Herne. Ab 2021 müssen Kirchen die Einnahmen von Festen, Basaren oder Flohmärkten versteuern. Warum sich die Gemeinden in Herne deshalb Sorgen machen.
In Kirchengemeinden macht sich Unmut breit: Da spenden Familien Kuchen fürs Gemeindefest, freiwillige Helfer stehen am Grill oder verkaufen Selbstgebackenes. Die Erlöse kommen bislang wohltätigen Zwecken in voller Höhe zugute. Noch. Demnächst aber fallen möglicherweise Steuern an.
Gemeinden sind ab 2021 verpflichtet, eine Umsatzsteuer zu entrichten, wenn sie in bestimmten Bereichen mehr als 17.500 Euro an Einnahmen erzielen. Dann sind sieben oder auch 19 Prozent an Abgaben fällig. Anders gerechnet: Der Fiskus nimmt sich rund ein Fünftel der Torte. Nun könnte man meinen, dass ein einzelnes Fest wohl keinen Betrag erbringt, der die fünfstellige Summe überschreitet. Für das Finanzamt ist aber nicht das einzelne Fest entscheidend, sondern die Position Gemeindefest im Etat über ein ganzes Jahr, erläutert Ulrich Clement vom Finanzausschuss der katholischen Gemeinde St. Dionysius. Und diese Position könne schnell erreicht werden. Denn nun gibt es in Herne Großgemeinden.
Buchführung wurde umgestellt
Das bedeutet: Alles, was Gemeindefestcharakter hat, muss entsprechend verbucht und dem Finanzamt gemeldet werden. Da würden nun durchaus die 17.500 Euro überschritten. Steuerpflichtig ist man laut Clement im Übrigen nicht nur bei Festen. Betroffen seien auch Flohmärkte, die Vermietung von kirchlichen Räumen oder Basare.
Um einen Überblick über alle Daten, Zahlen und Fakten zu bekommen und zu behalten, hat die neue St. Dionysius-Gemeinde nun ihre Buchführung umgestellt und ist dabei mit Unterstützung einer Steuerberatungsgesellschaft vorgegangen. Auch in St. Christophorus hat man mit der Umstellung begonnen, berichtet der zuständige Experte Michael Gajewski. Der gesamte Arbeitsaufwand sei „schon eine echte Hausnummer“.
Geld für Steuerberatung bereitgestellt
Der evangelische Kirchenkreis Herne hatte bereits im November vergangenen Jahres zusätzliches Geld bereitgestellt, um Personalaufwand und Steuerberatung zu finanzieren, berichtet Sprecher Arnd Röbbelen. Nun müssten sich in den Gemeinden nicht nur hauptamtliche Mitarbeiter mit den neuen Regeln befassen, um die Finanzen kümmern sich auch viele ehrenamtliche Kräfte, die zusätzlich Freizeit opfern, damit auch alles seine Richtigkeit hat.
An das europäische Gesetz angepasst
Auch wenn die neuen Regeln für die Umsatzsteuer, die europäischem Recht angepasst wurde, erst ab 2021 greifen, haben die Gemeinden angesichts des bürokratischen Aufwands für die Umstellung schon mit den Vorbereitungen begonnen.
Bei der Änderung der Gesetzes geht es – verkürzt dargestellt – darum, dass Körperschaften öffentlichen Rechts, zu denen Kirchen gehören, in bestimmten Bereichen Unternehmen gleichgestellt, also als Akteure am Wirtschaftsmarkt betrachtet werden.
Mitunter werden demnächst Finanzverantwortliche auch vor kniffligen steuerrechtlichen Fragen stehen. Beispiel: Verkauf von Kerzen. Werden sie beispielsweise bei einem Basar angeboten, besteht eine Steuerpflicht, der Handel hat gewerbsmäßigen Charakter. Ganz anders sieht es aus, wenn Gläubige ein kleines Entgelt entrichten, um Kerzen vor einem Altar entzünden. Hier habe man es mit dem eigentlichen Auftrag der Kirche zu tun, der Verkündigung, sagt eine Steuerexpertin. Da entfalle die Steuer. Eine Kirchenzeitung titelte: Vor der Steuer sind nicht alle Kerzen gleich.
Sorge um Motivation der Helfer
Schon längst diskutiert man in den Gemeinden über die Auswirkungen des Gesetzes: Verzichtet man wegen komplizierter Steuerfragen auf Tannenbaumaktionen, den Verkauf von Postkarten oder auch ganz auf Gemeindefeste? Wie verhält es sich mit der Motivation der Helfer, wenn gut ein Fünftel nicht dem Zweck, sondern dem Staat zufließt? Denn auch das ist ganz klar festgelegt: Selbst wenn vor einem Gemeindefest geworben wird, dass die Einnahmen für ein wohltätiges Projekt bestimmt sind, fällt die Steuerpflicht nicht unter den Tisch.