Herne. Erbe oder Erbschleicher? Andreas Paschicke (59) aus Herne behauptet vor Gericht, der Halbbruder der verstorbenen Sängerin Andrea Jürgens zu sein.
Zweieinhalb Jahre nach dem Tod der in Wanne-Eickel geborenen Schlagersängerin Andrea Jürgens beschäftigt ein bizarrer Streit um das Erbe seit Donnerstag die Strafjustiz. Als eine Art Erbschleicher angeklagt ist der mutmaßliche Halbbruder der Verstorbenen. Laut Anklage hat der Herner Andreas Paschicke Dutzende private Gegenstände aus dem Nachlass gestohlen. Mit einer Speichelprobe hofft der 59-Jährige jedoch, seine Unschuld zu beweisen.
Angeklagter soll private Gegenstände beiseite geschafft haben
Rund ein Jahr nach dem tragischen Tod des bekannten Kinderstars der 1970er Jahre soll Andreas Paschicke aus dem Wohnhaus von Andrea Jürgens im benachbarten Recklinghausen zu Unrecht eine Vielzahl von privaten Gegenständen beiseite geschafft haben. „Um diese für sich zu behalten oder weiterzuverkaufen“, heißt es in der Anklage. Aufgelistet werden unter anderem fehlende Fotoalben, Kinderbücher, Schallplatten, Kleidung, Lohnunterlagen und Ordner.
Weil die Staatsanwaltschaft bezweifelt, dass der Herner überhaupt mit Andrea Jürgens verwandt war, hat sie Paschicke vor dem Schöffengericht Recklinghausen wegen besonders schweren Diebstahls angeklagt. „Er behauptete wahrheitswidrig, ihr Halbbruder zu sein und gab sich als Erbe aus“, so der Vorwurf. Tatsächlicher Alleinerbe sei aber der in Hamburg lebende Neffe der Verstorbenen.
Aus Prag bei Nachricht vom Tod zurück gefahren
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Dass er das Wohnhaus des Wanne-Eickeler Schlagerstars am 11. September 2018 im Beisein von Presse und Polizei betreten und die fraglichen Gegenstände mitgenommen hat, will Andreas Paschicke gar nicht bestreiten. Er habe aber keinesfalls stehlen, sondern sich nur um das angeblich verwahrloste Wohnhaus kümmern wollen. „Was ich mitgenommen habe, habe ich mitgenommen, aber nur, um festzustellen, was noch zu bezahlen ist“, erklärte der Angeklagte. Den Schlüssel habe er ja auch ganz offiziell von dem Nachlassverwalter bekommen. „Ich habe immer gesagt, ich bin der letzte Verwandte ersten Grades“, so der 59-Jährige.
Schwere Vorwürfe
Neben seinen eigenen Unschuldsbeteuerungen erhob Andreas Paschicke vor Gericht auch s chwere Vorwürfe gegen Bekannte und Verwandte von Andrea Jürgens.
„Als ich im September 2018 gemeinsam mit der Polizei in das Haus gegangen bin, war fast alles leergeräumt. Die ganzen Trophäen, die goldenen Schallplatten, alles war geklaut“, sagte der Angeklagte. „Auch die ganzen Schuhregale waren leer. Und die Sachen, die Andrea immer getragen hat, trägt heute ihre Cousine.“
Andrea Jürgens war am 20. Juli 2017 im Alter von 50 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben.
Bis auf die Verbüßung mehrjähriger Betrugs-Haftstrafen will der massiv vorbestrafte Herner seine mutmaßliche Halbschwester über die Jahre hinweg auch regelmäßig gesehen haben. Zuletzt im April 2017. „Als sie dann im Juli 2017 gestorben ist, da war ich gerade in Prag und bin sofort zurückgefahren“, erinnerte sich Andreas Paschicke. Obendrein sei er bis heute noch Fan-Kümmerer, bedrucke Foto-Shirts und kämpfe für eine „Andrea-Jürgens-Straße“ in Herne.
Speichelproben im Gerichtssaal genommen
Berechtigter Erbe oder dreister Hochstapler? Um klären zu können, ob der Angeklagte nun tatsächlich mit Andrea Jürgens verwandt ist, griff das Gericht zu einer so wohl noch nie dagewesenen Sofort-Maßnahme. Auch um eine denkbare Exhumierung des 2010 verstorbenen Vaters von Andrea Jürgens zu vermeiden, wurden noch im Gerichtssaal einverständlich von Andreas Paschicke und dem aktuellen Alleinerben (36) Speichelproben abgenommen. Beide Männer legten nacheinander vorne am Richterpult ihre Personalausweise vor und ließen sich durch einen Kriminalpolizisten mit einem Wattestäbchen den Mundraum abstreichen. Diese versiegelten Röhrchen sollen nun in den kommenden Monaten von der Essener Gerichtsmedizin untersucht werden.
Sollte die Halbbruder-Behauptung von Andreas Paschicke nämlich stimmen, dann müssten er und der Neffe von Andrea Jürgens verwandt sein und die gleichen väterlichen Gene haben. Weil mit einem Ergebnis des Gen-Test allerdings erst in einigen Monaten zu rechnen ist, wurde der Prozess auf unbestimmte Zeit unterbrochen.