Herne. Wenn die Mitarbeiter des Tierheims Herne/Wanne einen Hund oder eine Katze aufnehmen, hören sie vom Besitzer immer häufiger die Begründung: zu teuer.

„Die Krise ist auch bei uns angekommen”, sagt Brigitte Seele-Roßbach vom Tierheim Herne / Wanne. Viele können sich ihr Haustier einfach nicht mehr leisten – und geben es an der Hofstraße ab. Das Tierheim stößt an seine Grenzen.

Fast ein Drittel mehr als gewöhnlich, schätzt Seele-Roßbach, werde derzeit abgegeben. „Das Heim ist voll. Wir haben noch zwei oder drei Plätze für Hunde frei, bei den Katzen geht gar nichts mehr.” Rund 30 Hunde, an die 80 Katzen, dazu 60 Kleintiere und einige Vögel sind derzeit im oder am Heim sowie in einer ausgelagerten Pflegestation bei Ehrenamtlichen untergebracht. Und es kommen mehr Tiere hinzu, als vermittelt werden können.

Nicht zum Nulltarif

Wer sein Haustier im Herner Tierheim abgibt, muss normalerweise eine Spende / Kostenbeteiligung an den Verein leisten (für eine Katze rund 40 Euro, für einen Hund 50 bis 60 Euro). Der individuelle Betrag richtet sich nach dem Zustand des Tieres und der finanziellen Situation des Besitzers. Wer ein Heimtier zu sich nehmen möchte, muss eine einmalige Schutzgebühr entrichten (für einen Hund zwischen 200 und 250, für eine Katze 120 und ein Kaninchen 40 Euro). Informationen und Kontakt zum Tierschutzverein: WAN 6 24 13,www.tierheim-herne-wanne.de.

Arbeitslosigkeit, die schlechter bezahlte Stelle, der Umzug in eine kleinere Wohnung, Hartz IV – so lauten meist die Erklärungen jener, die ihr Haustier ins Heim bringen. „Die Tierhalter sind schlicht überfordert, oft fehlt vor allem das Geld für den Tierarzt”, erklärt Brigitte Seele-Roßbach, erste Vorsitzende des Tierschutzvereins Herne–Wanne, dem Träger der Einrichtung an der Hofstraße. Häufig würden gleich mehrere Tiere abgegeben, oft ältere Vierbeiner in schlechtem gesundheitlichen Zustand. Erst kürzlich hätte ein Hartz IV-Empfänger zwei alte, sehr kranke Schäferhunde abgegeben, dazu vier Katzen voller Flöhe; drei Sittiche sollen noch folgen.

Nicht das Futter ist das Problem, sondern Sauberkeit und Pflege

„Wir fragen uns oft, warum sich manche so viele Tiere anschaffen”, sagt Seele–Roßbach. Nicht die Futtersituation in den Tier-Haushalten sei problematisch, sondern das zeitintensive und mitunter kostspielige Drumherum: Sauberkeit und Pflege werden vernachlässigt, der Tierarzt gespart. „Die Leute machen sich keine Gedanken. Das beginnt schon bei der Anschaffung”, erklärt die Herner Tierschützerin ein häufiges Szenario: Die Tiere werden unüberlegt über Internet oder Zeitung angeschafft, die Kosten für Kastration und Impfungen gescheut, irgendwann sind die Tiere trächtig oder krank, die Halter mit der (Kosten-)Situation überfordert. „Vor allem bei Katzen erleben wir eine echte Katastrophe. Die Tiere sind oft von Pilzen, Flöhen und Milben befallen.”

Die Kosten für den Veterinär bleiben dann am Heim hängen: um rund 25 Prozent seien die zuletzt gestiegen, die finanzielle Lage insgesamt „sehr schlecht”. Der Verein, der sich aus (konstant etwa 620) Mitgliedsbeiträgen und (weniger werdenden) Spenden finanziert, lebt von der Hand in den Mund. Die Situation sei zwar noch nicht existenzbedrohend, aber im kommenden Frühjahr könne es „eng werden”, so Seele-Roßbach. Mit Aktionen, wie der derzeit laufenden Weihnachtstombola, versucht der Verein mit seinen rund 30 Ehrenamtlichen gegenzusteuern.

Die Mittelschicht sucht jetzt auch häufiger im Tierheim

Ein „Weihnachtsgeschäft” gibt es im Tierheim nicht, obwohl die Ferienzeit generell Hochsaison für Abgaben ist. Dass Tiere als unüberlegtes Weihnachtsgeschenk aus dem Heim geholt werden, wollen die Tierschützer bewusst vermeiden und stellen eine Woche vor dem Fest die Vermittlung ein. Wer sich ernsthaft dafür interessiert, ein Heimtier bei sich aufzunehmen, der wird von den Mitarbeitern im Vorfeld auf Herz und Nieren geprüft.

Neben all den negativen Trends, beobachtet Brigitte Seele-Roßbach aber auch einen positiven: „Wir erreichen inzwischen ein ganz anderes Klientel. Die Mittelschicht geht nicht mehr unbedingt zum Züchter, sondern kommt ins Tierheim um sich ein Tier auszusuchen. Das finde ich toll.”