Marita Cramer ist FDP-Stadtverordnete in Herne und Realschullehrerin. Wegen Covid-19 wurde auch sie ins kalte Wasser geworfen worden: Sie arbeitet seit dem 14. März im Homeoffice. Und das berichtet sie über ihre ersten Eindrücke und Erfahrungen.

„Willkommen in der digitalen Welt mit einem ziemlich abrupten Start. Nach einer Vielzahl von Fragen bezüglich der Inhalte der Aufgaben und der technischen Probleme, die nur nach und nach ansatzweise gelöst werden konnten, konnte mein Abenteuer in der digitalen Welt beginnen. Leider sind die Schulen in NRW nicht auf dem gleichen Stand, was die mediale Ausstattung und die medialen Konzepte betrifft. Jede Schule löst die Herausforderung für sich und muss daher immer den Datenschutz und die Lizenzbestimmungen der Verlage im Blick behalten.

Nicht alle Schüler hatten elterliche Unterstützung

Welche Wege soll ich für die Aufgabenübermittlung wählen? Welche Kommunikationsplattform ist sicher? Wie viele Aufgaben sind den Schülern im „homeoffice“ zuzumuten? An erster Stelle steht, die Schülerinnen und Schüler nicht allein zu lassen, das heißt sie zu begleiten, ihnen Zuspruch und ihren Tagesabläufen Struktur zu geben. Aus meiner Erfahrung wurde dieser Ansatz in den letzten Wochen erreicht. In den Klassen 5-7 wurden eher Übungsaufgaben und Vertiefungsaufgaben gestellt, während die höheren Klassen schon gezielt auf ihre Abschlüsse vorbereitet werden mussten.

Das bedeutete, dass die Aufgaben auch prüfungsrelevant waren, was eigentlich nicht sein sollte, da nicht alle Schüler gleichermaßen erreicht werden konnten. Nicht alle Schüler konnten auf elterliche Unterstützung zurückgreifen und auch die mediale Ausstattung ist nicht überall gleich gut. (Gibt es einen Computer/Laptop in der Familie? Gibt es einen Drucker im Haushalt? Funktioniert das Internet störungsfrei?). Durch den Austausch der Mailadressen und der eigenen Handynummer konnten meine Schülerinnen und Schüler mich jedoch jeden Vormittag kontaktieren, um Hilfe bei der Bearbeitung der Aufgaben zu erhalten oder um Probleme zu besprechen.

Kaum telefonische Rückmeldungen von Schülern

An meiner Schule wurden die Aufgaben auf die Homepage der Schule gestellt und die Arbeitsblätter konnten dort heruntergeladen werden. Eine Vielzahl von Schülern hat auch die eigene Mailadresse angegeben, wodurch man jedem Schüler per Mail die Aufgaben schicken konnte. Das lief sehr gut. Gut lief auch die Einsatzbereitschaft der Lehrerkolleginnen und -kollegen, die offen für alle notwendigen Einsätze waren und sich untereinander austauschten und kooperierten. Was aber nicht so gut lief, war das fehlende Feedback der Schülerinnen und Schüler. Nur einige wenige nutzten die Chance zu telefonieren und nachzufragen oder eine Mail zu schicken. Von den meisten Schülern erhielt ich keine Rückmeldung, was nach 3 Wochen intensiver Arbeit etwas frustrierend und beunruhigend war.

Den Schülern, die sich gemeldet haben, fehlte der Kontakt zu den Klassenkameraden und den Lehrern. Sie empfanden viele digitale Angebote als interessant und abwechslungsreich und auch das selbstständige Lernen als eine Herausforderung, aber sehnten sich nach der Normalität. Die aktuelle Diskussion, um die Prüfungstermine und fehlende Prüfungssicherheit, ist eher kontraproduktiv, weil niemand in die Zukunft sehen kann. Gut, dass es auch auch vor dem Jahr 2006 Abiturzeugnisse und Abschlusszeugnisse gab. Waren die Abschlüsse vor dieser Zeit minderwertig? Waren die erzielten Leistungen so viel schlechter? Nein, bestimmt nicht. Qualitätsstandards gab es schon immer, nur waren die Prüfungen nicht so abhängig von Terminen und zentralen Forderungen.

Ein Konzept für den Ernstfall

Die Zentralen Prüfungen der 10er Klassen könnten ohne weiteres durch Klassenarbeiten ersetzt werden. Warum sollte dies im Ausnahmezustand nicht auch heute möglich sein? Bei den Abiturprüfungen ist dies natürlich bedingt durch den engen Zeitrahmen nicht so problemlos möglich, aber es wird hart an Lösungsstrategien gearbeitet.

Was auf jeden Fall für die Zukunft notwendig ist, ist die Erarbeitung eines Konzeptes für ein Homeschooling im Ernstfall. Die Verknüpfung sowohl zwischen der digitalen Welt als auch der analogen Welt unter der Präsenz der Lehrerinnen und Lehrer ist eine Zukunftsaufgabe. Denn nur eine gelungene Kombination ist die Grundlage für ein erfolgreiches Lernen.“