Herne. Die Stadt Herne zahlt einem Kfz-Mechaniker 50.000 Euro Schmerzensgeld. Grund: eine folgenschwere Fehldiagnose in der Leitstelle der Feuerwehr.

Nach einer Fehldiagnose am Telefon will die Stadt Herne einem Kfz-Mechaniker aus Herne nun doch 50.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Darauf haben sich am Mittwoch vor dem Bochumer Landgericht die beiden Parteien geeinigt.

Es war der 3. Juli 2016, als auf der Leitstelle der Herner Feuerwehr ein Notruf einging. Der Anrufer vermutete einen Schlaganfall, sprach von panischer Angst. „Laufen geht gar nicht“, sagt er, eine Körperhälfte sei „wie tot“. Doch der Feuerwehr-Mitarbeiter wiegelte ab, tippte auf Rückenprobleme und verwies auf den ärztlichen Notdienst. In dem Gesprächsprotokoll heißt es dazu wörtlich: „Unser Notarzt dafür jetzt: nein.“ Der Anrufer, ein Kfz-Mechaniker aus Herne, ließ sich abwimmeln. Erst als Vater und Schwester auftauchten, machten sie Druck. Der Krankenwagen traf schließlich erst nach einer Stunde ein. Die Diagnose: Schlaganfall.

Stadt muss Vergleich absegnen lassen

Mit der Zahlung von 50.000 Euro wären alle Forderungen des Schlaganfall-Patienten komplett beglichen.

Folgeschäden können nicht mehr vor Gericht eingeklagt werden.

Die Stadt muss den Vergleich erst noch von der Versicherung absegnen lassen.

Sollte die Einigung platzen, entscheiden die Richter ohne neue mündliche Verhandlung.

Die Folgen sind irreparabel. Der inzwischen 40-Jährige ist auf einen Stock angewiesen, hat Taubheitsgefühle, Kribbeln und manchmal auch Schwindel. Er ist zu 50 Prozent schwerbehindert, kann immer noch nicht wieder arbeiten. Ein vom Gericht beauftragter Gutachter hatte das Verhalten des Feuerwehrmitarbeiters in der Herner Leitstelle als „grob fehlerhaft“ eingestuft. Bei den geschilderten Symptomen hätte „zwingend anders“ vorgegangen werden müssen. Das gesamte Handeln sei nicht nachvollziehbar und unverständlich.

  Rechtsanwältin Sabrina Diehl neben ihrem Mandanten.
  Rechtsanwältin Sabrina Diehl neben ihrem Mandanten. © Hartwich

Bei zeitgerechtem Handeln hätteChance auf Besserung bestanden

Die Stadt hatte sich vor Gericht vor allem darauf berufen, dass ein schneller Krankenwagen-Einsatz nichts geändert hätte. Genau das sah ein als Sachverständiger geladener Neurologe jedoch anders. „Bei zeitgerechtem Handeln hätte eine reelle Chance bestanden, dass eine Besserung eintritt“, erklärte er den Richtern. „Gegebenenfalls hätte sogar die Chance bestanden, dass keine oder nur minimale Beeinträchtigungen verblieben wären.“

Wegen der eindeutigen Schilderung und auf dringenden Rat der Richter hatte sich die Stadt schließlich zu der als Vergleich protokollierten Schmerzensgeldzahlung bereiterklärt. Die Einigung kann bis Mitte Juli allerdings noch einmal widerrufen werden. Rechtsanwältin Sabrina Diehl, die den 40-jährigen Herner vor Gericht vertrat, sprach von einem „unfassbaren Verhalten“, des Feuerwehrmitarbeiters. Auch sie kann den Vergleich noch widerrufen. Diehl hatte eigentlich 75.000 Euro sowie die Übernahme aller möglichen Folgeschäden gefordert. Auf ein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns warte ihr Mandant, der nicht einmal mehr Auto fahren kann, übrigens bis heute. Auch im Prozess richteten die Vertreter der Stadt kein persönliches Wort an den 40-Jährigen.