Herne. Für Yvonne Karnath ist Silvester ein besonderer Tag. Silvester 2015 brach sie nach Bangkok auf - und reist seitdem fast ununterbrochen.
Wenn zu Silvester um 0 Uhr in Herne das Jahr 2020 mit knallenden Korken und bunten Raketen begrüßt wird, dann hat Yvonne Karnath noch ein paar Stunden Zeit. Die Wanne-Eickelerin verbringt den Jahreswechsel in Mexiko-City. Die Millionenstadt ist eine weitere Station einer ungewöhnlichen Reise, die an Silvester vor vier Jahren begann.
Damals, Silvester 2015, brach die heute 27-Jährige zu einer Reise nachBangkok auf, die ursprünglich sechs Wochen dauern sollte - und im Grunde immer noch nicht beendet ist. „Es war immer mein Traum zu reisen“, sagt sie im Whatsapp-Telefonat mit der Herner WAZ-Redaktion (dessen akustische Qualität so gut ist, dass man auf die Idee kommen kann, dass es ein Ortsgespräch ist). Vor vier Jahren habe sie beschlossen: „Jetzt oder nie.“
40 Stunden in der Woche vor dem Computer waren nicht ihre Vorstellung vom Leben
Den Impuls, aus dem Alltag auszubrechen, habe im letzten Semester ihres Studiums ein Online-Marketing-Praktikum in Berlin geliefert. 40 Stunden in der Woche am Computer zu sitzen, das sei nicht ihre Vorstellung vom Leben gewesen. Also machte sie sich auf die Reise, um sich zu finden, wie sie auch auf ihrer eigenen Internetseite schreibt. Sie fand offenbar das Leben, von dem sie immer geträumt hat.
In den sechs Wochen Thailand entwickelte sich eine eigene Dynamik. Weil sie schon mal in jener Ecke der Welt gewesen sei, habe sie sich entschieden, sich auch noch Kambodscha und Vietnam anzuschauen. Danach bog sie nach Australien ab. Und aus den sechs Wochen wurde schließlich ein Jahr.
Per Whatsapp oder Skype täglich Kontakt zu ihren Eltern
Für ihre Eltern - Yvonne Karnath ist Einzelkind - sei diese Entscheidung gerade in der ersten Zeit nicht einfach gewesen, doch das habe sich im Laufe der Zeit gebessert. Auch für sie selbst muss die lange Zeit weit weg von Zuhause manchmal eine Herausforderung sein. Sie selbst bezeichnet sich als Familienmensch. „Aber auch extrem neugierig und abenteuerlustig“, fügt sie an. Auch sie habe manchmal Heimweh, allerdings habe sie täglich Kontakt zu ihrer Familie. Sei es per Whatsapp oder per Skype. „Meine Eltern reisen quasi mit mir.“ In diesem Jahr sei sie zum ersten Mal nicht zur Jahreswende zu Hause. In den vergangenen Jahren sei sie immer für einen Monat nach Wanne-Eickel zurückgekehrt. Danach habe es sie wieder in die Ferne gezogen.
Yvonne Karnath ist offiziell Alleinreisende
Yvonne Karnath hat während ihrer Reisen zahlreiche Bekanntschaften gemacht, einen richtigen Freundeskreis habe sie jedoch nicht. Sie selbst bezeichnet sich als Alleinreisende.
Die Frage, ob sie als Alleinreisende nicht teilweise gefährlich lebe, beantwortet sie so: Man müsse schlau sein und ein Gefühl für die jeweilige Situation entwickeln. Einmal sei sie ausgeraubt worden - mitten am Tag in Santiago de Chile
Die Liste der Länder, die sie mittlerweile besucht hat, ist stattlich. Neben Kenia, Uganda, Belize, Guatemala, Kolumbien, Peru oder Nepal findet sich auch die Antarktis auf der Liste. Ihr Ziele wähle sie willkürlich aus, manchmal sei es der Zufall, durch den sie auf ein Land stoße, das sie interessiert. Ist sie erstmal unterwegs, versuche sie „in einer Ecke“ zu bleiben.
Nachhaltigkeit spielt für sie eine große Rolle
Längst ist Yvonne Karnath nicht mehr im Touristenmodus unterwegs. Das heißt: Hotels sind nicht ihr Quartier, manchmal bekommt sie freie Kost und Logis, wenn sie ehrenamtlich in einem Projekt arbeitet. Ansonsten können Hostels oder AirBnB-Wohnungen als Unterkunft dienen. Auch wenn Reisen zu anderen Kontinente das Fliegen unvermeidlich macht: Für Yvonne Karnath spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. Sie selbst verwende beispielsweise eine Holzzahnbürste und Shampoo am Stück. Ansonsten versucht sie, vor Ort beim Umweltschutz zu helfen. So habe sie beim Tauchen gleichzeitig das Meer gesäubert, in Kolumbien habe sie in einem Projekt beim Plastikrecycling geholfen.
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Stellt sich die Frage, wie Yvonne Karnath ihre Reise finanziert: Einerseits bringe ihr Blog, den sie schon vor zehn Jahren gestartet hat, ein paar Einnahmen, die allerdings nicht über Taschengeldbeträge hinausgehen. Andererseits habe sie Kunden in Deutschland, für die sie textet, Internetseiten oder Blogs betreut. Die 27-Jährige gehört also zu jener Gruppe, die man seit einiger Zeit als digitale Nomaden bezeichnet. Sie selbst hört den Begriff allerdings nicht gern.
Und wann endet die Reise, die nun vier Jahre andauert? Es könne gut sein, dass sie sich irgendwo eine Basis aufbaut - sei es in ihrer Heimatstadt Wanne-Eickel oder an ihrem Studienort Bonn -, doch „mit dem Reisen werde ich nie wirklich aufhören“.