Herne. Jahrelang plagte sich Michael Hamdorf mit dem Schnarchen herum. Am Evangelischen Krankenhaus in Herne fand die Lösung: einen Zungenschrittmacher.
Wenn der Partner nachts laut schnarcht, bekommt man kein Auge zu. Dabei ist die Lärmbelästigung des Partners medizinisch gesehen das geringere Problem. Schnarcher schlafen schlechter und haben auf lange Sicht gesundheitliche Risiken. Nach einer längeren Odyssee kam Michael Hamdorf zum Evangelischen Krankenhaus Herne – und fand dort mit Dr. Martina Neddermann die Lösung für sein anhaltendes Schnarchen: einen Zungenschrittmacher.
„2014 fing es an, dass das Schnarchen immer schlimmer wurde“, erzählt Michael Hamdorf. Er selber merkte dies gar nicht, aber seine Lebensgefährtin machte nachts kein Auge mehr zu. Der 57-Jährige ließ sich untersuchen, es folgte eine OP an der Nase, die allerdings schief gelaufen sei. In Essen wurde schließlich die Diagnose „obstruktive Schlafapnoe“ gestellt. Die schlafbezogene Atmungsstörung macht sich durch Schnarchen und Atemaussetzer bemerkbar. Konsequenz: „Ich bekam eine Atemmaske.“
Schlafmaske brachte keine Erleichterung
Eineinhalb Jahre plagte er sich damit herum. „Ich habe eine Latexallergie und bekam eine Spezialmaske. Aber auch mit der kam ich nicht zurecht.“ Stetig verrutschte sie, so dass Hamdorf dauernd eine Bindehautentzündung und Luft im Bauch hatte. Erholsamen Schlaf fand er so nicht. „Ich bin beruflich viel unterwegs, fahre lange Strecken. Das war oft grenzwertig, weil ich sehr müde war und mich schlecht konzentrieren konnte.“ Häufig musste der Entwickler für City- und Tourismusmarketing in die USA oder nach Kanada und hatte jedes Mal riesige Probleme bei der Einreise aufgrund der mitgeführten Schlafmaske.
Ende 2016 stieß der 57-Jährige im Internet auf die Inspire-Therapie und suchte nach Experten, die sich damit befassen. So fand er zu Dr. Martina Neddermann, Leitende Oberärztin des Schlaflabors am EvK, und vereinbarte einen Termin. „Es kommt nur ein ganz geringer Prozentsatz an Patienten für einen Zungenschrittmacher in Frage“, erklärt die Ärztin, die die Entwicklung dieser Geräte schon lange verfolgt.
Michael Hamdorf war der erste Patient, mit dem sie es wagte, weil bei ihm die Voraussetzungen stimmten. Ursache für sein Schnarchen war, dass im Schlaf die Zunge nach hinten falle und somit den Atemweg verenge. Hier setzt der Zungenschrittmacher an. Weitere Kriterien seien ein Body Mass Index unter 32 sowie die Anzahl der Atemaussetzer pro Stunde, sie muss zwischen 15 und 65 liegen. Normal seien fünf Aussetzer pro Stunde.
Zusammenarbeit mit dem Uniklinik Düsseldorf
Durchgeführt wurde die Operation im September 2017 an der Universitätsklinik Düsseldorf, mit der Dr. Neddermann eng zusammenarbeitet. Dabei wird rechts unter das Schlüsselbein der Schrittmacher implantiert, von dort führt ein hauchdünnes Kabel mit einem Sensor zum Rippenbogen. Letzterer überwacht die Atmung und meldet, wenn die Sauerstoffsättigung sinkt. Ein weiteres dünnes Kabel führt bis zur Zunge, die sich bei Bedarf mittels Impuls versteift und somit den Atemweg wieder freigibt.
Technik wird weiterentwickelt
Zungenschrittmacher gibt es zwar schon seit einigen Jahren, trotzdem sind weltweit erst rund 3000 eingesetzt worden.
Die Kosten für das Gerät liegen aktuell bei 18.000 Euro. Sie halten acht bis zehn Jahre.
Die Technik wird stetig weiterentwickelt. Weitere Infos unter www.schlafzentrum-ruhrgebiet.de und www.inspiresleep.de
Vier Tage nach der Operation konnte der Hertener wieder nach Hause. Schmerzen habe er kaum gehabt. Einen Monat nach der Operation wird das Gerät eingeschaltet. Nach einem weiteren Monat der Gewöhnung wird der Schrittmacher im Schlaflabor individuell eingestellt. Wenn er ins Bett geht, aktiviert Hamdorf nun einfach den Schrittmacher mit einer Fernbedienung und hat dann eine halbe Stunde Zeit zum Einschlafen. Danach nimmt der Schrittmacher seine Tätigkeit auf, ohne dass der 57-Jährige davon etwas mitbekommt.
Verbesserung mit Worten nicht zu beschreiben
„Das Ergebnis ist unglaublich. Der Unterschied lässt sich kaum mit Worten beschreiben“, freut sich Hamdorf. „Ich bin fitter und ausgeschlafen, habe sogar wieder mit dem Sport angefangen – das wäre vorher gar nicht möglich gewesen. Ich habe so viel an Lebensqualität zurückgewonnen.“ Auch für seine Lebensgefährtin falle eine große Belastung weg. Und noch eine weitere Sache sei wieder einfacher: „Ich habe einen Ausweis, den ich am Flughafen einfach vorzeige und der mir einen umständlichen Check-in erspart.“