Herne. . Scheinbar naiv treffen Wladimir Kaminers Alltagsbeobachtungen ins Schwarze. Sein 25. Buch widmet sich der Parallelwelt auf den großen Schiffen.
Anstatt still im Hinterstübchen des Literaturhauses seinen Auftritt abzuwarten, steht Wladimir Kaminer draußen bei ein paar Besucherinnen und unterhält sich. Sehr gut vorstellbar, wie aus seinen geplanten drei Lesungen auf einem Kreuzfahrtschiff ein 14-tägiger Dauer-Auftritt wurde, wie er später auf der Bühne erzählen wird. Präziser Witz trifft coolen Charme: Dieser Kombination erlag auch das Publikum im ausverkauften Literaturhaus.
25 Bücher sind bisher erschienen
Kreuzfahrten sind sein Thema an diesem Mittwochabend. Wladimir Kaminer weiß, wovon er spricht, wie immer, wenn er scheinbar naive Alltagsbeobachtungen eines Russen in Deutschland - nur echt mit rollendem R - zu einem Buch verdichtet, was bisher 25 Mal geschah.
Jetzt also die „Kreuzfahrer“. Mit seiner Frau war der Autor unterwegs, erst im Mittelmeer und später in der Karibik. Trump war gewählt, die Flüchtlinge kamen, und auf der Aida herrschte bei Schlagerberieselung „eine Mischung aus Endzeitstimmung und Partystimmung“. Stößchen! Er lernte Schwaben kennen, die an Land Plastikflaschen einsammelten und Einheimische, die den Russen überall in der Welt „Pelzprodukte“ anboten. „Ist das der Hurricane oder war das schon immer so?“, fragte sich das Paar in der Karibik, wo man auf dem Schiff zwischen Curaçao-Tasting und Walfisch-Beobachtung Freundschaften fürs Leben schloss. Fazit. „Die Schiffe werden immer größer, die Routen immer nebensächlicher.“
Kostproben aus zwei unveröffentlichten Projekten
Lustig geht es nach der Pause weiter, mit Kostproben aus zwei unveröffentlichten Buchprojekten, garniert mit allerlei Plaudereien. In „Neuneinhalb Wochen“ beschreibt Kaminer, wie Kati nach dem Vorbild von Kim Basinger im gleichnamigen Erotikfilm ihr Liebesleben mit Sven anzukurbeln versucht - ausgezogen auf dem Sofa, mit Rosenblättern und Sahne bedeckt. Tante Inges Trip nach China schließlich ist Teil seiner Erkenntnisse darüber, „wie die Alten durchdrehen“. Ein paar Antworten noch auf Publikumsfragen, dann verabschiedet sich Kaminer so entspannt, wie er gekommen ist. Toll!