Herne. Müssen die Bahnhöfe sicherer werden? Was der FDP-Landespolitiker und Bahnexperte Thomas Nückel nach den jüngsten Vorfällen darüber denkt.
Nach den tragischen Vorfällen in Voerde und Frankfurt stellen viele die Frage nach der Sicherheit an Bahnhöfen. Die WAZ sprach mit dem FDP-Landtagsabgeordneten Thomas Nückel darüber.
Wie ist ihr Gefühl, wenn Sie jetzt am Bahnsteig stehen?
Nückel: Man denkt darüber nach, wie nah man an der Bahnsteigkante ist. Deswegen gilt umso mehr mein Rat, nicht zu nah an der Bahnsteigkante zu stehen. Gottlob gibt es nicht so viele Psychopathen, aber es gibt sie leider.
Muss die Sicherheit an den Bahnhöfen erhöht werden?
Jetzt kommt wieder dieser spontan-reflexartige Ruf nach Sicherungsmaßnahmen wie zum Beispiel Sperrgittern. Das halte ich für Quatsch, weil es den Zugverkehr verzögert und die Benutzung von Zügen unattraktiver machen würde. Natürlich machen einem die Bahnhöfe Sorge, weil sie teilweise Orte des Verfalls sind. Das muss man wirklich sagen, obwohl die Bahn jetzt viele Millionen investiert. Aber über die Jahre hinweg ist sie ein sehr schlampiger Immobilienbesitzer gewesen.
Zur Person: Thomas Nückel
Thomas Nückel ist seit 2012 FDP- Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag und dort Vorsitzender des Verkehrsausschusses.
Der gebürtige Herner arbeitete 30 Jahre als freier Journalist und befasste sich schon damals mit dem Thema Verkehr.
Thomas Nückel ist 56 Jahre alt.
Viel machen gegen solch spontane Taten kann man also nicht?
Das ist richtig. Es wäre wünschenswert, wenn es mehr Streifen gäbe – auch um den Vandalismus einzudämmen. Aber man muss sich klar sein, dass eine Streife den Vorfall nicht hätte verhindern können.
Haben Sie schon mal eine bedrohliche Situation am Bahnhof erlebt?
Ich bin mal auf einem Bahnhof in Brüssel überfallen worden. Aber so richtig bedrohlich habe ich es nicht empfunden, dann haben sie das Handy eben bekommen. Das ist nicht vergleichbar mit dem, was jetzt passiert ist.
Sie fahren oft Bahn. Fragen Sie sich manchmal, was wäre wenn?
Ich fahre fast nur Eisenbahn, U-Bahn oder Bus. Ein Auto nutze ich, wenn ich nach einem verpassten letzten Anschluss in ein Taxi springen muss. Ich fühle mich eigentlich auf den Bahnhöfen sicher. Das ist aber manchmal von der Uhrzeit abhängig. Wenn wenn man in Herne so um 1.30 Uhr aussteigt, denkt man schon nach, ob das so sicher ist. Auch wenn der Bahnhof hell ist. Trotzdem bin ich kein Freund von umfassender Kameraüberwachung.
Wie viele Kilometer legen Sie mit der Bahn zurück?
Das sind bestimmt 2500 Kilometer im Monat. Ich habe oft Abendtermine im Rheinland oder Ostwestfalen-Lippe.
Inwieweit befeuert der Vorfall in Frankfurt die Flüchtlingsdebatte?
Ich gehe davon aus, dass der Täter ein Psychopath ist. So klingt es für mich. So ist es wohl auch bei dem Täter in Voerde. Gefährliche Menschen gibt es in allen Nationalitäten. Das man so etwas verhindern können wird, ist leider eine Illusion.
Warum schafft man keine Voraussetzungen, dass man nur mit gültigem Ticket zum Bahnsteig kommt?
Die Metrosituation in Paris zeigt, dass diese Absperrungen nicht viel nutzen. Die Leute gehen drüber oder drücken sie auf. In Holland wird das jetzt eingeführt. Unsere Verkehrsverbünde sind, was die Digitalisierung angeht, noch etwas rückständig. Aber es gibt Bewegung. Aber ein solches System wird keinen Psychopathen abhalten, denn im Zweifel hat der eine Monatskarte.
Wie steht es um die Bahnhöfe in Herne und Wanne-Eickel?
Wir kriegen keinen Preis, aber wir sind auch nicht die Schlusslichter. Hier sind hauptsächlich bauliche Mängel zu nennen. Die Bausubstanz ist einfach alt. Die Mittelstützen der Bahnsteigdächer in Herne sind ordentlich angerostet. Der Tunnel ist eine Tropfsteinhöhle. Es ist nicht so, dass die Bahn sich da nicht gekümmert hätte. Aber sie sind der Sache nicht Herr geworden.
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Sollte Bahnfahren günstiger werden, um mehr Menschen auf die Schiene zu bringen?
Günstiger ist immer gut, wird aber das Problem nicht lösen. Man weiß aus Städten, wo man mit kostenlosem Nahverkehr experimentiert hat, dass dann Leute fahren, die vorher Fußgänger oder Radfahrer waren. Autofahrer bekommt man so nicht rum.
Wie könnte man die überzeugen?
Dafür müssten die Netze engmaschiger und die Taktung besser sein. Herne ist vergleichsweise gut angebunden. Aber wenn ich jetzt aus Herne-Börnig zum Bahnfahrer werden wollte, müsste ich mich schon sehr umstellen. Die Reisezeit ist mit der Bahn einfach zu lang. Das ist mit dem Auto – trotz Staus – in der Regel einfach noch schneller. Wenn die Bahn anfängt, alle Strecken zu digitalisieren, wird die Verlässlichkeit hoffentlich auch größer werden und somit das Bahnfahren interessanter.
Das Gespräch führte Jennifer Humpfle.