Herne. Sie wollte nicht ihr Leben lang auf der Baustelle bleiben: Deshalb hat Ann-Kathrin Bodenröder (23) ihr Abitur nachgeholt – mit „Abi online“.

Nach der Schule hat Ann-Kathrin Bodenröder zunächst eine Ausbildung im Garten- und Landschaftsbau gemacht. „Da habe ich mich aber nicht so wohl gefühlt, weil es sehr von Männern dominiert war“, erzählt sie. Nun hat sie ihr Abitur nachgeholt - mit 23 Jahren.

So sollte sie beispielsweise bei einer Stelle einen schlechteren Lohn erhalten als ihre männlichen Mitbewerber, sagt sie. Auch sei es nicht gerngesehen gewesen, wenn man offen über eine künftige Familie nachgedacht habe. „Ich möchte auf jeden Fall Kinder haben“, stellt sie klar. „Deshalb habe ich mich entschieden, etwas anderes zu machen.“ Hinzu kam, dass ihr Job auch körperlich auf Dauer schwer geworden wäre. Nach der Lehre hatte die junge Frau zwei Bandscheibenvorfälle.

Nach Herne kam sie über Umwege

Zunächst überlegte Ann-Kathrin Bodenröder, ein Studium im Bereich Garten- und Landschaftsbau zu machen. Aber da habe sie keine Jobgarantie und wisse nicht, ob sie nicht wieder auf der Baustelle lande: „Ich wollte nicht mein Leben lang auf der Baustelle bleiben“ Da sie schon immer gerne mit Kindern arbeite, hat sie sich schließlich füsr Grundschullehramt entschieden. Bereits in ihrer Heimatstadt Silschede bei Gevelsberg habe sie einen Jugendleiterschein gemacht, sich in der evangelischen Gemeinde eingesetzt.

Älteste Absolventin war 72 Jahre alt

Wer mindestens 18 Jahre alt ist und mindestens zwei Jahre Berufstätigkeit vorweisen kann, kann am Westfalen-Kolleg Dortmund das Abitur in zwei (Fachabitur) oder drei Jahren (Abitur) nachholen.

Die meisten Schüler sind Mitte 20, die älteste Absolventin in Dortmund war 72 Jahre alt. Weitere Informationen über das Westfalen-Kolleg gibt’s im Internet auf www.westfalenkolleg-dortmund.de/

Nach Herne kam sie über Umwege: Zunächst für die Ausbildung in Witten nach Bochum, dann lernte sie ihren Freund kennen und zog zu ihm nach Herne. Parallel zur zweiten Schulzeit begann sie einen 450 Euro-Job in der Bäckerei Sponheuer. Das ließ sich zum einen gut mit dem Schülerbafög vereinen, zum anderen „kann man da auch am Wochenende arbeiten“. Denn die ersten zwei Schulsemester habe sie in Vollzeit absolviert. Dann hatte die 23-Jährige einen schweren Autounfall und fiel fast ein Semester aus. Trotzdem holte sie den Stoff nach und wechselte zu „Abi online“.

Ihre Erfahrungen mit „Abi online“ sind durchweg positiv

Sie ist nicht so der „Schulmensch“: Ann-Kathrin Bodenröder.
Sie ist nicht so der „Schulmensch“: Ann-Kathrin Bodenröder. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Dabei lernt man unter der Woche zu Hause und hat freitags und samstags Schule am Westfalen-Kolleg Dortmund. „In der Präsenzphase bespricht man den Stoff, den man zu Hause bearbeitet hat.“ Außerdem musste sie bis mittwochs ihre Hausaufgaben zur Bewertung einschicken: „Das zählt als mündliche Note.“

Die Leistungskurse für „Abi online“ seien mit Deutsch und Pädagogik vorgeschrieben – für Ann-Kathrin Bodenröder aber kein Problem: „Die hatte ich ohnehin gewählt.“ Ihre Erfahrungen mit „Abi online“ sind durchweg positiv: „Alle sind engagierter, die meisten machen das neben ihrer Arbeit und wollen das wirklich.“ Die Älteste in ihrem Kurs war 54.

Am Anfang sei es der jungen Frau schon schwer gefallen, wieder die Schulbank zu drücken. „Ich bin nicht so der Schulmensch.“ Aber die Kombination aus Lernen und Arbeiten ab dem dritten Semester habe ihr gut gefallen: „Ich habe ja für mich gelernt.“ Nur mit Englisch sei sie auch dieses Mal nicht warm geworden. „Da habe ich schon in der Schule keinen Zugang gefunden. Mathe ist eher mein Ding.“

Lehre bereut sie nicht

Ihre ersten Bewerbungen an den Universitäten waren leider nicht erfolgreich. „Der NC liegt bei 2,2“, erklärt sie, „ich bin durch den Unfall zwischendurch etwas mit meinen Noten abgesackt und habe deshalb mit 2,7 abgeschlossen.“ Eigentlich gebe es einen Nachteilsausgleich für solche Fälle. Ihr Beratungsgespräch an der Uni in Dortmund sei allerdings nicht hilfreich gewesen. „Dort sagte man mir, das geht nicht. Was Quatsch ist.“

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Nun hofft sie, noch auf einen Studienplatz nachzurücken. Sollte das nicht klappen, will sie weiter jobben und es im nächsten Jahr erneut versuchen. Auch würde sie sich gerne in Herne in der Kinder- und Jugendarbeit engagieren. Dass sie ihre Lehre gemacht hat, bereut sie aber nicht: „Ich habe vieles gelernt und kann nun einiges selber machen wie zum Beispiel Laminat legen.“