Bochum/Herne. Die Anklage schildert eine Vergewaltigung von unfassbar brutaler Gewalt. Ein Herner soll eine Frau anschließend fast zu Tode gewürgt haben.
Vor dem Bochumer Landgericht hat am Freitag ein Prozess gegen einen 20-jährigen Herner begonnen. Die Anklage macht sprachlos: Es geht um besonders schwere Vergewaltigung und versuchten Verdeckungsmord in den vier Wänden einer offenbar zuvor gezielt ausgewählten Frau.
Kräftige Statur, blasses Gesicht, gesenkter Kopf: So trat der Angeklagte gegen 9.45 Uhr vor die Richter. Reden wollte er vorerst nicht. Sein Verteidiger Egbert Schenkel kündigte aber an, dass der Herner sich am kommenden Verhandlungstag, am 22. November, „aller Voraussicht nach“ zu den Vorwürfen äußern wird. Die Anklage schildert ein Verbrechen geprägt von unfassbar brutaler Gewalt und gefühlloser Gesinnung. In der Nacht auf den 5. Mai soll der Angeklagte nach einer Partyveranstaltung unter dem Vorwand, er wohne in der Nähe, mit dem späteren Opfer in ein Taxi gestiegen sein. Gegen 3 Uhr in Baukau an der Wohnung der 37-jährigen Frau angekommen, soll der Herner plötzlich mit ausgestiegen und so getan haben, als müsse er dringend zur Toilette. Nur deshalb soll die Frau ihn mit zu sich genommen haben.
Vergewaltigt, mehrfach gebissen und ins Gesicht geschlagen
Nach Betreten der Wohnung begann dann für die Hernerin die wohl dramatischste Zeit ihres Lebens. „Gänzlich unvermittelt und für die Geschädigte überraschend“, so die Anklage, griff der Herner die Frau im Wohnzimmer an, überwältigte sie, riss ihr die Kleidung vom Körper und vergewaltigte sie. „Aus Wut“ soll der damals noch 19 Jahre alte Angeklagte sein Opfer danach mehrfach gebissen und wiederholt ins Gesicht geschlagen haben.
Dann soll er plötzlich einen Schal, den die Hernerin um den Hals trug, mit voller Wucht und so lange zugezogen haben, dass die Frau bereits typische Erstickungszeichen, darunter flohstichartige Einblutungen in den Bindehäuten der Augen, davontrug. Zum Schluss soll er der hilflosen Frau auch noch ein iPhone und 30 Euro aus der Handtasche gestohlen haben.
Davon ausgehend, dass die Hernerin die Übergriffe nicht überlebt hat, soll der 20-Jährige letztlich aus der Wohnung geflüchtet sein. Der Angeklagte war am 10. Mai festgenommen worden und sitzt seitdem seit sechs Monaten in Untersuchungshaft in der Jugendstrafanstalt in Heinsberg. Das mutmaßliche Opfer soll voraussichtlich am 27. November als Zeugin aussagen. Laut Anklage hatte die Hernerin durch die Schläge ins Gesicht unter anderem einen Nasenbeinbruch erlitten. Außerdem sollen beide Augen dermaßen stark zugeschwollen gewesen sein, dass die 37-Jährige sie nicht mehr selbstständig öffnen konnte.
Potenziell lebensgefährliche Verletzungen
Die Staatsanwaltschaft stuft die Gewalteinwirkungen, insbesondere die Drosselungen mit dem Schal, als potenziell lebensgefährlich ein. „Meine Mandantin kann froh sein, dass sie das Geschehen überlebt hat“, erklärte Nebenklage-Anwalt Norbert Drees. Die Anklage lautet auf besonders schwere Vergewaltigung, besonders schweren Diebstahl und versuchten Mord. Staatsanwalt Dietrich Streßig sieht in dem „Albtraum-Übergriff“ gleich drei Mordmerkmale erfüllt: Heimtücke, zur Verdeckung einer Straftat und aus sonst niedrigen Beweggründen.
Herner wird weitere Tat vorgeworfen
Dem 20-jährigen Herner wird noch ein weiteres Gewaltverbrechen vorgeworfen. Laut Anklage (gefährliche Körperverletzung) soll er am 1. Juli 2017 einem damals 33-jährigen Mann gegen 2.45 Uhr auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Essen-Bergeborbeck „unzählige Tritte und Schläge“ versetzt und ihn außerdem mit einem Gürtel attackiert haben.
Das Opfer erlitt ein offenes Schädel-Hirn-Trauma und multiple Gesichtsbrüche. Nach dem Täter und einem mutmaßlichen Komplizen war anschließend per Foto-Fahndung gesucht worden.
Mit Blick auf das Alter des Angeklagten findet der Prozess vor der 5. Jugendstrafkammer am Bochumer Landgericht statt. Im Falle einer Verurteilung und bei Anwendung des Erwachsenenstrafrechts droht dem 20-Jährigen eine empfindlich hohe Gefängnisstrafe. Denkbar ist aber auch die Anwendung des milderen Jugendstrafrechts. Aktuell sind noch neun Verhandlungstage bis zum 20. Dezember vorgesehen.
Auch interessant