Herne. Mitten im schäbigen Wohnblock gibt es einen Lichtblick: In der Arche dürfen Kinder Kinder sein und ihrem grauen Alltag entfliehen.
Der Kontrast ist erstaunlich: Draußen ein nicht allzu hübscher Wohnblock, hier und da Müll, ein düsteres, schmutziges Treppenhaus. Um so schöner sind die Räume der Arche, hell, freundlich einladend. Seit knapp zwei Jahren betreuen die Sozialpädagoginnen Ines Lork und Lisa Leskow an der Emscherstraße in Wanne Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Das komplett spendenfinanzierte Projekt braucht stetig Unterstützung - sei es durch Ehrenamtliche, Sach- und finanzielle Spenden. Gesucht sind auch größere Räume ab 200 Quadratmeter.
Beide wollten schon immer mit Kindern aus dieser Zielgruppe arbeiten. Als die Stellen für den Aufbau der Arche in Wanne ausgeschrieben wurden, schlugen sie zu. „Wir sind die erste Arche im Ruhrgebiet“, erklärt Ines Lork. Ziel sei, die Kinder stark zu machen und ihnen aus ihrer Armutsspirale herauszuhelfen. „Es ist nicht nur materielle Armut, sondern auch emotionale.“ Viele Kinder kommen aus Familien mit vielen Kindern, in denen die Eltern nicht viel Zeit haben oder sie sich schon um jüngere Geschwister kümmern müssen. „Hier dürfen sie Kind sein.“
Kinder werden ermutigt
Wir sehr dies manchen fehlt, hat die Pädagoginnen anfangs überrascht. „Wir haben unseren Spielraum eher für die Kleineren eingerichtet, mit Lego und Kaufmannsladen.“ Schnell zeigte sich aber, dass vor allem die Größeren hier richtig aufblühen. Das erste, was die Kinder bei der Ankunft hören, ist: „Schön, dass du da bist.“ Sie erfahren häufig zuhause wenig Wertschätzung. Deshalb wird beispielsweise der Geburtstag der Kinder in der Arche gefeiert.
„In einigen Familien herrscht viel Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit“, sagt Lisa Leskow. Dies sei bei einem Malprojekt sehr deutlich geworden. „Die Kinder sollten malen, was sie später machen wollen.“ Manche hatte keine Vorstellung von einem Traumjob und sagten „Ich bekomme doch eh Hartz IV“. „Es fehlen einfach Vorbilder. Wir möchten als Arche der Gegenpol sein und fragen, was macht dir Spaß? Was kannst du? Und sie darin fördern.“ Kinder sollen lernen, dass sie nicht Opfer ihrer Umstände sind, sondern selber etwas daran ändern können. „Dafür sind wir als Begleiter an ihrer Seite.“
In der Arche gibt es feste Regeln und Strukturen
Der Bildungsbedarf der Kinder sei hoch: Viele können beim Übergang auf die weiterführende Schule weder die Uhr lesen noch das Einmaleins. „Wenn wir Ausflüge machen, ist das oft das erste Mal, dass sie in den Zoo kommen.“ Bei einem Ausflug ins Aquarium dachte ein Junge, dass die bunten Fische dort eine Wand aus LED-Fernsehern seien, die er aus einem Elektrogroßmarkt kennt.
Auch Strukturen und feste Zeiten kennen die Kinder kaum. Deshalb gibt es in der Arche klare Strukturen und Regeln. Wenn die Kinder ankommen, steht die Hausaufgaben und Lernzeit an, danach Spiel- und Freizeit. Eine gemeinsame Mahlzeit steht auf dem Plan. Denn was gesunde Ernährung ist, wissen die wenigsten. „Viele Kinder haben bei Ausflügen nur eine Tüte Chips und zuckrige Getränke dabei.“ Außerdem gehen viele Kinder ohne Frühstück in die Schule. Unterstützt wird die Arche von der Tafel mit Obst- und Rohkost-Spenden.
Ohne Unterstützung sei die Arbeit nicht zu stemmen
Zu den Regeln zählt, dass in der Arche deutsch gesprochen wird und dass man sich freundlich und mit Respekt behandelt. „Wer drei Mal am Tag dagegen verstößt, muss die Arche für diesen Tag verlassen“, erklärt Ines Lork. Bei schweren Verstößen – wie Anspucken – auch schon mal etwas länger. Es gehe in vielen Bereichen darum, Werte zu vermitteln: Mit Messer und Gabel essen, Rücksicht nehmen, Streitkultur entwickeln. Mit Kinderpartys unter dem Motto wie „Ich sag die Wahrheit“ werden Themen spielerisch angegangen. „Wir würden gerne mehr mit den Eltern arbeiten“, sagt Lisa Leskow. „Die sind aber sehr schwer zu erreichen.“ Die Arche bietet seit September eine Spielgruppe mit Elterncafé an.
Die Arche ist gut im Stadtteil vernetzt und arbeitet intensiv mit der Josefschule zusammen. Die beiden Sozialpädagoginnen möchten die Angebote ausweiten. Dazu brauchen sie aber stets Unterstützung: „Ohne Lernpaten und Ehrenamtliche könnten wir das gar nicht stemmen.“ Zudem sei dringlich, über kurz oder lang neue Räume zu finden: „Wir platzen hier aus allen Nähten, wollen aber im Stadtteil bleiben, denn hier braucht man uns.“