Im Ev. Krankenhaus Herne stehen 38 Grüne Damen und Herren den Patienten zur Seite. Wenn sie selbst nicht weiter wissen, hilft die Supervision.
Wenn Tanja Dammhayn ihre Schicht beginnt, zieht sie als erstes ihren grünen Kittel über. Dann geht es auf die Station, meistens ist das die E 3 oder die 1 A des Ev. Krankenhauses an der Wiescherstraße, die Stationen für die Innere Medizin. Ein Gespräch mit der Schwester, und die „Grüne Dame“ weiß, wer ihren Besuch heute besonders nötig hat. Weil er oder sie eine unruhige Nacht hatte oder auf eine Untersuchung wartet, die verschoben worden ist, oder weil sich das ganze Leben durch die Krankheit ändert. Die 49-Jährige hat etwas Kostbares, was dem Pflegepersonal fehlt: Zeit und Ruhe.
„Es gibt viele Patienten, die keine Familie haben oder deren Angehörige nicht in Reichweite sind“, erklärt Katharina Henke. Andere hätten viel Besuch, wollten aber ihre Angehörigen nicht belasten. Die Krankenhausseelsorgerin koordiniert seit 1990 den Freiwilligendienst und ist Ansprechpartnerin für die ehrenamtlichen Kräfte, wenn diese an ihre Grenzen kommen. 38 Frauen und Männer sind es momentan, mit unterschiedlichen Aufgaben, davon drei mit Migrationshintergrund. Ein Teil ist wie Tanja Dammhayn im Besuchsdienst, andere laden zum Gottesdienst ein, kümmern sich um die Kleiderkammer oder die Patientenbücherei, wie Rosemarie Papenheim.
Die Grünen Damen und Herren
Seit 50 Jahren besuchen bundesweit mehr als 7.600 ehrenamtliche Grüne Damen und Herren kranke und hilfebedürftige Menschen in 529 Krankenhäusern und Altenhilfe-Einrichtungen.
Der Arbeitseinsatz der Ehrenamtlichen am Ev. Krankenhaus wird im Gespräch geklärt. In der Regel nehmen sich die Grünen Damen und Herren einmal in der Woche für zwei bis drei Stunden Zeit.
Fahrtkosten werden vom Krankenhaus erstattet. Während des Dienstes sind sie unfall- und haftpflichtversichert. Am Tag Ihres Einsatzes können sie im Krankenhaus kostengünstig essen.
Bevor sie selbstständig einen Dienst übernehmen, werden die Ehrenamtlichen von einer erfahrenen Mitarbeiterin eingewiesen.
Kontakt: Pfarrerin Katharina Henke 02323 498-2301 oder katharinahenke@onlinehome.de
Neue Aufgabe für den Ruhestand
Die 65-Jährige war früher in der Wirtschaft tätig und suchte vor fast zehn Jahren für den Ruhestand nach einer neuen Aufgabe. Seitdem belädt sie einmal in der Woche ihr Wägelchen und fährt über die Stationen. Ein paar Bestseller, Krimis, Sachbücher, auch einen Western packt sie mal drauf. Wenn jemand Lesestoff braucht, weiß sie, was sie empfehlen kann.
Doch es geht um mehr als um Literaturtipps: „Das Buch ist das Medium, um mit den Patienten ins Gespräch zu kommen“, sagt Rosemarie Papenheim. „Mir sind die Menschen wichtig.“ Dass jemand einen Wunsch äußert, ist eher selten. Mit den kürzeren Liegezeiten sieht die Ehrenamtliche die Kranken oft kein zweites Mal. „Viele bringen auch Bücher mit oder einen E-Reader“, hat sie festgestellt. Wer fit ist, kann sich auch in der Bücherei im Erdgeschoss etwas aussuchen, das Angebot nutzen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses.
Krankenhausseelsorgerin leitet die Supervision
Zwischen Ärzten, Pflegepersonal und Kranken ihren Platz zu finden, ist für die „Grünen Damen“ nicht immer ganz einfach. In der großen Runde können sie deshalb einmal im Monat loswerden, was sie auf den Stationen erleben. Seelsorgerin Katharina Henke leitet die Supervision einfühlsam und mit Humor. Es wird viel gelacht. Gerade steckt sie - vor sich hinmurmelnd - die Nase in ein Buch: Ärztin bei der Visite! „Wie bekommt der Patient die Aufmerksamkeit des Arztes?“, fragt sie in die Runde der Ehrenamtlichen. Denn das ist etwas, was die Kranken gegenüber den Grünen Damen häufig beklagen: dass die Ärzte durchrauschen, und es keine Chance gibt, sie etwas zu fragen. Mit den Ehrenamtlichen spielt die Pfarrerin Möglichkeiten durch, wie sie die Patienten in ihrem Anliegen unterstützen können. Aber auch die Situation der Mediziner spricht Katharina Henke an, ihren Zeitdruck, ihre Sorge, „sich zu sehr reinziehen zu lassen“ und die Vielzahl ihrer Aufgaben.
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Nicht alles ist erfreulich, was die Grünen Damen erleben. Fordernde Patienten, genervte Schwestern, Stress überall. Oft sind sie dazwischen. In der Supervision lernen sie, die Dinge von allen Seiten zu sehen. „Was denken Sie, wenn Sie hören, es ist kein Arzt zu sehen?“, fragt Henke. Vielleicht war er da, als der Patient nicht da war, vielleicht wurde er oder sie nicht als Arzt erkannt …
„Ich bekomme sehr viel zurück“
Bei Tanja Dammhayn, vor ihrer Familienphase Verpflegungsassistentin im EvK Castrop-Rauxel, überwiegt trotz der einen oder anderen schwierigen Situation das Gefühl, etwas Gutes zu tun. „Ich habe gemerkt, dass ich sehr viel zurück bekomme“, sagt sie, „viel Dankbarkeit. Das motiviert mich immer wieder neu.“ Wieviel Zeit sie sich an den ein oder zwei Tagen Dienst im Krankenhaus für jeden einzelnen nimmt, entscheidet sie selbst: „Manchmal sind es fünf Minuten, mal aber auch eine halbe Stunde.“