Herne. Mauersegler in Not haben es Martina Jäger angetan. In ihrer privaten Pflegestelle päppelt sie Vögel auf, bis sie wieder in die Freiheit können.

Bei Martina Jäger piept’s wohl – aber in der Küche. Man hört Flügelschlagen, sobald man ihre Wohnung betritt. Die Wahl-Hernerin betreibt eine private Mauersegler- und Wildvögel-Pflegestelle. In ihrer Küche hat sie neun Boxen stehen, in denen zur Zeit 39 Mauersegler sitzen – so lange, bis die Vögel bereit für die Freiheit sind.

„Ich habe heute sechs in die Freiheit entlassen – zwei kamen neu hinzu“, zählt sie auf. Von Mai bis September versorge Jäger ausschließlich Mauersegler, in den restlichen Monaten andere Wildvögel und auch mal Igel.

Ausgewachsene Mauersegler kämen meist mit Traumata zu ihr, beispielsweise durch Kollisionen mit Fenstern oder Dachkanten. „Oder es sind flugunfähige Jungvögel, die aus dem Nest gefallen sind und ohne Hilfe sterben würden“, gibt die 59-Jährige an.

Martina Jäger entlässt aufgepäppelte Mauersegler in Freiheit

Die Jungvögel hätten Spulen an den Federn, erst wenn diese abgeknabbert sind, seien sie in der Lage zu fliegen. Vor der Auswilderung trainierten die Tiere mit dem Flügelschlagen für ihre späteren Flugkünste. „Irgendwann möchten sie von mir kaum noch Nahrung annehmen und wenn sie dann ein Gewicht zwischen 38 bis 45 Gramm haben, sind sie bereit für die Freiheit.“ Dann gehe sie einfach in ihren Garten und lasse die Segler von ihrer Hand starten.

Martina Jäger habe die Pflegestelle vor drei Jahren von ihrer Tochter übernommen und damals nicht lange überlegt, denn sie finde diese Vögel sehr faszinierend: „Jeder Segler hat ein eigenes Gesicht, ich kann sie alle auseinander halten – sie sind so süß mit ihren Knopfaugen!“ Jeder Vogel bekomme von ihr einen Namen.

Täglich etwa 14 Stunden mit Pflege beschäftigt

Tag für Tag sei sie etwa 14 Stunden mit der Pflege beschäftigt. „Etwa alle zwei Stunden füttern, vor jeder Fütterung alle Boxen säubern, dazu kommt die Wäsche, die die Vögel verschmutzen.“ Trotz der vielen Arbeit kommt eine Aufgabe der Pflegestelle für sie nicht infrage: „Die Mauersegler-Klinik in Frankfurt ist chronisch überfüllt und es gibt zu wenig Pflegestellen.“

Mauersegler benötigen Hilfe

Ein Mauersegler, der auf dem Boden liegt, benötigt dringend Hilfe – egal ob Jung- oder Alttier. Auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Mauersegler www.mauersegler.com finden sich dafür Informationen.

Martina Jägers Pflegestelle kann man mit einer Spende via Paypal-Überweisung unterstützen: paypal.me/mauerseglerpflege in die Browser-Adresszeile eingeben, auf Enter drücken, Betrag eingeben und absenden. Oder an Jägers Paypal-Emailadresse spenden: tinajg96@gmail.com

In Deutschland brüten jährlich zwischen 230.000 bis 460.000 Paare. Mauersegler wurden bereits auf die Vorwarnstufe der Roten Liste gefährdeter Brutvögel gesetzt. Sie zählen zur Ordnung der Seglervögel – so wie auch der Kolibri – und können bis zu 20 Jahre alt werden. Im horizontalen Flug erreichen die Vögel Geschwindigkeiten von bis zu 150 Stundenkilometern.

Sie segeln häufig an Mauern entlang, daher ihr Name. Die eleganten Flugkünstler verbringen fast ihr gesamtes Leben fliegend, in Höhen bis zu 3000 Metern jagen, fressen, schlafen und paaren sie sich. Nur während der Brutzeit zwischen Mai bis Juli sind sie nicht in der Luft.

Drei Monate des Jahres verbringen die Segler in ihrem Brutgebiet, drei Monate im Überwinterungsgebiet in Afrika und sechs Monate auf den Vogel-Zugrouten.

Sie werden häufig mit Schwalben verwechselt, ihre hohen und schrillen „srieh“-Schreie unterscheiden sich aber deutlich von den Lauten der Schwalben, außerdem sind ihre Flügel länger und weniger breit.

Sie wünsche sich, dass ein Umdenken stattfindet und sich mehr Menschen für die Umwelt engagierten. „Ich möchte etwas Gutes tun und werde so lange weitermachen, wie ich es schaffe – zum Glück unterstützt mich mein Mann sehr.“

Andere Pflegestellen vermitteln ihr auch Mauersegler

Manche Segler bekomme sie durch andere Pflegestellen vermittelt, außerdem empfehle die Mauersegler-Klinik sie an Finder weiter. So kam auch „Niirti“ zu ihr, ein Mauersegler-Mädchen, das ihr der Herner Lothar Schulz brachte: „Das war ein Glücksfall, denn die nächsten sachkundigen Pflegestellen wären in Essen und Dortmund“, berichtet Schulz.

Niirti ist ein Mauersegler, den Martina Jäger derzeit aufpäppelt.
Niirti ist ein Mauersegler, den Martina Jäger derzeit aufpäppelt. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Er bewundere Martina Jäger sehr für ihr liebevolles Engagement und hoffe, dass sein Findling bald wieder fit ist. „Niirti ist wohl durch die Hitze aus dem Nest gesprungen und ist auf dem Weg der Besserung“, sagt Martina Jäger. Sie gehe davon aus, dass der Vogel in etwa eineinhalb Wochen in die Freiheit starten kann.

Rund 1100 Euro Futterkosten im Monat

Ein Tierarzt mache Jäger für Behandlungen ihrer Pfleglinge zwar Spezialpreise und auch eine Apotheke spende ab und zu Vitamin B oder Ringer-Laktat-Lösung. Die höchsten Kosten machten jedoch das Futter aus: „Bis sie in die Freiheit entlassen werden können, frisst jeder Segler etwa 16.000 Heimchen – pro Fütterung zehn bis zwölf Stück.“ Für die monatlichen etwa 22 Kilogramm Grillen zahle sie im Großhandel etwa 1100 Euro. „Leckerchen wie Wachsmotten, Drohnenbrut und Schokoschaben nicht eingerechnet“, so Jäger.

Aufgrund einer rheumatischen Erkrankung sei sie nicht erwerbsfähig, für ihre ehrenamtliche Arbeit erhalte sie keine finanzielle Unterstützung: „Ich bin, genau wie andere private Pflegestellen, sehr auf Spenden angewiesen.“