Herne. Ob Lungenkrankheit, Depression oder Sucht: Kontakte per WhatsApp und Telefon helfen Betroffenen in Herne. Persönliche Treffen ersetzen sie nicht.
Sich treffen, sich austauschen und zuhören – das alles tut uns gut, ist aber im Moment nicht in der gewohnten Form möglich. Nicht zum Sport zu gehen, keine Kurse zu besuchen, Freunde und Familie nicht sehen zu können, fällt uns allen nicht leicht. Um so schwieriger ist die Situation aber für diejenigen, die Halt in einer Selbsthilfegruppe finden. Sie haben andere Wege gefunden, Kontakt zu halten – ein Ersatz für das persönliche Treffen sei dies aber nicht.
Atemübungen werden per WhatsApp versandt
„Es ist für die Leute sehr wichtig, einmal die Woche zu kommen und Atemtechniken zu lernen“, erklärt Elke Golfmann, Leiterin der Selbsthilfegruppe Lungenkrankheiten und Herz. Für diejenigen, die länger dabei sind, sei es etwas einfacher, da sie die Übungen schon kennen. Um sich weiter zu unterstützen, verständigen sich die Mitglieder nun über eine WhatsApp-Gruppe. „Ich mache die Übungen vor, mein Mann filmt mich dabei und dann stelle ich sie in der Gruppe zur Verfügung.“ Golfmann rät, die Übungen vor einem Spiegel zu machen, um sich kontrollieren zu können und ihr Bilder zu schicken. „Natürlich wäre es besser, wenn wir uns sehen könnten – da kann ich einfacher korrigieren.“
Die Übungsleiterin für Reha-Sport hat selbst Asthma und weiß, wie es ist, mit der Luftnot umzugehen. „Im Moment ist es nicht schön, alle haben Angst, weil das Virus die Lunge betrifft.“ Zudem sei Heuschnupfenzeit: Dadurch falle es Lungenkranken noch schwerer einzuordnen, warum sie keine Luft bekommen. „Ich habe Telefonbereitschaft und versuche, so gut es geht, zu helfen.“ Sei es zu beruhigen, weil eine Sauerstofflieferung nicht pünktlich kommt oder denen beizustehen, die alleine sind. „Für die ist es besonders schlimm, weil sie ihren Tag so planen müssen, dass sie ihre Luft einteilen. Frühstücke ich erst oder putze die Zähne? Die Luft reicht nur für eines.“ Wichtig sei, Atemtechniken anzuwenden und richtig zu husten: „Beim Husten tief einatmen und dann nur drei Mal abhusten, sonst baut sich zu viel Druck auf.“ Insgesamt halte sich die Gruppe wacker.
Gefühl der Hoffnungslosigkeit
„Wir sind mit unseren Depressionen an vorderster Stelle mit den Gedanken“, beschreibt Brigitte Petereit die Situation. Die 71-Jährige leitet die Selbsthilfegruppe Depression und Angst. Sie hält Kontakt über WhatsApp und Telefon. „Ich muss ganz ehrlich sagen, ich habe schon viel durchgemacht im Leben, aber so hoffnungslos habe ich mich noch nie gefühlt.“ Eigentlich sei sie eher positiv eingestellt – trotz ihrer Depression – aber aktuell falle es ihr manchmal schwer, tröstliche Worte zu finden.
„Es macht mir vor allem zu schaffen, dass ich meine Kinder und Enkel nicht sehen kann.“ Auch der erste Einkauf mit der Abstandsregel war für sie eine Herausforderung. „Ich fand das so schrecklich und dann meckerte noch jemand wegen nichts“, sagt die Rentnerin. „Warum können die Menschen nicht einfach geduldig sein? Danach sind mir die Tränen gekommen.“
Antriebsschwierigkeiten, die oft typisch für Depressionen sind, habe sie nicht. „Ich rate allen, einen festen Tag zu planen, an Ritualen festzuhalten, dort spazieren zu gehen, wo es nicht so voll ist“, sagt Brigitte Petereit. Besonders schlimm sei es für die Alleinstehenden. Sie litten sehr unter der Situation. Es sei weniger die Angst zu erkranken, als die Umstände. „Wer sprechen möchte, kann mich anrufen.“
Suchtkranke halten Kontakt untereinander
Kontakt halten, ist bei Suchtkranken entscheidend. „Ich telefoniere gerade sehr viel mit den Klienten“, erklärt Florian Berger, Leiter der Informations- und Motivationsgruppe für Suchtkranke und Angehörige der Diakonie Wanne-Eickel. Einige seien gefährdet, einen Rückfall zu bekommen. „Durch die Gruppe fällt ein großer Baustein der Abstinenz weg. Wenn es so weiter geht, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der erste rückfällig wird.“
In der Krisenzeit ist Florian Berger von Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr telefonisch zu erreichen. Sollte der Zustand länger anhalten, will er sich mit dem Thema Videotelefonie auseinandersetzen. „Es ist gut, dass wir so Kontakt halten können, aber ich kann mein Gegenüber nicht sehen. Das fehlt.“ Aber nicht nur er ruft gezielt Klienten an, auch sie melden sich. „Das größte Thema aktuell sind aber Angehörige, die über häusliche Gewalt klagen.“ Suchtkranke trinken mehr, werden aggressiver, die Situation eskaliert schneller. Florian Berger hört zu, versucht zu vermitteln. „Ich weise auf Möglichkeiten der Entgiftung hin, und rate Kontakt zur Polizei oder dem Frauenhaus aufzunehmen. Die Situation ist einfach schwierig.“
Kontakte zu den Selbsthilfegruppen
>>> Lungenkrankheiten und Herz: Elke Golfmann, HER 25 433
>>> Depression und Angst: Brigitte Petereit, HER 39 88 727
>>> Informations- und Motivationsgruppe für Suchtkranke und Angehörige (Alkohol/Medikamente): Florian Berger, WAN 97 18 13