Herne. In zwölf Berufen besteht ab dem nächsten Jahr wieder die Meisterpflicht. Das Herner Handwerk begrüßt das Gesetz, es habe auch Vorteile für Kunden.

Vom Raumausstatter über den Fliesenleger bis hin zum Rollladentechniker: Für zwölf Handwerksberufe gilt mit Beginn des nächsten Jahres wieder die Meisterpflicht. Was bedeutet diese Neuregelung zum einen für die heimische Wirtschaft und zum anderen für Kunden und Verbraucher? Darüber sprach die WAZ mit Martin Klinger, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Herne-Castrop-Rauxel.

Zunächst einmal: Was versteht man eigentlich unter dem Begriff Meisterpflicht?

Wenn man einen Handwerksbetrieb selbstständig führen will, ist ein Meisterbrief erforderlich. Die entsprechende Meisterprüfung muss aber nicht zwingend der Inhaber oder Geschäftsführer absolviert haben, es ist auch möglich, dass ein Angestellter diese Qualifikation mitbringt. Dann ist die Voraussetzung ebenso erfüllt.

In wie vielen Berufen besteht denn derzeit die Meisterpflicht?

Noch sind es 41 Handwerke. Es waren in Spitzenzeiten sogar mal rund 150. Ein großer Einschnitt erfolgte vor 15 Jahren.

Was geschah damals?

Seinerzeit hatte die rot-grüne Bundesregierung die Vorgabe für 53 Berufe abgeschafft. Wer sich darin selbstständig machen wollte, brauchte fortan keine Qualifikationen mehr vorzuweisen.

Welche Gründe gab es denn seinerzeit?

Man hoffte darauf, den Wettbewerb in der Wirtschaft durch mehr Unternehmensgründungen anzukurbeln. Zugleich sollte auch ein Beitrag geliefert werden, um die damalige hohe Arbeitslosigkeit zu senken.

Organisation für 1600 Unternehmen

Es handelt sich um folgende zwölf Berufe: Fliesen-, Platten- und Mosaikleger, Betonstein- und Terrazzohersteller, Estrichleger, Behälter- und Apparatebauer, Parkettleger, Rollladen- und Sonnenschutztechniker, Drechsler und Holzspielzeugmacher, Böttcher, Glasveredler, Schilder- und Lichtreklamehersteller, Raumausstatter, Orgel- und Harmoniumbauer.

Die Ursprünge der Kreishandwerkerschaft (KH) Herne-Castrop-Rauxel reichen bis ins vorletzte Jahrhundert zurück.

Heute vertritt die KH die Interessen von etwa 1600 Handwerks- und handwerksähnlichen Betrieben in Herne und Castrop-Rauxel, wobei die Innungsbetriebe in insgesamt zwölf Fachinnungen organisiert sind. Der Rechtsanwalt Martin Klinger ist seit drei Jahren Geschäftsführer der KH.

Warum kommt es nun zu einer Art Rolle rückwärts?

Dafür gibt es mehrere Ursachen. Die Zahl der Auszubildenden ist in den zulassungsfreien Gewerken, also denen ohne Meisterpflicht, ganz erheblich gesunken. Für viele Firmen, nicht selten Ein-Mann-Betriebe, hatte Ausbildung keinen großen Stellenwert. Darüber hinaus hat man auch festgestellt, dass sich Beschwerden über mangelnde Qualität der Arbeit gehäuft haben. Es gab eine ganze Reihe von Kunden, die schlichtweg unzufrieden waren mit der Leistung, die die Firmen geboten haben. Im Zweifelsfall schalten Verbraucher in solchen Situationen die Kreishandwerkerschaft und Sachverständige ein oder entscheiden sich zu einer Klage.

Ihre Erläuterungen hören sich so an, als seien Sie mit der Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Berufen sehr zufrieden?

Martin Klinger: Neue Innungen wären ein Vorteil für die Kreishandwerkerschaft.
Martin Klinger: Neue Innungen wären ein Vorteil für die Kreishandwerkerschaft. © KH Herne

Das ist auch richtig. In den ganzen Jahren ist die Kritik an dem Gesetz nicht verstummt und das aus gutem Grund. Es zeigte sich schon sehr schnell, dass die Regelung nicht zum gewünschten Erfolg führte, stattdessen vielmehr die Lage im Handwerk eher noch schwieriger wurde. Das Umdenken ist daher auch ein wichtiges Signal der Politik, die auf Bedenken aus dem Handwerk eingegangen ist. Natürlich kann man sich fragen, ob nicht auch mehr Berufe möglich gewesen wären. Dabei sollte man beachten, dass einige Gewerke, bei denen alles bleibt wie gehabt, kaum noch ausgeübt werden.

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Stichwort Ausbildung: Durch den demografischen Wandel sinkt die Zahl der Jugendlichen ohnehin. Handwerksberufe haben bei jungen Menschen nicht unbedingt Konjunktur. Da könnte man doch meinen, es ist besser, auf eine Zugangsvoraussetzung wie Ausbildung zu verzichten, um überhaupt Beschäftigte zu finden?

Auf eine gute Ausbildung kann man nicht verzichten. Um Handwerksberufe ausüben zu können, bedarf es Wissen und Können, beides gilt es zu vermitteln. Im Übrigen finden Auszubildende nach bestandener Prüfung schnell einen Arbeitsplatz. Und wer die Meisterprüfung absolviert, dem stehen doch alle Türen offen.

Wird der Kunde oder der Verbraucher von dem neuen Gesetz profitieren?

Die neuen Firmen, die sich ab dem nächsten Jahr in den zwölf Berufen gründen, müssen eben mit der Meisterpflicht eine Zulassungsvoraussetzung erfüllen, die auch einen gewissen Qualitätsstandard beinhaltet. Generell gilt natürlich: Wenn Kunden mit den Leistungen eines Handwerksbetriebs unzufrieden sind, können sie sich mit der Kreishandwerkerschaft und auch den Innungen in Verbindung setzen.

Ob Maler, Elektriker oder Bäcker: Sie haben sich in Innungen zusammengeschlossen. Wird die Zahl der Innungen jetzt um 12 steigen?

Die Entwicklung muss man abwarten. Es wäre sicherlich für die Kreishandwerkerschaft eine Bereicherung, wenn Innungen dazukämen. Ein wichtiger Hinweis: Es besteht für einen Handwerksbetrieb keine Pflicht, einer Innung beizutreten.

Was passiert eigentlich mit den Betrieben in den betroffenen Gewerken, die die Meisterpflicht nicht erfüllen? Müssen die jetzt schließen?

Nein. Für sie gelten Übergangsfristen und Ausnahmegenehmigungen. Das Gesetz richtet sich ja nicht gegen bestehende Unternehmen.