestattetes Gesundheitssystem wie das unsrige verfügten.

Mehr Infos

>>> Die Agentur WortLautRuhr verfügt über ein Portfolio an Künstlern und Künstlerinnen aus der Poetry-Slam-Szene und kann Moderator/innen, Schauspieler/innen, DJs und VJs vermitteln.

>>> WortLautRuhr ist seit Februar eine gemeinnützige GmbH. Geschäftsführerin ist Leah Zymny.

>>> Chris Wawrzyniak und Sebastian Rabsahl sind Gesellschafter und haben sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen.

>>> Online-Slam auf https://www.twitch.tv/videos/586604452

>>> https://www.wortlautruhr.com/