Herne. Es ist nie zu spät, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln, findet Andrea Eisenhardt. Sie bietet Kurse für „Best Ager“ in der Dance Area an.

Der Traum vom rosa Tutu ist ausgeträumt, die Sehnsucht nach dem Ballett geblieben. Wenn Frauen im „besten Alter“ an der Stange stehen, tragen sie Gymnastikhose und T-Shirt. „Fixiert einen Punkt, dass ihr nicht umfallt“, ruft ihnen Andrea Eisenhardt gerade zu, mehr oder wenig schwankend auf einem Bein leisten die Ballettschülerinnen ihren Ansagen Folge. Im Oktober hat die Leiterin der Schule für Bühnentanz es einfach mal probiert und einen Ballettkurs für „Best Ager“ angeboten. Mit überraschender Resonanz: Zehn Frauen zwischen 31 und 65 Jahren lassen sich jeden Dienstag von der ehemaligen Bühnentänzerin unterrichten.

Training an der Stange: Teilnehmerinnen des Kurses „Ballett für Best Ager
Training an der Stange: Teilnehmerinnen des Kurses „Ballett für Best Ager" in der Dance Area. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Trippelnd durch den Raum

Es läuft Ballettmusik vom Band, Klavier mit leicht poppiger Note. Peu à peu führt Andrea Eisenhardt neue Schritte ein, wie gerade die „Ronds de jambe à terre“, beschreibt einen Halbkreis mit dem rechten Fuß, zieht ihn gerade nach vorne, vier Mal, fünf Mal. „Es ist wichtig, dass ihr mit dem linken Knie zur Seite geht“, gibt sie den Elevinnen mit.

Elemente des klassischen Tanzvokabulars werden einstudiert, schon Gelerntes wiederholt und zu kleinen Choreografien zusammengefügt. Gerade trippeln die Frauen aus allen Ecken des Raumes in die Mitte, die Arme hebend und senkend. „Elfengleich“ frotzelt eine. „Jetzt probieren wir das mit dem Kreis“, kündigt Andrea Eisenhardt die nächste Übung an.

Nach Jahrzehnten Pause wieder eingestiegen

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Die einen knüpfen an den Ballettunterricht ihrer Kinderzeit an, wie Conny Dahl-Jörgensen, die nach Jahrzehnten Pause mit über 60 im Oktober wieder eingestiegen ist – zusammen mit ihrer Freundin Tina Dzierla, für die Ballett unterdessen komplettes Neuland war. Gudrun Bosbach nimmt seit acht Jahren Ballettunterricht in der Dance Area und tanzt seit 16 Jahren Flamenco. „Man fühlt sich gut, wenn man nach Hause geht“, sagt sie, „dann hat man den Kopf wieder frei.“ Maren Jakobs, die Jüngste in der Truppe, hat durch den Tanzunterricht ihrer kleinen Tochter zur Dance Area gefunden. „Ballett ist ein unterschätzter Sport“, scherzt sie, und Barbara Wilk bestätigt: „Das verlangt auch Kraft.“

Mehr Infos zur Dance Area

Der Kurs „Best Ager im Ballett“ wird dienstags von 19 bis 20 Uhr in der Dance Area, Bahnhofstraße 41 (i-Punkt) angeboten

Der „Schauspielkurs für Best Ager“ schließt sich an: dienstags von 20 bis 21.30 Uhr.

Beide Kurse kosten monatlich 38 Euro.

Mit einem „Step-Kurs für Best Ager“ will Andrea Eisenhardt die Palette ab 13. Mai erweitern. Los geht es mittwochs um 14.30 Uhr (bis 15.30 Uhr). Kosten für sechs Termine: 75 Euro.

Anmeldungen unter 02323/ 964 5959 oder 0173/ 7129553 oder per mail an dance_area_herne@yahoo.de.

Mehr Infos auf der Website https://www.dancearea.org/

Der Kurs setze keine Vorkenntnisse voraus, sagt Andrea Eisenhardt, sie schadeten aber natürlich nicht. „Der Körper erinnert sich.“ Spaß zu haben „ohne Druck“, sei erst einmal die Hauptsache. „Wer mehr erreichen will, kann auch in einen anderen Kurs wechseln.“ Zu spät zum Anfangen sei es nie. Sie weiß von über 80-Jährigen, denen das Ballett sogar gut tue: „Sie spüren ihren Körper wieder.“

Und während im Ballettsaal die letzten Töne verhallen, warten auf dem Flur schon die nächsten „Best Ager“. Sie eint die Lust am Schauspielen, befeuert in ihrer Leidenschaft werden sie von Sebastian Bös. Der 30-jährige hat in Bochum ein Masterstudium in „Szenische Forschung“ abgeschlossen, viel Erfahrung im Improvisationstheater und steht in der Dance Area seit zwei Jahren Andrea Eisenhardt als Schauspieldozent zur Seite.

Zecken auf dem Rücken: Anke Uzoma, rechts, und Josef Koll im Kurs „Schauspiel für Best Ager
Zecken auf dem Rücken: Anke Uzoma, rechts, und Josef Koll im Kurs „Schauspiel für Best Ager" in der Dance Area. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Viel Spaß beim Improvisieren

Aufwärmen, Improvisation, Szenenstudium: So gestaltet er dienstags in der Regel die 90 Minuten mit seinen fünf Leuten. Es wird viel gelacht bei den Improvisationsübungen, etwa als sich Josef Koll (62) und Anke Uzoma (55), im richtigen Leben ein Ehepaar, auf Kommando in Raumfahrer verwandeln sollen. „Ihr seid zwei Astronauten und ihr seid auf dem Mond“, hat Bös ihnen mitgegeben, und jetzt schweben sie durch den Saal und müssen auf immer neue Befehle („Josef, du hast Zecken im Anzug“) reagieren, was sie mit viel komödiantischem Talent meistern.

Koll und Uzoma haben Bühnenerfahrung, beide spielen beim Kleinen Theater unter anderem im „Petersilienmörder“ und konnten dort schon von den Tipps ihres Lehrers profitieren. Koll hat zudem bereits etliche Rollen bei den Jahresshows der Dance Area übernommen, vom Großvater bis zum Götterboten. „Das war beeindruckend“, lobt Sebastian Bös die improvisierte Szene, „ich hab euch das voll abgekauft.“

Dozent Sebastian Bös, Mitte, mit den Kursteilnehmerinnen Christa Herzog, rechts, und Anke Uzoma bei einer Improvisationsübung.
Dozent Sebastian Bös, Mitte, mit den Kursteilnehmerinnen Christa Herzog, rechts, und Anke Uzoma bei einer Improvisationsübung. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Persönlichkeit entfalten

Anders als im Amateurtheater steht in dem Schauspielkurs keine Aufführung im Mittelpunkt, sondern erst einmal das Handwerk. Körperbewusstsein, Atmung, Stimmtraining gehören dazu. Was auch ohne Vorerfahrungen klappt, wie Christa Herzog (62) versichert, die Bös über einen Schulkurs kennenlernte und sich gleich bei den „Best Agern“ anmeldete. „Er motiviert so gut, dass man über seinen Schatten springt.“

Was die Teilnehmer angeht, ist noch Luft nach oben. Bis zu zehn würde Sebastian Bös unterrichten. „Unter einem Theaterkurs können sich viele nichts vorstellen“, glaubt er. Dabei helfe das Spielen, „die eigene kreative und künstlerische Persönlichkeit zur Entfaltung zu bringen“, ist er überzeugt. Oder wie Josef Koll es ausdrückt: „Entdecken, was ich kann.“