Herne. Hernes OB Frank Dudda fürchtet die Folgen der Coronavirus-Pandemie. Er glaubt, „dass uns dieser unsichtbare Feind auch brutal erwischen wird“.
Die Coronavirus-Pandemie weitet sich aus. Wie ist die Lage in Herne? Wie ist die Stadt vorbereitet? Dazu sprach die WAZ mit Oberbürgermeister Frank Dudda (56) am Telefon.
Die wichtigste Frage vorab: Wie geht es Ihnen?
Frank Dudda: Mir geht es gut. Ich bin ruhig, gelassen, fokussiert – und im Moment sehr robust.
Wie ist die Lage in der Stadt?
Erfreulicherweise ruhig. Viele Menschen halten sich an die neuen Regeln. Es ist für viele bei dem schönen Wetter aber verlockend rauszugehen – das sollten sie besser unterlassen.
Brauchen wir eine Ausgangssperre?
Die Bilder aus anderen Städten zeigen bei den Menschen noch sehr viel Unverständnis für die Situation. In Herne leisten wir unseren Beitrag, dass es zu keiner Ausgangssperre kommen muss. Aber das liegt letztlich natürlich nicht in unserer Hand.
Sie sagen, dass es erfreulicherweise ruhig ist in Herne. In vielen Supermärkten ist die Stimmung aber angespannt.
Mein Aufruf an die Menschen ist: Wir müssen endlich Respekt vor der Leistung der Supermarkt-Mitarbeiter, aber auch vor den älteren und schwächeren Kunden zeigen. Ich bin fast täglich im Supermarkt, um mir eine Kleinigkeit einzukaufen. Was ich da teilweise sehe, ist nicht in Ordnung. Da herrscht großes Gedränge, und es gibt ein rabiates Auftreten. Wir müssen uns darauf besinnen, dass Ältere und Schwächere Vorrang haben. Und es gilt, Abstand zu halten, nicht rum zu schnupfen. Die Mitarbeiter sind hochgefährdete Personen.
Auch Ihr Alltag hat sich auf den Kopf gestellt. Sie sind jetzt den ganzen Tag im Krisenmodus. Wie sieht der aus?
Die Krise ist viel, viel heftiger als all das, was ich bisher erlebt habe. Quasi im Minutentakt erhalte ich schlimme Nachrichten. Es drohen Insolvenzen, es herrscht Hilflosigkeit bei Menschen, die keine festen Einkommen haben, es gibt Unsicherheiten bei der Kinderbetreuung. Und den ganzen Tag über gibt es Telefongespräche und Telefonkonferenzen, etwa mit dem Regierungspräsidenten oder den anderen Oberbürgermeistern aus dem Ruhrgebiet, aber auch Treffen, zum Beispiel mit dem Krisenstab oder den Vertretern der städtischen Töchter. Alles in gebührendem Abstand, versteht sich.
Wie kann den Unternehmern, denen Einnahmen wegbrechen und Insolvenz droht, nun schnell geholfen werden?
Hilfe für Freiberufler muss ganz schnell aufs Gleis gesetzt werden. Da gibt es dramatische Situationen. Viele Menschen sind ja praktisch ohne liquide Mittel, etwa Künstler. Aber auch Geschäftsleute, die ihre Läden schließen müssen. Kurzarbeitergeld ist da gut und wichtig, wir Oberbürgermeister und Landräte im Ruhrgebiet fordern aber einen Hilfsfonds von Bund und Land. Kredite, wenn nicht sogar Soforthilfen des Bundes und des Landes müssten schnell ausgezahlt werden, am besten bis Ende des Jahres.
Ihr großes Ziel als Oberbürgermeister ist es, Herne nach vorne zu bringen, gerade auch wirtschaftlich. Wirft die Pandemie Ihre Pläne nun über den Haufen?
Natürlich. Aber man muss auch sagen: Der Bereich Logistik, auf den wir in Herne setzen und der von vielen kritisiert wird, der trägt dazu bei, das wir jetzt nicht in Panik verfallen müssen. Da sieht man mal, wie gut es ist, dass wir hier in der Stadt auf den Schwerpunkt Ernährung gesetzt haben: Es gibt kein Versorgungsproblem!
Droht Herne ein medizinisches Problem?
Nein. Wir haben eine Hochrechnung von den beiden Krankenhausträgern St. Elisabeth-Gruppe und Evangelische Krankenhausgemeinschaft vorliegen, dass wir – Stand heute – in Herne für 10.000 Infizierte gerüstet sind. Erst bei höheren Zahlen droht ein medizinisches Versorgungsproblem. Aktuell sind wir übrigens bei 13 bestätigten Fällen. Aber: Wir gehen davon aus, dass uns dieser unsichtbare Feind auch brutal erwischen wird.
Wie ist die intensivmedizinische Betreuung aufgestellt?
Die Sätze sind international bekannt: 2,5 Prozent der Infizierten müssen intensivmedizinisch betreut werden, davon muss voraussichtlich weniger als ein Prozentsatz beatmet werden.
Nach Spielplätzen und Freizeiteinrichtungen sollen nun auch die meisten Geschäfte schließen. Wie kontrolliert das die Stadt?
Wir setzten auf einen Mix aus Beratung, Aufklärung, aber natürlich auch auf Kontrolle. Wir werden nun überlegen, in welchen Kontrollrhythmen wir durch die Stadt gehen. Erste Kontrollteams sind schon unterwegs.
Wie wollen Sie die Funktionsfähigkeit der Stadtverwaltung aufrechterhalten?
Noch sind wir voll funktionsfähig. Wir brauchen aber jetzt Anker in der Stadt, und die Stadtverwaltung ist ein solcher Anker. Wir haben dafür Sorge getragen, dass nun im Rathaus ein zweites Krisenteam eingesetzt werden kann – für den Fall, dass es im Krisenstab Ausfälle gibt. Darüber hinaus werden wir alle wichtigen Funktionen in der Verwaltung doppelt besetzen, bis hin zum Leiter der Pressestelle oder meines Büroleiters. Außerdem wechseln Mitarbeiter, die wegen der Einschränkungen für Bürger in den Rathäuser an ihren Plätzen nicht mehr dringend gebraucht werden, in andere Abteilungen. Alle Mitarbeiter werden zur Aufrechterhaltung der Struktur gebraucht. Stark ergänzenden Bedarf haben wir etwa im Gesundheitsamt, im zentralen Diagnosezentrum, in der Ordnungsverwaltung. Unser Plan ist es, schrittweise einen Wechseldienst einzuführen. Kurz gesagt: Wir sorgen vor, wir sind gut gerüstet. Aber es wird noch bitter werden. Davon bin ich fest überzeugt.
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Noch ein Blick auf die Politik: Manche Städte frieren den politischen Betrieb ein. Warum Herne nicht?
Es gibt ja klare Erlasse, die festlegen, was nötig ist, um der Stadt ein Gerüst zu geben. Dazu zählen auch wesentliche politische Gremien. Wenn die Politik aber der Meinung ist, dass der Betrieb noch weiter heruntergefahren werden soll, dann kann sie sich melden. Ich bin jedoch der Meinung, dass es gut ist, dass sich die Politik von der Stadt jetzt über den Krisenmodus informieren kann und wir uns austauschen können. Es ist ein starkes Signal, dass wir zusammenstehen. Das ist doch das Gebot der Stunde.
Eingangs sagten Sie, dass es Ihnen gut geht. Falls das zwischenzeitlich nicht der Fall ist: Wer ersetzt den Oberbürgermeister?
Zunächst gilt das Kapitänsprinzip: Die Stadtspitze geht als Letztes von Bord. Im Fall der Fälle würde für mich Stadtdirektor Hans Werner Klee übernehmen.